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Je nach Typ unterscheiden sich die Anschaffungskosten einer Windkraftanlage. Im Internet kursieren Angebote, die durchaus den Betrag von 11 Mio. EUR aufweisen. Da die wenigsten Investoren bei der Anschaffung allein vom Umweltgedanken getrieben werden, sondern in vorderster Front doch vom Streben nach Gewinn, ist der Beginn der Abschreibungsfrist in dieser Kostendimension von besonderer Bedeutung.

Nach Auffassung des BFH beginnt die Abschreibungsfrist bei Erwerb durch Kaufvertrag bzw. Werklieferungsvertrag mit dem Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums.

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Sachverhalt

Die Steuerpflichtige betreibt in der Rechtsform einer KG auf gepachteten Grundstücksflächen einen Windpark. Dieser Windpark besteht aus fünf Windkraftanlagen, einer Übergabestation (Umspannwerk) und der ­Zuwegung.

Mit Vertrag vom 6.12.2003 beauftragte die Steuerpflichtige die P-GmbH mit der Errichtung der schlüsselfertigen fünf Windkraftanlagen. 95 % des in Raten zu zahlenden Kaufpreises waren bis zum Zeitpunkt der Errichtung der Windkraftanlagen fällig.

Die Schlussrate in Höhe von 5 % war auch ohne Übergabe spätestens einen Monat nach der Inbetriebnahme der fünf Anlagen fällig, unabhängig davon, ob die Steuerpflichtige die Abnahme verweigert und durch einen unabhängigen Gutachter die Mängelfreiheit festgestellt wird.

Die Übergabe sollte im Rahmen der Aushändigung eines Abnahmeprotokolls erfolgen, das ein Sachverständiger erstellt hatte. Mit der Feststellung der Mängelfreiheit waren sämtliche Gewährleistungsansprüche an die Steuerpflichtige abzutreten, zudem sollte ab diesem Zeitpunkt die Gefahr auf die Steuerpflichtige übergehen.

Die P-GmbH beauftragte ihrerseits die V-GmbH mit der Lieferung, ­Montage und Inbetriebnahme der fünf Windkraftanlagen. Im November 2004 setzte die V-GmbH die fünf Windkraftanlagen in Betrieb. Zum 31.12.2004 hatte die Steuerpflichtige – wie vereinbart – 95 % des Gesamtpreises an die P-GmbH bezahlt. Aber erst im September 2005 nahm die P-GmbH die Anlagen von der V-GmbH ab.

Die Steuerpflichtige schrieb die fünf Windkraftanlagen ab dem 1.11.2004 – dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme – ausgehend von einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 16 Jahren degressiv mit einem Satz von 12,5 % ab. Das FA ging dagegen davon aus, dass die fünf Windräder erst mit der Abnahme im September 2005 angeschafft worden seien und AfA erst ab September 2005 in Anspruch genommen werden könnten. Einspruchs- und Klageverfahren blieben erfolglos.

Entscheidung

Auch der BFH entschied, dass die Steuerpflichtige die Windräder frühestens im September 2005 angeschafft und erst ab diesem Zeitpunkt der Abschreibungszeitraum begonnen hat.

Praxishinweis

Jahr der Anschaffung ist nach § 9a EStDV das Jahr der Lieferung. Geliefert ist ein Wirtschaftsgut, wenn der Steuerpflichtige (Erwerber) zumindest die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut in dem Sinne erlangt hat, dass er als dessen wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist.

Wirtschaftliches Eigentum an einem Wirtschaftsgut geht nicht schon dann auf den Erwerber über, wenn diesem die Nutzung (Fruchtziehung) des Wirtschaftsguts überlassen wird. Die das zivilrechtliche Eigentum verdrängende steuerrechtliche Zuordnung eines Wirtschaftsguts auf einen anderen setzt vielmehr voraus, dass die Substanz des Wirtschaftsguts auf diesen übergeht.

Dies gilt auch bei einem Wirtschaftsgut, das vor Abnahme vom zukünftigen Erwerber bereits genutzt werden kann.

Im Streitfall war die Gefahr erst mit der Abnahme der fünf Windräder auf die Steuerpflichtige im September 2005 übergegangen, gut neun Monate nach Inbetriebnahme der Anlage.

Fundstelle
BFH 22.9.16, IV R 1/14