Die Lieferung von Mieterstrom stellt keine unselbstständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung, sondern eine selbstständige Hauptleistung dar. Daraus folgt, dass der Vermieter bei Anschaffung einer PV-Anlage zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige ist Eigentümer eines umsatzsteuerfrei vermieteten Mehrfamilienhauses und liefert seinen Mietern Strom, den er über die Betriebskosten abrechnet.
Auf dem Mehrfamilienhaus installierte der Steuerpflichtige eine PV-Anlage. Im Rahmen einer Förderung der Kreditanstalt für Wiederaufbau hatte sich der Steuerpflichtige dazu verpflichtet, 50 % der Stromlieferungen innerhalb des Mietobjekts abzunehmen. Soweit der durch die PV-Anlage produzierte Strom nicht ausreichte, gewährleistete der Steuerpflichtige die Stromversorgung durch den Bezug und die Weiterlieferung externen Stroms.
Aus der Anschaffung der PV-Anlage machte der Steuerpflichtige einen Vorsteuerabzug geltend. Das Finanzamt gelangte demgegenüber im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung zu dem Ergebnis, dass die beiden Leistungen – Vermietung und Stromlieferung – so eng zusammenhingen, dass die Stromlieferung als Nebenleistung umsatzsteuerrechtlich das Schicksal der Hauptleistung (Vermietung) teile. Da die Wohnungen umsatzsteuerfrei vermietet würden, sei der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der PV-Anlage insoweit – also um 50 % – ausgeschlossen.
Entscheidung
Das FG hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Die Stromlieferungen des Steuerpflichtigen an seine Mieter stellen keine unselbstständigen Nebenleistungen zu den nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG umsatzsteuerfreien Vermietungsleistungen, sondern selbstständige Hauptleistungen in Form von Lieferungen dar. Dies gilt sowohl für den vom Steuerpflichtigen mit der PV-Anlage eigenproduzierten als auch für den von externen Stromanbietern bezogenen Strom.
Eine einheitliche Leistung liegt vor, wenn
-
mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen
-
für den Kunden so eng miteinander verbunden seien, dass
-
sie objektiv eine einzig untrennbar wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.
Im Zusammenhang mit der Vermietung von Immobilien sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden:
-
Verfügt der Mieter über die Möglichkeit, die Lieferanten und/oder die Nutzungsmodalitäten der in Rede stehenden Gegenstände oder Dienstleistungen auszuwählen, können die entsprechenden Leistungen grundsätzlich als von der Vermietung getrennt angesehen werden. Dies gilt insbesondere, wenn der Mieter über den Umfang der erhaltenen Leistungen, die in Abhängigkeit des Verbrauchs abgerechnet werden könnten, entscheiden kann.
-
Sofern demgegenüber die Vermietung eines Gebäudes in wirtschaftlicher Hinsicht offensichtlich mit den begleitenden Leistungen objektiv eine Gesamtheit bilde, kann davon ausgegangen werden, dass die Leistung mit der Vermietung eine einheitliche Leistung bilde. Ausgehend davon hat der BFH angenommen, dass die den Mietnebenkosten zugrunde liegenden Leistungen wie die Zurverfügungstellung von Wasser, Elektrizität oder Wärme, über deren Verbrauch der Mieter entscheiden könne und die durch die Anbringung von individuellen Zählern kontrolliert und in Abhängigkeit des Verbrauchs abgerechnet würden, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt anzusehen seien.
Im Streitfall hatte die Mieter die Möglichkeit, den Lieferanten und die Nutzungsmodalitäten des Stroms frei zu wählen. Hierfür spricht bereits das gesetzliche Koppelungsverbot von Miet- und Energieversorgungsverträgen nach § 42a Abs. 2 EnWG. Der durchschnittliche Verbraucher kann daher erkennen, dass Miet- und Stromlieferungsverträge voneinander unabhängig sind.
Auch im konkreten Streitfall haben vier Mietparteien im Rahmen gerichtlicher Auskunftsersuchen bestätigt, dass sie Kenntnis von ihrer Freiheit zum Wechsel des Stromanbieters gehabt hätten. Bei den weiteren drei Mietparteien ist davon auszugehen, dass sie sich nicht ernsthaft mit der Wechselmöglichkeit beschäftigt haben, dies aber leicht hätten erkennen können. Zudem haben die Mieter über ihren Stromverbrauch entscheiden können, der durch separate Stromzähler ermittelt wurde.
Beachten Sie | Das FG war nicht an die norminterpretierende Verwaltungsauffassung in Abschn. 4.12.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE gebunden, wonach die Lieferung von Strom in der Regel als Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung anzusehen ist. Die Entscheidung entspricht dem BFH-Urteil vom 17.7.24. Insofern lagen Gründe für die Zulassung der Revision nicht vor.
fundstellen