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Am 26.3.2025 hat das BVerfG (2 BvR 1550/20) seine mit Spannung erwartete Entscheidung zum Solidaritätszuschlag verkündet: Die gegen das Solidaritätszuschlagsgesetz (SolzG) idF v. 10.12.2019 (BGBl I 19, 2115) gerichtete Verfassungsbeschwerde ist unbegründet, der Soli weiterhin verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber hat allerdings hinsichtlich des aufgabenbezogenen finanziellen Mehrbedarfs des Bundes eine Beobachtungsobliegenheit und muss eine Ergänzungsabgabe gegebenenfalls auch anpassen.

Gesetzlicher Hintergrund des Solidaritätszuschlags

Der Solidaritätszuschlag (Soli) wurde 1991 eingeführt, um den Golf-Krieg zu finanzieren, und später unbefristet zur Finanzierung der deutschen Einheit. Ursprünglich betrug er 7,5 %, seit 1995 jedoch 5,5 % auf Einkommen- und Körperschaftsteuer.

Seit VZ 2021 wird der „Soli“ als Zuschlag zur Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer nur noch von 10 % sog. „Besserverdiener“ erhoben. Erhoben wird die Ergänzungsabgabe in 2025 ab einem zu versteuernden Einkommen von rund 73.500 EUR/Jahr (Einkommensteuer bis 19.950 EUR/Jahr), das betrifft rund sechs Millionen Steuerzahler in Deutschland. Hinzu kommen die körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmen, das sind weitere rund 600.000 Steuerzahler, die mit dem Soli belastet sind.

Bisherige Beurteilung des Solidaritätszuschlags in der Rechtsprechung

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte sich bisher nicht inhaltlich zur Verfassungsmäßigkeit des Solis (SolzG 1995) geäußert. Anträge des Finanzgerichts Niedersachsen zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit wurden 2010 und 2023 vom BVerfG abgelehnt. Das Gericht betonte, dass eine Ergänzungsabgabe verfassungsrechtlich nicht befristet werden muss.

Der BFH betrachtet den Soli als verfassungskonform und finanzverfassungsrechtlich gerechtfertigt. Am 20. Februar 2024 bestätigte der BFH erneut die Verfassungsmäßigkeit des Solis für die Jahre 1999 bis 2002.

Der BFH betrachtet Klagen gegen die Verfassungsmäßigkeit des Solis als unzulässig, wenn dieser vorläufig mit Verweis auf ein Musterverfahren beim Bundesverfassungsgericht festgesetzt wurde. Der BFH verweist auf die am 26.3.2025 entschiedene Verfassungsbeschwerde (2 BvR 1505/20) und hat dies in Entscheidungen vom 26.9.2023 bestätigt.

Auch wenn der BFH bislang die Verfassungsmäßigkeit des Solis bis VZ 2021 bestätigt hat, hat er Anfang 2023 (BFH IX R 15/20) eine deutliche Einschränkung gemacht: „Eine zeitliche Begrenzung einer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG im Grundsatz unbefristet erhobenen Ergänzungsabgabe kann sich allerdings daraus ergeben, dass die Ergänzungsabgabe den Zweck hat, einen vorübergehenden, aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren; sie darf damit kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein.“ Dem Gesetzgeber ist dabei nach BFH-Ansicht (Rz. 55) ein „Generationenabstand“, also ein Zeitraum von 30 Jahren zuzubilligen. Dieser „Beobachtungszeitraum“ wäre aus Sicht des BFH Ende 2024 abgelaufen, sodass der Gesetzgeber die weitere Fortgeltung des Solis in 2025 auf den Prüfstand stellen müsste.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde

Im Verfahren 2 BvR 1550/20 im Jahr 2020 vor dem Bundesverfassungsgericht wurde die Verfassungsmäßigkeit des Solis von FDP-Bundestagsmitgliedern angefochten. Die Kläger forderten die Abschaffung des Solis ab 2020, argumentierend, er sei nach Ende des Solidarpakts II verfassungswidrig. Zudem kritisierten sie Ungleichbehandlungen verschiedener Einkommensgruppen nach dem Gesetz zur Rückführung des
Solis.

Entscheidung des BVerfG vom 26.3.2025

Das BVerfG hat am 26.3.2025 die Verfassungsmäßigkeit des Solis in seiner aktuellen Gestalt festgestellt.

Kein Verstoß gegen das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG)

Der Soli beinhaltet als Ergänzungsabgabe (Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG) eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentumsgrundrechts (Art.14 Abs.1 GG). Eine Ergänzungsabgabe (Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG) ist aber nicht voraussetzungslos zulässig, sondern unterliegt steuersystematischen Besonderheiten.

Anforderungen an eine Ergänzungsabgabe (Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG)

Da eine Ergänzungsabgabe wie der Soli ohne Bundesratszustimmung – also ohne Länderbeteiligung – beschlossen werden kann, darf sie nur bedarfsorientiert nach folgenden Maßgaben erfolgen:

  • Die Ergänzungsabgabe nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG setzt einen finanziellen Mehrbedarf des Bundes voraus, der nach der vom Bundesverfassungsgericht nur beschränkt überprüfbaren Einschätzung des Gesetzgebers durch die Erfüllung einer vom Bund angeführten bestimmten Aufgabe voraussichtlich entstehen wird und zu dessen Deckung die Erhebung der Ergänzungsabgabe notwendig erscheint (aufgabenbezogener Mehrbedarf).

  • Ein evidenter Wegfall des einer Ergänzungsabgabe zugrunde gelegten finanziellen Mehrbedarfs begründet eine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Abgabe aufzuheben oder die Voraussetzungen für ihre Erhebung anzupassen. Insoweit trifft den Bundesgesetzgeber – bei einer länger andauernden Erhebung einer Ergänzungsabgabe – eine „Beobachtungsobliegenheit“.

  • Die Erhebung der Ergänzungsabgabe ist von Verfassungs wegen weder von vornherein zu befristen noch auf Notlagen beschränkt.

  • Hinsichtlich des Fortbestands des „aufgabenbezogenen (finanziellen) Mehrbedarfs“ des Bundes besteht zwar ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Sieht er aber keinen Anpassungsmechanismus vor, prüft das BVerfG, ob eine getroffene Regelung auch unter veränderten Rahmenbedingungen noch von der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers getragen wird und daher im Ergebnis weiter zu rechtfertigen ist.

(Noch) kein evidenter Wegfall des finanziellen Mehrbedarfs des Bundes

Ein evidenter Wegfall des auf den Beitritt der damals neuen Länder zurückzuführenden Mehrbedarfs des Bundes kann beim Soli aus Sicht des BVerfG aber auch heute (noch) nicht festgestellt werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum SolzG 2019 (BT-Drs. 19/14103, S. 1) verzeichnet der Bund weiterhin einen wiedervereinigungsbedingten zusätzlichen – wenn auch verringerten – Finanzierungsbedarf, etwa im Bereich der Rentenversicherung, beim Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz, für den Arbeitsmarkt sowie für andere überproportionale Leistungen aus dem Bundeshaushalt für die ostdeutschen Länder. Das BVerfG (Rdz. 139) geht unter Bezugnahme auf DIW/IfO-Gutachten aus dem Jahr 2020 davon aus, dass es auch noch bis 2030 in bestimmten Bereichen wiedervereinigungsbedingte Belastungen des Bundeshaushalts geben wird, die die Soli-Erhebung rechtfertigen.

Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG

Dass sich der Gesetzgeber 2019 mit der Staffelung des Solis dagegen entschieden hat, alle Steuerpflichtigen gleichmäßig zu entlasten, ist nach Ansicht des BVerfG gerechtfertigt und im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht zu beanstanden.

Der Soli wird akzessorisch zur Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer erhoben. Eine solche soziale Staffelung wäre aber im Rahmen der Einkommensteuer bis zur Grenze des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG) zulässig (BVerfGE 32, 333 (339)).

Dem Bundesgesetzgeber ist es unter dem Gesichtspunkt der Akzessorietät der Ergänzungsabgabe als an die Einkommensteuer angelehntes Instrument damit auch nicht verwehrt, den Soli aus sozialen Gründen nur von einem geringen Teil der Einkommen- und Lohnsteuerpflichtigen zu erheben. Der Bund kann deshalb auch weiterhin den Soli beschränkt auf 10 % sog. „Besserverdiener“ erheben.

Praktische Auswirkungen der BVerfG-Entscheidung

Hätten die Kläger vollständig recht bekommen, hätte der Bund für die Zeit ab 2020 rund 65 Mrd. EUR zurückzahlen müssen. Zudem fielen Einnahmen von 12,75 Mrd. EUR im Haushalt 2025 und in den nächsten Jahren weg. Damit hätte sich für die neue Bundesregierung gleich zum Start und noch in diesem Jahr ein ungeplantes Haushaltsloch von insgesamt 78 Mrd. EUR ergeben können. Deshalb schafft das BVerfG – für die Politik erfreulich – die dringend erforderliche Klarheit für die Planung des ausstehenden Bundeshaushalts 2025. Drohende Mehrbelastungen für den Bundeshaushalt sind damit ausgeblieben. Das ist aus Sicht der künftigen Bundesregierung ein gutes Zeichen.