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Eine nicht als Geschäftsführer einer GmbH eingetragene Person ist nur bei einer umfassenden Verfügungsbefugnis als sogenannter faktischer Geschäftsführer anzusehen. Nur in diesem Fall kommt er als Haftender i. S. d. § 35 AO in Betracht.

Zur umfassenden Verfügungsbefugnis reichen Kontovollmachten, Vertragsabschlüsse, Verwendung privater Mail-Adressen und Telefonnummern für betriebliche Zwecke nicht aus, so das aktuelle Urteil des FG Köln.

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Sachverhalt

Der Antragsteller beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines gegen ihn gerichteten Haftungsbescheids für die Steuerschulden der T-GmbH in Höhe von 491.000 EUR.

Alleinige Gesellschafterin bzw. Geschäftsführerin war laut Handelsregisterauszug die Ehefrau des Antragstellers.

Das FA begründete die Haftung des Ehemanns mit seiner Stellung als faktischer Geschäftsführer. Dies ergebe sich aus Folgendem:

  • Der Antragsteller sei Verfügungsberechtigter für das Konto der Gesellschaft gewesen und habe somit über das Gesellschaftsvermögen verfügen und faktisch deren Verpflichtungen erfüllen können.
  • Im Außenprüfungs- und im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sei er neben der Ehefrau Ansprechpartner für die Prüfer gewesen. Er habe im Rahmen einer Schließfachbegehung in einer Bank erklärt, alle finanziellen Dinge zu erledigen.
  • Der Antragsteller habe die Unternehmenspolitik bestimmt, das Unternehmen organisiert, Einfluss auf die Gestaltung von Geschäftsbeziehungen genommen, Verhandlungen mit Kreditinstituten geführt und die steuerlichen Angelegenheiten organisiert, da er z. B. zwei Verträge für die T-GmbH geschlossen habe.
  • Der Ehemann sei auch als Datenübermittler für das Steuer-Konto der GmbH registriert gewesen.

Das FA lehnte den Einspruch sowie den Antrag auf AdV des Haftungsbescheids ab. Der Ehemann verfolgte daraufhin seinen streitgegenständlichen Antrag beim FG.

Entscheidungsgründe

Das FG setzte antragsgemäß die Vollziehung des Haftungsbescheids gegen den Ehemann aus, da ernstliche Zweifel daran bestanden, dass er faktischer Geschäftsführer der T-GmbH gewesen sei.

Ernsthafte Zweifel an der faktischen Geschäftsführerstellung

Auf der Basis der vorliegenden Akten und Beweismittel bestanden ernstliche Zweifel, dass das FA den Ehemann zu Recht in Haftung genommen hatte. Zwar kommen u. a. die in den §§ 34, 35 AO bezeichneten Personen als Haftungsschuldner nach § 69 AO in Betracht, also die GmbH-Geschäftsführer als gesetzliche Vertreter, aber nach § 35 AO auch die Verfügungsberechtigten, soweit sie die Pflichten des Geschäftsführers rechtlich und tatsächlich erfüllen können (faktische Geschäftsführer).

Nach der Feststellung der Steuerschulden der Kapitalgesellschaft muss das FA in einem zweiten Schritt feststellen, ob die in Haftung zu nehmende Person eine der in den §§ 34, 35 AO genannte Person war oder ist, er eine Pflichtverletzung im Sinne des § 69 AO vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen hat und diese Pflichtverletzung ursächlich für einen Haftungsschaden geworden ist.

Im Streitfall bestanden ernstliche Zweifel an der Qualifikation des Ehemanns als faktischer Geschäftsführer und damit als Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO.

Hierbei ist nach der Rechtsprechung auf das Gesamterscheinungsbild seines Auftretens abzustellen. Zwar muss ein neben dem satzungsmäßigen Geschäftsführer vorhandener faktischer Geschäftsführer nicht mindestens sechs von acht klassischen Merkmalen im Kernbereich der Geschäftsführung erfüllen.

Es reicht, wenn eine Person nach außen hin so auftritt, als könne sie umfassend über fremdes Vermögen verfügen, und sie faktisch die Aufgaben eines Geschäftsführers wahrnehmen. So können bereits eine beherrschende Stellung als Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft oder eine Generalvollmacht und ein Auftreten nach außen durch Unterzeichnung von Verträgen oder durch Auftreten in Einspruchs- und Klageverfahren eine solche Verfügungsberechtigung vermitteln.

Der Ehemann war unstreitig nicht Gesellschafter oder satzungsmäßiger Geschäftsführer der T-GmbH. Eine Generalvollmacht war nicht ersichtlich.

Die faktische Geschäftsführung konnte nicht aus dem Abschluss von zwei Verträgen abgeleitet werden, da der Ehemann hierdurch nicht die Unternehmenspolitik bestimmte, das Unternehmen organisierte bzw. die Gestaltung von Geschäftsbeziehungen beeinflusst würde.

Die Verfügungsbefugnis über Firmenkonten durch Angestellte ist nicht ungewöhnlich. Informationen über die tatsächlich vorgenommenen Verfügungen von dem Firmenkonto fehlen vollständig.

Auch die Verwendung der E-Mail-Adresse des Antragstellers in Kombination mit der Firmenbezeichnung ist nicht unüblich und ließ nicht den Schluss auf faktische Geschäftsführerstellung zu.

Auch die Angabe der eigenen Mobilfunknummer für Firmengespräche ist kein geeignetes Indiz. Die hier weitgehende Verlagerung der kaufmännischen Abwicklung und der Buchführung der T-GmbH auf den Ehemann ist lediglich ein Indiz.

Denn eine derartige Verlagerung findet in Unternehmen auch auf vertrauenswürdige Buchhalter statt. Die Beherrschung der Buchhaltung allein vermag aber keine faktische Geschäftsführerstellung zu begründen.

Fazit

Der Beschluss zeigt unter Hinweis auf zahlreiche Urteile des BFH und anderer FG die strengen Voraussetzungen auf, die an die Bejahung der faktischen Geschäftsführerschaft einer Person zu stellen sind, die nicht satzungsmäßiger oder gesetzlicher Vertreter des Steuerschuldners ist.

von RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen

Fundstelle
FG Köln 15.12.17, 13 V 2969/17