In für BUCHHALTER & UNTERNEHMENSBERATER, für UNTERNEHMER, Steuer-Tipps für ALLE

1      Allgemeines

Eine Lieferung gilt im Normalfall an dem Ort ausgeführt, an dem die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer beginnt. Ein deutscher Onlinehändler musste daher grundsätzlich deutsche Umsatzsteuer entrichten, wenn er die Ware aus seinem Lager in Deutschland versandt hat.

Dies war aber nur der Fall, solange der Händler eine bestimmte Lieferschwelle nicht überschritten hat. Ansonsten musste die Versteuerung im anderen EU-Staat mit der ausländischen Umsatzsteuer erfolgen.

Mit der Fernabsatzregelung soll erreicht werden, dass die Umsatzsteuer in dem EU-Staat erhoben wird, in dem die Ware auch verbraucht wird.

2      Wann greift die Fernverkaufsregelung?

Zum 01.01.2021 sollte die bisherige Versandhandelsregelung bzw. Lieferschwellenregelung entfallen und durch die Fernverkaufsregelung ersetzt werden. Die EU-Kommission hat jedoch im Mai 2020 entschieden, dass die Frist aufgrund der Corona-Krise um sechs Monate auf den 01.07.2021 verschoben wird. Damit die Fernabsatzregelung greift, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Der Unternehmer ist nur in einem Mitgliedstaat ansässig,
  2. die elektronischen Dienstleistungen werden an Nichtunternehmer in einem anderen EU-Staat erbracht oder
  3. die Gegenstände werden in einen anderen Mitgliedstaat geliefert und
  4. die Lieferschwelle von 10.000 € wird im laufenden Jahr überschritten und
  5. die Lieferschwelle von 10.000 € wurde im Vorjahr überschritten.

Beispiel

Ein Unternehmer liefert einen Gegenstand von Kiel in Deutschland nach Paris in Frankreich. Der Abnehmer ist eine französische Privatperson. Die Lieferschwelle ist überschritten.

Lösung

Die Fernabsatzregelung kommt zur Anwendung. Denn der Unternehmer hat einen Gegenstand aus einem Mitgliedstaat (Deutschland) in einen anderen Mitgliedstaat (Frankreich) befördert und Abnehmer ist eine Privatperson.

Die Folge ist, dass der Unternehmer die Lieferung in Frankreich der dortigen Umsatzsteuer zu unterwerfen hat.

Auch wenn eine Lieferung nach Deutschland erfolgt, ist für den jeweiligen Lieferer unter den oben genannten Voraussetzungen die Fernabsatzregelung anwendbar.

Beispiel

Ein Unternehmer liefert einen Gegenstand von Mailand (Italien) nach Passau (Deutschland). Abnehmer ist eine deutsche Privatperson. Die Lieferschwelle in Höhe von 10.000 € ist überschritten.

Lösung

Die Fernverkaufsregelung kommt zur Anwendung. Denn der Unternehmer hat einen Gegenstand aus einem Mitgliedstaat (Italien) in einen anderen Mitgliedstaat (Deutschland) befördert und der Abnehmer ist eine Privatperson.

3      Lieferung an Unternehmer

Nicht nur bei Privatpersonen findet die Fernverkaufsregelung Anwendung. Vielmehr kann sie auch bei einer Lieferung an andere Abnehmer (Erwerber) greifen. Dazu gehören insbesondere

  • Unternehmer, die nur steuerfreie Umsätze erbringen, welche den Vorsteuerabzug ausschließen,
  • Kleinunternehmer und
  • juristische Personen, die keine Unternehmer sind bzw. die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwerben.

Voraussetzung ist dabei, dass der vorgenannte Erwerber die sogenannte Erwerbsschwelle weder unterschreitet noch auf diese verzichtet hat. Trifft dies zu, dann kommen die Regelungen der Lieferschwelle uneingeschränkt zur Anwendung (vgl. Punkt 4).

Hinweis

In Deutschland gilt dabei eine Erwerbsschwelle in Höhe von 12.500 €.

4      Maßgebliche Lieferschwelle

4.1     Allgemeines

Besondere Voraussetzung für die Anwendung der Fernverkaufsregelung ist, dass die Lieferung des Lieferers eine bestimmte Höhe – die Lieferschwelleüberschreitet. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass beim Unterschreiten der Lieferschwelle die Fernverkaufsregelung nicht zur Anwendung kommt.

Hinweis:

Es gilt eine einheitliche Lieferschwelle von 10.000 € pro Jahr für Warensendungen und bestimmte Dienstleistungen. Diese Schwelle ist maßgebend für die gesamte EU; die bisherigen Lieferschwellenwerte der einzelnen Mitgliedstaaten sind nicht mehr gültig.

 

4.2     Höhe des Schwellenwerts

Ab dem 01.01.2021 gilt eine einheitliche Lieferschwelle in der EU von 10.000 € pro Jahr für Warensendungen und bestimmte Dienstleistungen innerhalb der EU. Die Unterschreitung dieses Werts führt nicht zur Verlagerung des Leistungsorts in das Bestimmungsland.

4.3     Welche Umsätze sind bei der Ermittlung des Schwellenwerts zu berücksichtigen?

Für die Berechnung, ob der Schwellenwert überschritten wird, sind nicht nur die Warenlieferungen relevant, sondern auch die auf elektronischem Weg erbrachten Dienstleistungen. Hierbei kann es sich zum Beispiel um kostenpflichtige Downloads wie E-Books handeln. Es sind somit die Warenverkäufe und Dienstleistungen an Privatpersonen ins EU-Ausland zusammenzurechnen.

4.4     Pflichten, wenn der Lieferschwellenwert nicht überschritten wird

Wird die Lieferschwelle vom Lieferer nicht überschritten und wird auch nicht auf die Anwendung der Lieferschwelle verzichtet, so muss grundsätzlich im Abgangsland der Ware versteuert werden.

4.4.1    Es wird von Deutschland in einen anderen Mitgliedstaat geliefert

Die Lieferung ist in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig. Der Lieferer hat die Lieferung somit in seiner Umsatzsteuervoranmeldung als normale Lieferung aufzuführen.

Beispiel

Ein Unternehmer liefert in einem Kalenderjahr an französische private Abnehmer Waren von 8.500 € und befördert diese nach Frankreich.

Lösung

Der Unternehmer hat die Lieferung an den französischen privaten Abnehmer normal in seiner deutschen Umsatzsteuervoranmeldung zu deklarieren.

Hinweis

Es liegt keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vor, da der Abnehmer kein Unternehmer ist.

4.4.2    Es wird von einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland geliefert

Die Regelung aus Punkt 4.4.1 gilt analog, wenn ein Lieferer aus einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland liefert, dabei aber nicht die Lieferschwelle überschreitet (und auch nicht auf die Lieferschwelle verzichtet). Denn dann unterliegt der Lieferer den Besteuerungsregeln, die in dem jeweiligen Mitgliedstaat gelten.

Beispiel

Ein Unternehmer in Rom (Italien) liefert an deutsche private Abnehmer im Kalenderjahr Waren für 6.000 € und befördert diese von Rom nach Deutschland. Er hat die Lieferschwelle nicht überschritten.

Lösung

Der Unternehmer hat seine Lieferung in Italien zu deklarieren und unterliegt somit der italienischen Umsatzbesteuerung.

4.5     Pflichten, wenn der Lieferschwellenwert überschritten wird

Kommt es zum Überschreiten des Schwellenwerts, ergeben sich für den jeweiligen Lieferer in Abhängigkeit davon, ob nach Deutschland oder in einen anderen Mitgliedstaat geliefert wird, die folgenden Pflichten.

4.5.1    Lieferung erfolgt von Deutschland in einen anderen Mitgliedstaat

Wird der Ort der Lieferung aus Deutschland aufgrund der Fernverkaufsregelung in einen anderen Mitgliedstaat verlagert, so unterliegt der Lieferant den Besteuerungsregeln des jeweiligen Mitgliedstaats.

Auch in Deutschland treffen den Lieferanten bestimmte Pflichten, das heißt, er muss die Lieferungen in seiner Umsatzsteuererklärung (Anlage UR) aufführen.

Hinweis

Idealerweise sollten Sie mit uns darüber sprechen. Informationen darüber, was in solchen Fällen zu veranlassen ist, können Sie daneben auch bei den Industrie- und Handelskammern erfragen bzw. über deren Webpräsenzen einsehen. Auch beim Bundeszentralamt für Steuern sind unter www.bzst.de nähere Informationen erhältlich.

4.5.2    Lieferung erfolgt aus einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland

Wird der Ort der Lieferung aufgrund der Fernverkaufsregelung nach Deutschland verlagert, so unterliegt der Lieferant den deutschen Besteuerungsregeln. Zum einen hat er die Lieferung in Deutschland in der Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Umsatzsteuererklärung zu deklarieren. Zum anderen treffen ihn Aufzeich­nungspflichten: Zur Feststellung der Umsatzsteuer und der Grundlagen ihrer Berechnung muss er Aufzeichnungen führen. Darüber hinaus ist der Lieferer zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet.

4.5.3    Umsatzsteuerliche Pflichten im Ausland

Wenn der Händler im Ausland Umsatzsteuer abführen muss, da der Schwellenwert überschritten wurde, muss er sich grundsätzlich dort steuerlich registrieren. In den meisten anderen Mitgliedstaaten benötigt ein Lieferant aus Deutschland einen sogenannten Fiskalvertreter. Dieser übernimmt dann die dortigen Umsatzsteuerpflichten, insbesondere die Abgabe der entsprechenden Umsatzsteuererklärungen.

Für Onlinehändler soll es ab dem 01.01.2021 bzw. nun 01.07.2021 auch eine Vereinfachungsregelung als Alternative geben, so dass sie sich nicht mehr in jedem Land umsatzsteuerlich registrieren müssen.

Sie können dann das sogenannte „One-Stop-Shop“-Verfahren (OSS-Verfahren) nutzen. Dies bedeutet, dass der Online-Händler sich nicht mehr im Ausland registrieren muss, sondern die anfallenden ausländischen Umsatzsteuern direkt beim deutschen Bundeszentralamt für Steuern anmelden und abführen kann.

Hinweis

Ob die Einführung des OSS-Verfahrens ab dem 01.01.2021 möglich ist, ist im Moment noch unsicher. Da die IT-Systeme in Deutschland und den Niederlanden zurzeit noch nicht bereit für eine Einführung des OSS-Verfahrens sind, baten beide Länder um einen Aufschub von drei Jahren. Wenn dieser genehmigt wird, wäre eine Nutzung erst ab dem 01.01.2024 möglich. Bisher gibt es hierzu keine Entscheidung.

Durch die Nutzung des OSS-Verfahrens müssten sich die Versandhändler nicht mehr im Ausland registrieren und auch keine ausländischen Steuerberater oder Dienstleister einschalten. Dies verringert die Kosten für die Meldungen.

4.6     Pflichten, wenn auf den Schwellenwert verzichtet wird

Wird auf den Schwellenwert verzichtet (siehe Punkt 5), gelten die gleichen Pflichten wie beim Überschreiten der Lieferschwelle (siehe Punkt 4.5).

5      Verzicht auf Schwellenwert

Beim Unterschreiten des Schwellenwerts hat der Lieferer gleichwohl die Möglichkeit, auf die Anwendung des Schwellenwerts zu verzichten. In diesem Fall wird die Fernverkaufsregelung direkt mit dem ersten Euro Umsatz im Ausland angewandt. Die Lieferung gilt also am Ort der Beendigung der Beförderung/Versendung als ausgeführt.

Das Ausüben der Option hat ein Unternehmer gegenüber seinem zuständigen Finanzamt zu erklären.

Hinweis

Nach der Option ist der Lieferer aber für zwei Jahre daran gebunden. Ein Verzicht auf die Lieferschwelle kann immer dann empfehlenswert sein, wenn der Steuersatz des Mitgliedstaats, in den geliefert wird, niedriger ist als der des Ursprungslands.

6      Was fällt nicht unter die Fernverkaufsregelung?

Wie bereits auch die Lieferschwellenregelung gilt die Fernverkaufsregelung nicht für die Lieferung von Gebrauchtgegenständen und -fahrzeugen, Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten. Solche Lieferungen unterliegen wie zuvor auch der Differenzbesteuerung.

7      Lieferung neuer Fahrzeuge und verbrauchsteuerpflichtiger Waren

7.1     Neue Fahrzeuge

Die Fernverkaufsregelung gilt nicht für die Lieferung von neuen Fahrzeugen. Denn hier hat der private Abnehmer das neue Fahrzeug als innergemeinschaftlichen Erwerb in dem entsprechenden Mitgliedstaat zu versteuern.

Hinweis

Als neues Fahrzeug gilt ein Fahrzeug (Landfahrzeug), wenn dieses nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt hat oder wenn die Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als sechs Monate zurückliegt.

7.2     Verbrauchsteuerpflichtige Waren

Verbrauchsteuerpflichtige Waren fallen regelmäßig nicht unter die Fernverkaufsregelung. Das bedeutet, dass diese – auch bei kleinen Mengen – im jeweiligen Bestimmungsland vom Lieferer zu versteuern sind. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein sogenannter Schwellenerwerber die verbrauchsteuerpflichtige Ware erwirbt. In diesem Fall muss dieser die Ware als innergemeinschaftlichen Erwerb im entsprechenden Mitgliedstaat versteuern. Für den Lieferer ist dann eine steuerfreie Lieferung gegeben.

Beispiel

Ein Unternehmer liefert eine Kiste mit Wein an einen Privatmann in Spanien, indem er sie nach Spanien befördert.

Lösung

Der Unternehmer hat die Weinlieferung der Besteuerung in Spanien zu unterwerfen. Hierzu hat er gegebenenfalls einen Fiskalvertreter zu bestellen. Einzelheiten darüber, was zu beachten ist, können Sie gerne jederzeit bei uns erfragen und zudem auch beim Bundeszentralamt für Steuern erfahren.

8      Rechnungsstellung

8.1     Lieferungen werden in Deutschland erbracht

Wenn der Lieferer eine Lieferung im Sinne der Fernverkaufsregelung in Deutschland erbracht hat, so muss er eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis erteilen.

8.2     Lieferungen werden in einem anderen Mitgliedstaat erbracht

Wenn der Lieferer eine Lieferung im Sinne der Fernverkaufsregelung in einem anderen Mitgliedstaat erbracht hat, muss er eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis – entsprechend den dortigen gesetzlichen Bestimmungen – erteilen.

Hinweis

Aufgrund der hohen Lieferschwellen in der Vergangenheit wurde oftmals keine Aufteilung der Umsätze nach den Zielländern vorgenommen. Da die Lieferschwelle nun niedriger ist, empfiehlt es sich, bereits ab dem ersten Umsatz eine Aufteilung auf die Zielländer vorzunehmen.