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Durch die Bildung einer sogenannten § 6b-Rücklage können Unternehmer die Besteuerung von stillen Reserven, die bei der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen aufgedeckt wurden, durch Veräußerung der betreffenden Grundstücke oder Gebäude vermeiden. Die stillen Reserven werden dabei auf andere neu angeschaffte Ersatzwirtschaftsgüter übertragen. Fraglich war, ob diese Übertragung auch auf Wirtschaftsgüter einer nicht im Inland belegenen EU-Betriebsstätte möglich ist.

Fundstelle
BFH 22.6.17, VI R 84/14

Verwandte Themen:
Übertragung einer Rücklage auf einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen
Voraussetzungen einer verlängerten Reinvestitionsfrist nach § 6b EStG
Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte
Sachverhalt

Im Streitfall ging es um einen Landwirt, der seinen Gewinn durch Bestandsvergleich ermittelte. Zu seinem Betrieb gehörte eine Rücklage nach § 6b EStG aus der Veräußerung eines Grundstücks im Wirtschaftsjahr 2005/2006. In 2010 beteiligte sich der Steuerpflichtige zu 50 % als Kommanditist an einer ungarischen KG, die einer deutschen Kommanditgesellschaft entspricht. Dieses Unternehmen, das in Ungarn Land- und Forstwirtschaft betreibt, erwarb im Juni 2010 ein landwirtschaftliches Grundstück zum Preis von umgerechnet rund 1.800 EUR.

Im Wirtschaftsjahr 2009/2010 übertrug der Steuerpflichtige 900 EUR aus der § 6b-Rücklage auf das Grundstück in Ungarn. Das FA vertrat hingegen die Auffassung, dass die Rücklagenübertragung an § 6b EStG scheiterte, da das Grundstück in Ungarn nicht zu einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehörte.

Entscheidung

Diese Rechtsauffassung vertritt auch der BFH. Er entschied, dass nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die Übertragung der Rücklage nur dann in Betracht kommt, wenn ein Reinvestitionsobjekt bis zum Ablauf der vierjährigen Reinvestitionsfrist angeschafft oder hergestellt wird und die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören.

Das Grundstück in Ungarn, das dem Steuerpflichtigen bei Anwendung des § 6b EStG grundsätzlich entsprechend seiner Beteiligungsquote anteilig zuzurechnen war, diente jedoch dem Betrieb der KG und war damit keiner inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnen.

Auch die rückwirkende Einfügung des § 6b Abs. 2a EStG durch das Steueränderungsgesetz 2015 hat an dieser Gesetzeslage nichts geändert. Denn der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift lediglich auf die unionsrechtlichen Einwendungen des EuGH bezüglich der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) reagiert.

Nach § 6b Abs. 2a Satz 1 EStG kann die festgesetzte Steuer, die auf einen Gewinn i. S. des Abs. 2 entfällt, auf Antrag des Steuerpflichtigen in fünf gleichen Jahresraten entrichtet werden. Voraussetzung ist, dass im Jahr der Veräußerung eines nach Abs. 1 Satz 1 begünstigten Wirtschaftsguts oder in den folgenden vier Jahren ein in Abs. 1 Satz 2 bezeichnetes Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt wird, das einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zuzuordnen ist.

§ 6b Abs. 2a EStG vermittelt somit lediglich einen Anspruch auf zinslose Stundung der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer. Im Rahmen der Steuerfestsetzung bleibt es dagegen bei der bisherigen, die Übertragung einer Rücklage ausschließenden Regelung, sodass im Streitfall die vom FA vorgenommene Auflösung der Rücklage zutreffend erfolgt war. Die mit § 6b Abs. 2a EStG getroffene Regelung, die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer nur für einen Zeitraum von fünf Jahren zu stunden, hält der BFH für europarechtskonform.

Steuertipp:

Hinsichtlich der rückwirkenden Anwendung der Vorschrift hat der BFH das Gesetz zugunsten der Steuerpflichtigen ausgelegt. Werden – wie im Streitfall – begünstigte Wirtschaftsgüter in einem Wirtschaftsjahr vor Inkrafttreten des StÄndG 2015 veräußert und wurde die Steuererklärung vor dem 6.11.15 (Zeitpunkt der Gesetzesverkündung) bereits abgegeben, genügt ein nachträglich gestellter Stundungsantrag „für“ das betreffende Wirtschaftsjahr. Der Steuerpflichtige ist daher in einem solchen Fall auf Antrag so zu stellen, als habe er rechtzeitig eine Stundung begehrt.