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Die strikte Anwendung des formellen Erfordernisses, für den Vorsteuerabzug Rechnungen vorzulegen, verstößt gegen die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit. Dem Unternehmer würde dadurch auf unverhältnismäßige Weise die steuerliche Neutralität seiner Umsätze verwehrt. Gleichwohl muss ein Unternehmer, der einen Vorsteuerabzug vornehmen möchte, nachweisen, dass er die Voraussetzungen hierfür erfüllt.

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige ist ein Rumäne, der in den Streitjahren mit Immobilien handelte. Er unterwarf die Geschäfte – bewusst oder unbewusst – zunächst nicht der rumänischen Umsatzsteuer. Als die Finanzverwaltung dies nachholte, begehrte der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug auf Eingangsumsätze. Dazu konnte er allerdings keine oder allenfalls unleserliche Eingangsrechnungen vorlegen. Dem vorlegenden Gericht stellte sich u. a. die Frage, ob an die Stelle der Eingangsrechnungen auch ein gerichtlich angeordnetes Sachverständigengutachten treten kann.

Entscheidung

Nach Auffassung des EuGH kann ein Unternehmer, der nicht in der Lage ist, durch Vorlage von Rechnungen oder anderen Unterlagen den Betrag der von ihm gezahlten Vorsteuer nachzuweisen, nicht allein auf der Grundlage einer Schätzung in einem vom nationalen Gericht angeordneten Sachverständigengutachten ein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen. Im Ergebnis versagte der EuGH dem Steuerpflichtigen damit den Vorsteuerabzug. Das war zu erwarten und ist an sich wenig spektakulär! Ganz anders die Hinleitung zur Entscheidung, in der der EuGH sich zur Bedeutung der Eingangsrechnung positioniert:

Zu den formellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugsrechts der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie ergibt sich, dass es nur ausgeübt werden kann, wenn der Steuerpflichtige eine ordnungsgemäß ausgestellte Rechnung besitzt.

Das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität verlangt aber, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Voraussetzungen nicht genügt hat.

Daraus folgt, dass die Steuerverwaltung das Recht auf Vorsteuerabzug nicht allein deshalb verweigern kann, weil eine Rechnung nicht die in der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, wenn die Verwaltung über sämtliche Daten verfügt, um zu prüfen, ob die für dieses Recht geltenden materiellen Voraussetzungen erfüllt sind.

Daher verstößt die strikte Anwendung des formellen Erfordernisses, Rechnungen vorzulegen, gegen die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit, da dadurch dem Steuerpflichtigen auf unverhältnismäßige Weise die steuerliche Neutralität seiner Umsätze verwehrt würde.

Gleichwohl muss ein Steuerpflichtiger, der einen Vorsteuerabzug vornehmen möchte, nachweisen, dass er die Voraussetzungen hierfür erfüllt. Der Steuerpflichtige muss also durch objektive Nachweise belegen, dass ihm andere Steuerpflichtige auf einer vorausgehenden Umsatzstufe tatsächlich Gegenstände oder Dienstleistungen geliefert bzw. erbracht haben, die seinen der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätzen dienten und für die er die Mehrwertsteuer tatsächlich entrichtet hat.

Praxistipp | „Daher verstößt die strikte Anwendung des formellen Erfordernisses, Rechnungen vorzulegen, gegen die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit, da dadurch dem Steuerpflichtigen auf unverhältnismäßige Weise die steuerliche Neutralität seiner Umsätze verwehrt würde.“ Diese Feststellung des EuGH in Randziffer 42 des Besprechungsurteils ist das eigentlich Sensationelle! Soweit erkennbar stellt der EuGH in dieser Deutlichkeit damit erstmalig klar, dass Unternehmer für den Vorsteuerabzug nicht zwingend im Besitz einer Eingangsrechnung sein müssen!

Fundstelle
EuGH 21.11.18, C-664/16, Vãdan