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Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung sind nur dann als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG abziehbar, wenn die Behandlung nach inländischen Maßstäben mit dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) oder anderen Gesetzen vereinbar ist.

Fundstelle
BFH 17.5.17, VI R 34/15

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Sachverhalt

Im Streitfall ging es um einen Steuerpflichtigen, der an einer sog. Subfertilität aufgrund einer Spermienanomalie leidet. Im Streitjahr 2010 wurden bei der Ehefrau des Steuerpflichtigen, mit der er damals noch nicht verheiratet war, im Wege der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) mehrere Versuche unternommen, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Auf diese Weise wurden zunächst vier, dann sieben Eizellen befruchtet.

Nach Durchführung der sog. Blastozystenkultur (extrakorporale Kultur während der ersten vier bis sechs Tage nach Vornahmen der ICSI) wurden der Ehefrau die jeweils verbliebenen zwei Embryonen eingesetzt. Die Behandlung fand in einer Klinik in Österreich statt. Die Behandlungskosten in Höhe von insgesamt rund 17.000 EUR machte der Steuerpflichtige erfolglos als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend, da – so das FG – das Embryonenschutzgesetz verbiete, mehr als drei Eizellen zu befruchten.

Entscheidung

Der BFH sieht dies jedoch differenzierter und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und Entscheidung an das FG zurück.

Er stellte zunächst heraus, dass Aufwendungen für die künstliche Befruchtung dann als Behandlung bei Sterilität anerkannt werden, wenn diese in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird. Voraussetzung ist allerdings, dass die den Aufwendungen zugrunde liegende Behandlung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang steht. Denn eine nach nationalem Recht verbotene Behandlung kann keinen zwangsläufigen Aufwand i. S. des § 33 Abs. 1 EStG begründen.

Vielmehr ist von den Steuerpflichtigen zu erwarten, dass sie gesetzliche Verbote beachten. Aufwendungen für nach objektiv-rechtlichen Maßstäben verbotene Behandlungsmaßnahmen sind selbst dann nicht zwangsläufig, wenn sie nicht straf- oder bußgeldbewehrt sind oder wegen eines Strafausschließungsgrundes nicht geahndet werden.

Kosten für eine künstliche Befruchtung sind daher nur dann als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn die aufwandsbegründende Behandlung insbesondere nicht gegen das Embryonenschutzgesetz verstößt und mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte im Einklang steht.

Im Streitfall hatte das FG zu Unrecht angenommen, § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG verbiete, mehr als drei Eizellen zu befruchten. Auch verbieten die Berufsordnungen der Ärzte bei einer ICSI nicht, mehr als drei Eizellen zu befruchten. Denn ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG liegt nicht vor, wenn zwar mehr als drei Eizellen befruchtet werden, aber lediglich ein oder zwei entwicklungsfähige Embryonen zum Zwecke der Übertragung entstehen sollen und der Behandlung eine vorherige sorgfältige individuelle Prognose zugrunde liegt (sog. deutscher Mittelweg).

Da das FG bisher nicht geprüft hatte, ob die aufwandsbegründenden Behandlungen dem sog. deutschen Mittelweg entsprechen, verwies der BFH den Streitfall an die Vorinstanz zurück. Sollte sich dann ergeben, dass die Behandlung im Einklang mit dem Embryonenschutzgesetz steht, worauf der BFH ausdrücklich hinweist, so steht einem Abzug als außergewöhnliche Belastungen nicht entgegen, dass die für die Behandlung gestellten Rechnungen an die spätere Ehefrau des Steuerpflichtigen gerichtet waren.

Denn die Aufwendungen dienten dazu, eine Fertilitätsstörung des Steuerpflichtigen auszugleichen, und waren als insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung darauf gerichtet, die Störung zu überwinden und die Krankheit zu lindern. Die Behandlung ist insoweit ebenso wie eine heterologe Insemination als untrennbare Einheit zu sehen. Daher sind auch die spätere Ehefrau betreffende Behandlungsmaßnahmen Aufwendungen zur Behandlung einer Krankheit des Steuerpflichtigen, die dieser als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd geltend machen kann, soweit er sie getragen hat.