In für BUCHHALTER & UNTERNEHMENSBERATER, für UNTERNEHMER, Steuer-Tipps für ALLE

1      Allgemeines

Eine Lieferung gilt im Normalfall an dem Ort ausgeführt, an dem die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer beginnt. Hiervon weicht die sogenannte Ver­sandhandelsregelung ab: Bei dieser gilt eine Lieferung als an dem Ort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet (Bestimmungslandprinzip).

Infolgedessen erfolgt die Versteuerung der Lieferung nicht im Ursprungsland, sondern im Bestimmungsland. Damit ergeben sich für den Lieferer steuerliche Pflichten, die er im jeweiligen Bestimmungsland zu erfüllen hat.

Hinweis

Mit der Versandhandelsregelung soll erreicht werden, dass die Umsatzsteuer in dem EU-Staat erhoben wird, in dem die Ware auch verbraucht wird.

2      Wann greift die Versand­handelsregelung?

Damit die Versandhandelsregelung greift, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein:

1    Der Lieferer befördert oder versendet den Gegen­stand in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats,

2    die Lieferung erfolgt an eine Privatperson oder eine bestimmte andere Person (vgl. Punkt 3) und

3    die Lieferschwelle wird überschritten (vgl. Punkt 4).

Beispiel

Ein Unternehmer liefert einen Gegenstand von Kiel in Deutschland nach Paris in Frankreich. Abnehmer ist eine französische Privatperson. Die maßgebliche Lieferschwelle ist überschritten.

Lösung

Die Versandhandelsregelung kommt zur Anwendung. Denn der Unternehmer hat einen Gegenstand aus einem Mitgliedstaat (Deutschland) in einen anderen Mitgliedstaat (Frankreich) befördert und Abnehmer ist eine Privatperson.

Folge davon ist, dass der Unternehmer die Lieferung in Frankreich der dortigen Umsatzsteuer zu unterwerfen hat.

Auch wenn eine Lieferung nach Deutschland erfolgt, ist für den jeweiligen Lieferer unter den oben genannten Voraussetzungen die Versandhandelsregelung anwendbar.

Beispiel

Ein Unternehmer liefert einen Gegenstand von Mailand (Italien) nach Passau (Deutschland). Abnehmer ist eine deutsche Privatperson. Die maßgebliche deutsche Lieferschwelle in Höhe von 100.000 € ist überschritten.

Lösung

Die Versandhandelsregelung kommt zur Anwendung. Denn der Unternehmer hat einen Gegenstand aus einem Mitgliedstaat (Italien) in einen anderen Mitgliedstaat (Deutschland) befördert und der Abnehmer ist eine Privatperson.

3      Lieferung an Unternehmer

Nicht nur bei Privatpersonen findet die Versandhandelsregelung Anwendung. Vielmehr kann sie auch bei einer Lieferung an andere Abnehmer (Erwerber) greifen. Dazu gehören insbesondere:

  • Unternehmer, die nur steuerfreie Umsätze erbringen, welche den Vorsteuerabzug ausschließen,
  • Kleinunternehmer und
  • juristische Personen, die keine Unternehmer sind bzw. die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwerben.

Voraussetzung ist dabei, dass der vorgenannte Erwerber die sogenannte Erwerbsschwelle weder unterschreitet noch auf diese verzichtet hat. Trifft dies zu, dann kommen die Regelungen der Lieferschwelle uneingeschränkt zur Anwendung (vgl. Punkt 4).

Hinweis

In Deutschland gilt dabei eine Erwerbsschwelle in Höhe von 12.500 €.

4      Maßgebliche Lieferschwelle

4.1     Allgemeines

Besondere Voraussetzung für die Anwendung der Versandhandelsregelung ist, dass die Lieferung des Lieferers (für den jeweiligen Mitgliedstaat) eine bestimmte Höhe – die Lieferschwelleüberschreitet. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass beim Unterschreiten der Lieferschwelle die Versandhandelsregelung nicht zur Anwendung kommt.

Hinweis

Dabei gilt, dass die maßgebliche Lieferschwelle im laufenden Kalenderjahr (noch) nicht überschritten sein darf und auch im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten worden sein darf.

4.2     Höhe der Lieferschwelle in Deutschland

In Deutschland beläuft sich die maßgebende Lieferschwelle auf 100.000 €. Das heißt, wenn ein Gegen­stand aus einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland gelangt, greift die Versandhandelsregelung für den jeweiligen Lieferer nur dann, wenn dessen Wert die Grenze von 100.000 € überschritten hat.

4.3     Höhe der Lieferschwelle in den anderen Mitgliedstaaten

Als maßgebliche Lieferschwelle gilt der vom jeweiligen anderen Mitgliedstaat festgesetzte Betrag.

Hinweis

Dabei ist jeder Mitgliedstaat für sich zu sehen. Es sind somit nicht sämtliche Lieferungen in andere Mitgliedstaaten zusammenzurechnen. Zur Höhe der Lieferschwellen siehe Punkt 8.

4.4     Pflichten, wenn die Lieferschwelle nicht überschritten wird

Wird die Lieferschwelle vom Lieferer nicht überschritten, und es wird auch nicht zur Lieferschwelle optiert, bleibt es dabei, dass der Ort der Beförderung oder Versendung dort ist, wo die Beförderung oder Versendung beginnt. Daraus ergeben sich folgende Auswirkungen.

4.4.1    Es wird von Deutschland in einen anderen Mitgliedstaat geliefert

Die Lieferung ist in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig. Der Lieferer hat die Lieferung somit in seiner Umsatzsteuervoranmeldung als normale Lieferung aufzuführen.

Beispiel

Ein Unternehmer liefert an einen französischen privaten Abnehmer eine Ware und befördert diese nach Frankreich. Dabei hat er die Lieferschwelle im Verhältnis zu Frankreich nicht überschritten.

Lösung

Der Unternehmer hat die Lieferung an den französischen privaten Abnehmer normal in seiner Umsatzsteuervoran­meldung zu deklarieren.

Hinweis

Es liegt keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vor, da Abnehmer kein Unternehmer ist.

4.4.2    Es wird von einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland geliefert

Die Regelung aus Punkt 4.4.1 gilt analog, wenn ein Lieferer aus einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland liefert, dabei aber nicht die Lieferschwelle überschreitet (und auch nicht zur Lieferschwelle optiert). Denn dann unterliegt der Lieferer den Besteuerungsregeln, die in dem jeweiligen Mitgliedstaat gelten.

Beispiel

Ein Unternehmer in Rom (Italien) liefert an einen deutschen privaten Abnehmer eine Ware und befördert diese von Rom nach Deutschland. Er hat die Lieferschwelle im Verhältnis zu Deutschland dabei nicht überschritten.

Lösung

Der Unternehmer hat seine Lieferung in Italien zu deklarieren und unterliegt somit der italienischen Umsatzbesteuerung.

4.5     Pflichten, wenn die Lieferschwelle überschritten wird

Kommt es zum Überschreiten der Lieferschwelle, ergeben sich für den jeweiligen Lieferer in Abhängigkeit davon, ob nach Deutschland oder in einen anderen Mitgliedstaat geliefert wird, die folgenden Pflichten.

4.5.1    Lieferung erfolgt von Deutschland in einen anderen Mitgliedstaat

Wird der Ort der Lieferung aus Deutschland aufgrund der Versandhandelsregelung in einen anderen Mitgliedstaat verlagert, so unterliegt der Lieferant den Besteuerungsregeln des jeweiligen Mitgliedstaats.

In den meisten anderen Mitgliedstaaten benötigt ein Lieferant aus Deutschland einen sogenannten Fiskalvertreter. Dieser übernimmt dann die dortigen Umsatzsteuerpflichten, insbesondere die Abgabe der entsprechenden Umsatzsteuererklärungen.

Auch in Deutschland treffen den Lieferanten bestimmte Pflichten, das heißt, er muss die Lieferungen in seiner Umsatzsteuererklärung (Anlage UR) aufführen.

Hinweis

Idealerweise sollten Sie mit uns darüber sprechen. Informationen darüber, was in solchen Fällen zu veranlassen ist, können Sie daneben auch bei den Industrie- und Handelskammern erfragen bzw. über deren Webpräsenzen einsehen. Auch beim Bundeszentralamt für Steuern sind unter www.bzst.de nähere Informationen erhältlich.

4.5.2    Lieferung erfolgt aus einem anderen
Mitgliedstaat nach Deutschland

Wird der Ort der Lieferung aufgrund der Versandhandelsregelung nach Deutschland verlagert, so unterliegt der Lieferant den deutschen Besteuerungsregeln. Zum einen hat er die Lieferung in Deutschland in der Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Umsatzsteuererklärung zu deklarieren. Zum anderen treffen ihn Aufzeich­nungspflichten: Zur Feststellung der Umsatzsteuer und der Grundlagen ihrer Berechnung muss er Aufzeichnungen führen. Darüber hinaus ist der Lieferer zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet.

4.6     Pflichten, wenn zur Lieferschwelle optiert wird

Wird zur Lieferschwelle optiert (siehe Punkt 5), gelten die gleichen Pflichten wie beim Überschreiten der Lieferschwelle (siehe Punkt 4.5).

5      Option zur Lieferschwelle

Beim Unterschreiten der Lieferschwelle hat der Lieferer gleichwohl die Möglichkeit, zur Lieferschwelle zu optieren. In diesem Fall wird die Versandhandelsregelung angewandt, die Lieferung gilt also am Ort der Beendigung der Beförderung/Versendung als ausgeführt.

Das Ausüben der Option hat ein Unternehmer gegenüber seinem zuständigen Finanzamt zu erklären.

Hinweis

Nach der Option ist der Lieferer aber für zwei Jahre daran gebunden. Eine Option zur Lieferschwelle kann immer dann empfehlenswert sein, wenn der Steuersatz des Mitgliedstaats, in den geliefert wird, niedriger ist als der des Ursprungslands.

6      Lieferung neuer Fahrzeuge und verbrauchsteuerpflichtiger Waren

6.1     Neue Fahrzeuge

Die Versandhandelsregelung gilt nicht für die Lieferung von neuen Fahrzeugen. Denn hier hat der private Abnehmer das neue Fahrzeug als innergemeinschaftlichen Erwerb in dem entsprechenden Mitgliedstaat zu versteuern.

Hinweis

Als neues Fahrzeug gilt ein Fahrzeug (Landfahrzeug), wenn dieses nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt hat oder wenn die Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als sechs Monate zurückliegt.

6.2     Verbrauchsteuerpflichtige Waren

Verbrauchsteuerpflichtige Waren fallen regelmäßig nicht unter die Versandhandelsregelung. Das bedeutet, dass diese – auch bei kleinen Mengen – im jeweiligen Bestimmungsland vom Lieferer zu versteuern sind. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein sogenannter Schwellenerwerber die verbrauchsteuerpflichtige Ware erwirbt. In diesem Fall muss dieser die Ware als innergemeinschaftlichen Erwerb im entsprechenden Mitgliedstaat versteuern. Für den Lieferer ist dann eine steuerfreie Lieferung gegeben.

Beispiel

Ein Unternehmer liefert eine Kiste mit Wein an einen Privatmann in Spanien, indem er sie nach Spanien befördert.

Lösung

Der Unternehmer hat die Weinlieferung der Besteuerung in Spanien zu unterwerfen. Hierzu hat er gegebenenfalls einen Fiskalvertreter zu bestellen. Einzelheiten darüber, was zu beachten ist, können Sie gerne jederzeit bei uns erfragen und zudem auch beim Bundeszentralamt für Steuern.

7      Rechnungsstellung

7.1     Lieferungen werden in Deutschland erbracht

Wenn der Lieferer eine Lieferung im Sinne der Versandhandelsregelung in Deutschland erbracht hat, so muss er eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis erteilen.

7.2     Lieferungen werden in einem anderen Mitgliedstaat erbracht

Wenn der Lieferer eine Lieferung im Sinne der Versandhandelsregelung in einem anderen Mitgliedstaat erbracht hat, muss er eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis – entsprechend den dortigen gesetzlichen Bestimmungen – erteilen.

8      Maßgebende Lieferschwellen der einzelnen Mitgliedstaaten

Die maßgebenden Lieferschwellen der anderen EU- Mitgliedstaaten können aus der folgenden Tabelle ersehen werden.

Land Lieferschwelle Land Lieferschwelle
Belgien 35.000 EUR Niederlande 100.000 EUR
Bulgarien 70.000 BGN Österreich 35.000 EUR
Dänemark 280.000 DKK Polen 160.000 PLN
Estland 35.000 EUR Portugal 35.000 EUR
Finnland 35.000 EUR Rumänien 118.000 RON
Frankreich 35.000 EUR Schweden 320.000 SEK
Griechenland 35.000 EUR Slowakei 35.000 EUR
Irland 35.000 EUR Slowenien 35.000 EUR
Italien 35.000 EUR Spanien 35.000 EUR
Kroatien 270.000 HRK Tschechien 1.140.000 CZK
Lettland 35.000 EUR Ungarn 35.000 EUR
Litauen 35.000 EUR Vereinigtes
Königreich
70.000 GBP
Luxemburg 100.000 EUR Zypern 35.000 EUR
Malta 35.000 EUR    
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