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Der BFH hat am 14.11.2023 (IX R 13/23) entschieden, dass der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG einer an die (Schwieger-)Mutter überlassenen Immobilie nicht erfüllt ist.

Hintergrund

Grundsätzlich sind Veräußerungen von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens nicht steuerbar. Besonderheiten bestehen jedoch bei Grundstücksgeschäften. Denn dann kann es sich um ein sog. privates Veräußerungsgeschäft handeln. Folge: Es kommt zur Besteuerung.

Gesetzliche Grundlagen

Bei Grundstücksverkäufen des Privatvermögens bestehen drei Alternativen, die von der Besteuerung ausgenommen sind. Nicht steuerbar sind demzufolge Veräußerungen

1. von Grundstücken, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3, 1. Alternative EStG),

2. von Grundstücken, die im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3, 2. Alternative EStG) sowie

3. von Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen der Anschaffung und Veräußerung mehr als zehn Jahre beträgt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Für die Ermittlung der sog. zehnjährigen Spekulationsfrist ist das obligatorische Rechtsgeschäft, d. h. die notariellen Verträge, maßgeblich.

Dies gilt entsprechend für Gebäudeteile, die selbstständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume.

Praxistipp

Sofern die Immobilie also länger als zehn Jahre gehalten wurde, greift bereits die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG. Es spielt dann keine Rolle, ob die Immobilie ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt oder gar vermietet wurde. Der Vorgang unterliegt nicht der Einkommensteuer.

Beachten Sie | Für Grundstücke, die sich im Betriebsvermögen befinden, gilt die Vorschrift des § 23 EStG nicht.

Was bedeutet „ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken“?

Unter eigenen Wohnzwecken versteht man grundsätzlich das Führen eines eigenständigen Haushalts, ein gewisses Eingerichtetsein und wohl auch eine gewisse Dauer des Aufenthalts. Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige grundsätzlich das Gebäude selbst zu bewohnen hat. Die Mitnutzung durch Familienangehörige oder Dritte ist dabei aber unschädlich, solange dem Steuerpflichtigen eine eigenständige Haushaltsführung möglich bleibt (vgl. BMF 5.10.00, BStBl I 00, 1383, Tz. 22). Eine Nutzung „zu eigenen Wohnzwecken“ setzt weder die Nutzung als Hauptwohnung voraus noch muss sich dort der Schwerpunkt der persönlichen und familiären Lebensverhältnisse befinden.

Unschädlich ist, wenn der Steuerpflichtige Teile des Wirtschaftsguts einem Dritten unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen hat. Die dem Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken verbleibenden Räume müssen jedoch noch den Wohnungsbegriff erfüllen und ihm die Führung eines selbstständigen Haushalts ermöglichen (vgl. BMF 5.10.00, BStBl I 00, 1383, Tz. 22). Ein Wirtschaftsgut wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es vom Steuerpflichtigen nur zeitweise bewohnt wird, in der übrigen Zeit ihm jedoch als Wohnung zur Verfügung steht.

Praxistipp

Ein Steuerpflichtiger kann auch mehrere Immobilien gleichzeitig zu eigenen Wohnzwecken nutzen.

Begünstigt sind daher z. B. auch

  • Zweitwohnungen,

  • nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und

  • Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden.

Auf die Belegenheit der Wohnung in einem Sondergebiet für Ferien- oder Wochenendhäuser kommt es nicht an. Unerheblich ist dabei grundsätzlich auch der zeitliche Umfang der tatsächlichen Wohnnutzung, sofern eine eigene Wohnnutzung stattfindet (vgl. BFH 27.6.17, BStBl II 17, 1192).

Merke | Zu beachten ist, dass eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken“ also dann nicht vorliegt, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen (vgl. BFH 27.6.17, BStBl II 17, 1192).

Beachten Sie | Der BFH hat in der jüngeren Vergangenheit entschieden, dass für die Ausnahme von der Besteuerung aufgrund von Eigennutzung es nicht schädlich ist, dass ein (untergeordneter) Teil des Wirtschaftsguts „Eigentumswohnung“ ausschließlich zu beruflichen Zwecken genutzt worden ist (BFH 1.3.21, IX R 27/19). Ein im Privatvermögen befindliches häusliches Arbeitszimmer im Eigenheim unterliegt nicht anteilig der Besteuerung. Der BFH wendet sich damit gegen die Auffassung der Finanzverwaltung (BMF 5.10.00, BStBl I 00, 1383, Tz. 21).

Unentgeltliche Überlassung an Kinder i. S. d. § 32 EStG begünstigt

Der BFH hat in der Vergangenheit bereits festgestellt, dass als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ausnahmsweise auch die unentgeltliche Überlassung des Objekts zu dessen alleiniger Nutzung an ein nach § 32 EStG berücksichtigungsfähiges (bzw. kindergeldberechtigtes) Kind oder mehrere berücksichtigungsfähige Kinder zu deren alleiniger Nutzung gilt (siehe BFH 26.1.94, BStBl II 94, 544; 18.1.11, BFH/NV 2011, 974).

Beachten Sie | Nicht jede Überlassung an andere (auch unterhaltsberechtigte) Angehörige erfüllt automatisch die Tatbestandsvoraussetzung der eigenen Wohnzwecke.

Praxistipp

Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken wird auch dann angenommen, wenn der Steuerpflichtige einem Kind, für das er Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag hat, eine Eigentumswohnung unentgeltlich zur alleinigen wohnlichen Nutzung überlässt.

Streitfall

Die Kläger waren miteinander verheiratet und wurden im Streitjahr 2017 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Jahr 2009 erwarben sie zu jeweils hälftigem Miteigentum eine noch zu errichtende Eigentumswohnung zum Kaufpreis von 177.300 EUR. Die Kläger überließen die Eigentumswohnung seit der Fertigstellung unentgeltlich der Mutter der Klägerin. Nach deren Tod im Jahr 2016 verkauften die Kläger die Eigentumswohnung mit notariell beurkundetem Vertrag im Jahr 2017 für 220.000 EUR.

Entscheidung des BFH

Es handelt sich um ein privates Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 EStG. Die Veräußerung ist innerhalb der Zehnjahresfrist erfolgt. Ein Ausnahmetatbestand lag nicht vor. Der BFH stellt klar, dass eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i. S. d. Befreiungstatbestands des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht vorliegt, wenn die Nutzungsüberlassung an die (Schwieger-)Mutter des Steuerpflichtigen erfolgt.

Der BFH weist erneut darauf hin, dass nicht jede Überlassung an andere (unterhaltsberechtigte) Angehörige begünstigt ist. Keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i. S. v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt vor, wenn die Überlassung nicht ausschließlich an ein einkommensteuerlich zu berücksichtigendes Kind, sondern zugleich an einen Dritten (z. B. die Kindesmutter bzw. den Kindesvater) erfolgt (BFH 24.5.22, IX R 28/21; 14.2.23, IX R 11/21, BStBl II 23, 642). Damit liegt auch keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor, wenn die Nutzungsüberlassung an die (Schwieger-)Mutter des Steuerpflichtigen erfolgt.

Fazit | Bereits in der Vergangenheit waren derartige private Veräußerungsgeschäfte stets Streitthemen vor den FGen. Zu nennen sind vor allem folgende „Risikourteile“:

1. Überlassung an (teilweise) volljährige Kinder (BFH 24.5.22, IX R 28/21)

2. Veräußerung nach trennungsbedingtem Auszug eines Ehepartners (BFH 14.2.23, IX R 11/21; 14.11.23, IX R 10/22)

3. Tageweise vermietete Räume, z. B. an Messegäste (BFH 19.6.22, IX R 20/21)

So urteilte das FG Hessen mit Urteil vom 30.9.15 (1 K 1654/14), dass auch die Überlassung an die ehemalige Lebensgefährtin mit unterhaltsberechtigtem Kind das Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt. Und auch die Überlassung an die nicht mehr berücksichtigungsfähige Tochter wird nicht als begünstigt angesehen (FG Baden-Württemberg 4.4.16, 8 K 2166/14). Das aktuelle BFH-Urteil zur unentgeltlichen Überlassung an die (Schwieger-)Mutter reiht sich hier nun also ein.

Beachten Sie | Allein das tatsächliche Bestehen einer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihrem Kind reiche nach Ansicht der Richter des FG Baden-Württemberg für die Annahme einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht aus. Überschreitet das Kind die Altersgrenze des § 23 EStG, wird die Wohnung im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt, sodass der Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtig ist.

Praxistipp

In derartigen Fällen sollte zur Vermeidung der Besteuerung also darauf geachtet werden, dass die Zehnjahresfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG bereits abgelaufen ist. Es spielt dann keine Rolle, ob die Immobilie ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt oder gar vermietet wurde. Der Vorgang unterliegt nicht der Einkommensteuer. Die Besteuerung fällt auch nicht an bei Grundstücken, die im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3, 2. Alt. EStG).

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