Wurde für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt, tritt die Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG nicht schon dann ein, wenn ein Rückzahlungsanspruch des Zahlenden besteht, sondern erst dann, wenn das bereits gezahlte Entgelt tatsächlich zurückgezahlt worden ist (Bestätigung der Rechtsprechung). Das Einräumen der Möglichkeit zur Weiternutzung eines Fitnessstudios nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit (kostenfreie Zusatzmonate) ist auch dann ein verbrauchsfähiger Vorteil, wenn dem keine zivilrechtlich wirksame Vereinbarung mit dem Kunden zugrunde liegt, weil der Leistungsaustausch umsatzsteuerrechtlich aus dem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den vom Unternehmer im Voraus vereinnahmten Mitgliedsbeiträgen (Gegenleistung) und dem verbrauchsfähigen Vorteil (in Gestalt von kostenfreien Zusatzmonaten) folgt, den die Mitglieder eines Fitnessstudios aufgrund ihrer Zahlung während der coronabedingten Schließung (Lockdown) erlangt haben. Auf die Beurteilung nach dem nationalen Zivilrecht kommt es insoweit nicht an.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige betrieb im Jahr 2020 (Streitjahr) ein Fitnessstudio. Die Laufzeit einer Mitgliedschaft in seinem Fitnessstudio betrug je nach Vereinbarung 12 oder 24 Monate. Der Steuerpflichtige wurde vertraglich ermächtigt, die monatlich zu entrichtenden Beiträge der Mitglieder mittels Lastschrift einzuziehen. Der Beitrag wurde jeweils im Voraus fällig und per SEPA-Lastschrift zum Monatsersten eingezogen. Die Mitglieder waren zur „gemeinschaftlichen Mitbenutzung sämtlicher Einrichtungen der Räume des …“ berechtigt.
Das Fitnessstudio war aufgrund einer Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des damals neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in der Zeit vom 17.3.2020 bis zum 17.5.2020 geschlossen. Der Steuerpflichtige teilte seinen Mitgliedern in einem Aushang vor Ort dazu unter anderem mit, dass der Zeitraum, in dem in seinem Fitnessstudio nicht trainiert werden könne, neben vielfältiger Alternativangebote am Ende der Mitgliedschaft beitragsfrei ersetzt werde. In den sozialen Medien wies der Steuerpflichtige als „wichtige Corona-Mitteilung“ außerdem auf seine tägliche Telefon-Hotline, die gratis Online-Live-Kurse und den kostenlosen 3D-Körperscan hin. Er teilte darüber hinaus mit, dass jeder Schließungsmonat ersetzt werde und seine Mitglieder „3 Gratis-Monate, 3 × 1 Gratis-Monat zum Verschenken, 1 × Personal-Training“ erhielten. Die in diesem Rahmen vom Steuerpflichtigen angebotenen Online-Live-Kurse waren öffentlich zugänglich, sodass nicht nur Mitglieder, sondern auch Nichtmitglieder daran teilnehmen konnten. Nur wenige der rund 800 Mitglieder verlangten die vom Steuerpflichtigen eingezogenen Mitgliedsbeiträge, die auf die Zeit der behördlich angeordneten Schließung des Fitnessstudios entfielen, per Rücklastschrift zurück. 761 Mitglieder, von denen 85 die Zeitgutschriften beziehungsweise Bonus-Monate tatsächlich in Anspruch nahmen, zahlten den Mitgliedsbeitrag weiter.
In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen erklärte der Steuerpflichtige für den Monat April 2020 keine und für den Monat Mai 2020 anteilig keine Umsätze und kündigte zugleich an, die Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat März 2020 zu berichtigen. Es seien während der behördlich angeordneten Schließzeit keine Leistungen an die Mitglieder erbracht worden.
Nach einer Außenprüfung erhöhte das Finanzamt zunächst die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen und erlies in Folge einen entsprechenden Jahressteuerbescheid, da die Umsätze steuerbar seien. Den Mitgliedern gegenüber sei die Zusage erteilt worden, dass eine Beitragsfortzahlung zu einer Zeitgutschrift führe. Zwischen der jeweiligen Zahlung und der in Aussicht gestellten Leistung bestehe ein innerer Zusammenhang, der einen Leistungsaustausch begründe.
Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies das Finanzamt als unbegründet zurück. Die Klage des Steuerpflichtigen hatte Erfolg.
Entscheidung
Die Revision des Finanzamts ist begründet. Der BFH hob die Vorentscheidung auf. Ein umsatzsteuerrechtlicher Leistungsaustausch folgt im Streitfall aus dem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der im Rahmen eines bestehenden Rechtsverhältnisses angebotenen Leistung und der entrichteten Gegenleistung. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts sind die während der behördlich angeordneten Schließzeit vereinnahmten Mitgliedsbeiträge Entgelte (Anzahlungen) für steuerbare und steuerpflichtige Teilleistungen.
Monatliche Teilleistungen des Steuerpflichtigen
Bei den vom Steuerpflichtigen im Rahmen der Mitgliedsvereinbarungen während der Laufzeit der jeweiligen Mitgliedschaft in seinem Fitnessstudio geschuldeten Leistungen handelt es sich um Teilleistungen im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG. Es liegen mit den eingeräumten Nutzungsmöglichkeiten der Einrichtungen im Fitnessstudio des Steuerpflichtigen wirtschaftlich teilbare Leistungen vor, die im Rahmen der 12 oder 24 Monate umfassenden Laufzeiten der jeweils als Dauerschuldverhältnis zu beurteilenden Mitgliedschaft kontinuierlich und in zeitlichen Abschnitten von jeweils einem Monat zu erbringen waren und die im Sinne des Art. 64 MwStSystRL zu aufeinanderfolgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass gaben.
Entstehung des Steueranspruchs
Im Zeitpunkt der durch Einzug vereinnahmten Vorauszahlungen am jeweiligen Monatsersten waren, was für die Entstehung des Steueranspruchs nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG erforderlich ist, nach den Mitgliedsvereinbarungen alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestands der vom Steuerpflichtigen für die für den jeweiligen Zeitraum vertraglich geschuldeten Teilleistungen bekannt und genau bestimmt. Nach den die Mitgliedschaften betreffenden Vereinbarungen schuldete der Steuerpflichtige seinen Mitgliedern kontinuierlich, fortlaufend und abschnittsbezogen für die Monate März, April und Mai 2020 die gemeinschaftliche Mitbenutzung sämtlicher Einrichtungen der Räume seines Fitnessstudios, also insbesondere die Mitbenutzung der
Trainingsanlage und die Teilnahme an Gymnastikstunden. Hierfür schuldeten die Mitglieder ein Entgelt in Höhe des jeweils zum Monatsersten vom Steuerpflichtigen eingezogenen Beitrags.
Die monatlich zu entrichtenden Zahlungen erfolgten als Gegenleistung für die im Rahmen der Mitgliedschaften im Fitnessstudio des Steuerpflichtigen zu erbringenden monatlichen Teilleistungen.
Änderung der Bemessungsgrundlage erst bei tatsächlicher Rückzahlung
Die von den Mitgliedern auf Grundlage der bestehenden Vereinbarungen als Anzahlung entrichteten Beiträge für die monatlichen Teilleistungen sind selbst dann weiter Entgelte für steuerbare Leistungen, soweit die Erbringung dieser Leistungen aufgrund der Landesverordnung vom 17.3.2020 bis 17.5.2020 unmöglich geworden ist, falls sie nicht beziehungsweise nicht anteilig zurückgewährt wurden. Eine Minderung der Bemessungsgrundlage wegen einer nicht erbrachten Teilleistung erfolgt auch im Falle der Unmöglichkeit der Leistung erst dann, wenn die hierfür entrichtete Anzahlung zurückgewährt wird. Dies ist hinsichtlich der im Streit stehenden Beiträge für die Monate März, April und Mai 2020 nicht der Fall:
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Die Mehrzahl der rund 800 Mitglieder des Fitnessstudios des Steuerpflichtigen forderten die in der pandemiebedingten Schließzeit im Voraus entrichteten Beiträge für die Monate März, April und Mai 2020 nicht zurück, sodass es in diesen Fällen insoweit nicht zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage kam.
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Soweit einige wenige Mitglieder die eingezogenen Beiträge zurückverlangt haben, war die entstandene Steuer (erst) in dem Besteuerungszeitraum der Beitragsrückgewähr zu berichtigen.
Bonus-Monate als (zusätzlicher) verbrauchsfähiger Vorteil
Unabhängig von der vorstehenden Beurteilung sind die Beiträge – entgegen der Auffassung des Finanzgerichts – auch deshalb Entgelt für eine steuerbare Leistung, weil der Steuerpflichtige seinen Mitgliedern in Gestalt der zugesagten Bonus-Monate für die geleisteten Zahlungen einen verbrauchsfähigen Vorteil als Leistung dergestalt verschafft hat, dass sie im Anschluss an den Ablauf der jeweiligen Mitgliedschaft beitragsfrei für die Zeit, in denen das Fitnessstudio schließen musste, weiter trainieren konnten.
Auf die Frage, ob die vom Steuerpflichtigen zugesagte Verlängerung der Vertragslaufzeit durch Gewährung der Bonus-Monate zivilrechtlich wirksam zu einer Vertragsänderung geführt hat, kommt es umsatzsteuerrechtlich nicht an. Unabhängig davon, ob die Weiterzahlung der Mitgliedsbeiträge durch deren unwidersprochen gebliebenen Einzug nur aus Solidarität, Bequemlichkeit oder aufgrund eines Rechtsirrtums der wirtschaftlichen Realität widerspricht, folgt der umsatzsteuerrechtliche Leistungsaustausch aus dem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem vom Steuerpflichtigen gewährten verbrauchsfähigen Vorteil, den der Leistungsempfänger für die von ihm gezahlte Gegenleistung erhält, und nicht aus der zivilrechtlichen Beurteilung des Vorgangs. Ein derartiger Leistungsaustausch, der im Rahmen des Vertrags über die Mitgliedschaft im Fitnessstudio des Steuerpflichtigen erfolgt ist, liegt im Streitfall hinsichtlich der Bonus-
Monate vor.
Praxistipp
Es bedurfte danach vorliegend keiner Entscheidung des BFH, ob der Steuerpflichtige mit seinen während der Schließzeit darüber hinaus gratis angebotenen Online-Live-Kursen, der täglichen Telefon-Hotline und dem kostenlosen 3D-Körperscan seinen Mitgliedern einen verbrauchsfähigen Vorteil für die geleisteten Monatsbeiträge verschafft hat und auch insoweit von einem umsatzsteuerbaren Leistungsaustausch ausgegangen werden kann, wogegen jedenfalls in Bezug auf die Online-Live-Kurse sprechen könnte, dass diese Online-Live-Kurse nicht nur für Mitglieder, sondern für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich waren. Hinweis auch auf Parallelentscheidung zum Besprechungsurteil vom 13.11.2024, XI R 36/22.
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