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Nach § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 EUR bis 250.000 EUR festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung des Finanzamts, Auskünfte zu erteilen oder Unterlagen vorzulegen bzw. den Zugriff auf eine elektronisch geführte Buchhaltung zu ermöglichen, nicht nachkommt.
Dies gilt auch im Rahmen einer Außenprüfung.
BFH 24.4..14, IV R 25/11

Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Festsetzung eines solchen Verzögerungsgeldes. Im Vorfeld einer geplanten Außenprüfung war es beginnend im Jahr 2008 zu umfangreichen Streitigkeiten über die Rechtsmäßigkeit einer Prüfungsanordnung gekommen, die teilweise bis zum FG getragen wurden.
Im Januar 2010 sollte die Außenprüfung beginnen. Einen vor allem mit personellen Schwierigkeiten begründeten AdV-Antrag mit dem Ziel, den Prüfungsbeginn erneut zu verschieben, lehnte das FA ab. Es verlangte außerdem von der Pflichtigen, bestimmte Unterlagen vorzulegen.
Diese kam dem Verlangen nicht nach, weshalb ein Verzögerungsgeld in Höhe von 4.800 EUR festgesetzt wurde. Die hiergegen gerichtete Klage war beim FG erfolgreich.

Entscheidung

Das FA unterlag auch beim BFH. Dem Grunde nach hat das Gericht zwar keine Bedenken, dass im Streitfall die Voraussetzungen des § 146b Abs. 2b AO erfüllt sein könnten. Der Senat geht jedoch von erheblichen Ermessensfehlern des FA aus, weshalb der Bescheid aufzuheben war.

Begründung

Die Festsetzung von Verzögerungsgeld erfordert eine zweifache Ermessensentscheidung des FA: Zum einen im Hinblick darauf, ob im jeweiligen Einzelfall überhaupt ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird (sogenanntes Entschließungsermessen), zum anderen eine Entscheidung über die Höhe des Verzögerungsgelds innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens (sogenanntes Auswahlermessen).
Derartige Ermessensentscheidungen können von den Gerichten prinzipiell nur eingeschränkt überprüft werden. Nach § 102 Satz 1 FGO ist diese Prüfung darauf beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sogenannte Ermessensüberschreitung), und ob das FA von seinem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (sogenannter Ermessensfehlgebrauch). Auch darf das Gericht kontrollieren, ob das FA ein ihm zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sogenannte Ermessensunterschreitung) oder ob die Behörde die allgemeinen verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung missachtet hat.
Das FA muss bei allen Entscheidungen vor allem den für alle staatlichen Handlungen maßgeblichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten.

Fehlende Mitwirkungspflicht allein reicht nicht

Der BFH nahm schon Verstöße gegen das Entschließungsermessen an. Die gesetzliche Mindestsumme des Verzögerungsgeldes liegt bei 2.500 EUR. Es handelt sich also nicht um einen bloßen Bagatellbetrag. Schon deswegen sind sorgfältige Erwägungen nötig, ob im Einzelfall die vom Steuerpflichtigen vorgetragenen Umstände einerseits und die Beeinträchtigungen der Verwaltungstätigkeit andererseits eine Festsetzung überhaupt zulassen.
Dabei genügt die bloße Feststellung, dass der Betreffende seiner sich für eine Außenprüfung aus § 200 Abs. 1 AO ergebenden Mitwirkungspflicht nicht nachkommt, für sich genommen nicht. Letztlich hatte das FA das Verzögerungsgeld aber allein deswegen für gerechtfertigt gehalten, weil die vorgebrachten Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe nicht vorlägen bzw. diese die verspätete Vorlage der Unterlagen nicht rechtfertigen oder entschuldigen könnten. Dies reicht jedoch allein nicht aus, um eine sachgerechte Ermessensentscheidung anzunehmen.

Auswahlermessen durch das Finanzamt

Auch das Auswahlermessen wurde vom FA fehlerhaft ausgeübt. Nach Feststellung des BFH hatte die Behörde für jeden Tag der Fristüberschreitung in analoger Anwendung des § 162 Abs. 4 Satz 3 AO pauschal einen Betrag von 100 EUR festgesetzt, ohne dies aber weiter zu begründen. Schon dies hält der Senat für falsch. Außerdem hatte das FA bei seiner Entscheidung die Vorgeschichte, vor allem die sich über längere Zeit hinziehenden Streitigkeiten zwischen den Beteiligten und den zuvor gestellten AdV-Antrag, außer Acht gelassen.