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Der BFH zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015. Er hat daher in einem summarischen Verfahren Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt.

Hintergrund

Die Entscheidung ist zu §§ 233a, 238 AO ergangen. Danach betragen die Zinsen für jeden Monat 0,5 % einer nachzuzahlenden oder zu erstattenden Steuer. Allein bei der steuerlichen Betriebsprüfung vereinnahmte der Fiskus im Bereich der Zinsen nach § 233a AO in den letzten Jahren mehr als 2 Mrd. EUR (= 2.000.000.000 EUR).

Sachverhalt

Im Streitfall setzte das FA die von den Antragstellern für das Jahr 2009 zu entrichtende Einkommensteuer zunächst auf rund 160.000 EUR fest.

Im Anschluss an eine Außenprüfung änderte das FA im November 2017 die Einkommensteuerfestsetzung auf über 2.000.000 EUR. Nachzuzahlen war eine Steuer von 1.984.800 EUR. Das FA verlangte darüber hinaus für den Zeitraum vom April 2015 bis November 2017 Nachzahlungszinsen in Höhe von rund 250.000 EUR.

Die Antragsteller begehrten die AdV des Zinsbescheids, da die Höhe der Zinsen von 0,5 % für jeden Monat verfassungswidrig sei. FA und FG lehnten dies ab.

Entscheidung

Demgegenüber hat der BFH dem Antrag stattgegeben und die Vollziehung des Zinsbescheids in vollem Umfang ausgesetzt. Nach dem Beschluss des BFH bestehen im Hinblick auf die Zinshöhe für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 233a AO i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO.

Der BFH begründet dies mit der realitätsfernen Bemessung des Zinssatzes, die den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 GG verletze. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz überschreite den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich, da sich im Streitzeitraum ein niedriges Marktzinsniveau verfestigt habe.

Eine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Zinshöhe bestehe bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht. Aufgrund der auf moderner Datenverarbeitungstechnik gestützten Automation in der Steuerverwaltung könnten Erwägungen wie Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung einer Anpassung der seit dem Jahr 1961 unveränderten Zinshöhe an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz nicht mehr entgegenstehen.

Der Gesetzgeber sei im Übrigen von Verfassungs wegen gehalten zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung zu der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten gesetzlichen Höhe von Nachzahlungszinsen auch bei dauerhafter Verfestigung des Niedrigzinsniveaus aufrechtzuerhalten sei oder die Zinshöhe herabgesetzt werden müsse.

Dies habe er selbst auch erkannt, aber gleichwohl bis heute nichts getan, obwohl er vergleichbare Zinsregelungen in der Abgabenordnung und im Handelsgesetzbuch dahingehend geändert habe.

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Fundstelle
BFH 25.4.18, IX B 21/18