Am 26.2.2025 hat die Europäische Kommission Entwürfe sogenannter erster Omnibus-Pakete veröffentlicht. Ziel der Pakete ist es, mithilfe einer Vielzahl an Gesetzesänderungen und Regelungen die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken. Helfen soll hierbei insbesondere der Abbau bürokratischer Belastungen, gerade für den Mittelstand.
Viele Bausteine mit Fokus Bürokratieabbau rund um unternehmerische Nachhaltigkeit
Ausgehend vom sogenannten Letta-Bericht zur Zukunft des Europäischen Binnenmarktes sowie dem ebenfalls 2024 veröffentlichten Draghi-Report, die die Wettbewerbsfähigkeit Europas in den Mittelpunkt der Betrachtung rückten, haben u. a. die Erklärung von Budapest zum Neuen Deal für eine europäische Wettbewerbsfähigkeit sowie der EU-Kompass für Wettbewerbsfähigkeit die Diskussion weiter verstärkt. Dort wird als eine von zwölf Schlüsselmaßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit die Vereinfachung von Regulierungen und Berichtspflichten explizit hervorgehoben. Zudem werden Ziele wie die Reduzierung der Berichtspflichten um 25 % bis Mitte 2025 oder die Fokussierung auf eine vertrauensbasierte Regulierung zur Förderung von Unternehmertum genannt.
Die vorgelegten Entwürfe der Europäischen Kommission vom 26.2.2025 greifen nun konkrete Maßnahmen zur bürokratischen Entlastung insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen auf.
Die am 26.2.2025 vorgestellten Inhalte und Entwürfe (bspw. COM(2025)80, COM(2025)81, COM(2025)87, COM(2025)84, Ares(2025)1546172 und weitere) zielen hierbei auf die Anpassung dreier Regelwerke ab:
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Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und European Sustainability Reporting Standards (ESRS)
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Taxonomie-Verordnung
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Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)
Nachfolgend werden einige ausgewählte und aus Sicht der Unternehmen wesentliche Änderungen auf Grundlage der Entwürfe vorgestellt.
Blickpunkt: Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und European Sustainability Reporting Standards (ESRS)
Ziel der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) ist die Definition eines EU-weit einheitlichen Rahmens für die Berichterstattung in Sachen Nachhaltigkeit.
Die CSRD regelt hierbei das Erfordernis selbst, die ESRS blickt auf die Standards der Berichterstattung. Die nun vorliegenden Entwürfe der Europäischen Kommission sehen folgende wesentliche Änderungen gegenüber dem Status Quo vor:
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Eingrenzung des Anwendungsbereichs: Entgegen der Einbeziehung aller großen Unternehmen oder kapitalmarktorientierter Unternehmen fallen Unternehmen ausschließlich in den Anwendungskreis, wenn sie mehr als 1.000 Mitarbeiter haben und einen Jahresumsatz von mehr als 50 Mio. EUR oder eine Bilanzsumme von mehr als 25 Mio. EUR. Alle weiteren Unternehmen unterliegen nicht mehr der Berichterstattungspflicht.
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Vermeidung von Trickle-Down-Effekten: Berichtspflichtige Unternehmen dürfen von Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern keine weiterführenden Informationen zur Nachhaltigkeit einfordern, für die über den sog. VSME-Standard (freiwillige ESRS für kleine und mittlere Unternehmen), insofern kein Grund besteht. Die Kommission rät Unternehmen, die nicht dem CSRD-Anwendungskreis unterliegen, freiwillig zu berichten (bspw. nach VSME-Standard).
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Zeitliche Verschiebung der Berichtspflichten: Ausgenommen sind Unternehmen, die bereits im Jahr 2025 über das Geschäftsjahr 2024 berichten müssen. Hier wird der Zeitpunkt der Berichterstattungspflicht verschoben. Unternehmen (große Kapitalgesellschaften und gleichgestellte haftungsbeschränkte Personengesellschaften), die ab dem Geschäftsjahr 2025 pflichtig gewesen wären, sind dies nun für das Geschäftsjahr 2027 erst im Jahr 2028. Kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen sind für Geschäftsjahre ab 2028 betroffen.
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Reduzierung und Anpassungen der Standards: Berichtsdaten sollen reduziert, begriffliche Unklarheiten sollen korrigiert werden und es soll auf die Konsistenz mit anderen Rechtsvorschriften blickend eine Optimierung stattfinden. Konkretisierungen hierzu stehen aus.
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Verzicht auf sektorspezifische Standards: Entgegen der Ankündigung sollen keine branchen- und sektorspezifischen Standards etabliert werden.
Blickpunkt: Taxonomie-Verordnung
Die Taxonomie-Verordnung definiert ein einheitliches Kategorisierungssystem, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltig definiert. Die Entwürfe der Europäischen Kommission sehen folgende wesentliche Änderungen vor:
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Konzentration der Berichtspflichten auf große Unternehmen: Im Sinne einer Angleichung an die Nachhaltigkeitsberichterstellungspflicht soll die Anwendung der Taxonomie-Verordnung für Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeiter und unter 450 Mio. Euro Jahresumsatz dem Grundsatz nach freiwillig sein. Darüber hinaus besteht die Offenlegungspflicht.
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Einführung von Wesentlichkeitsgrenzen: Berichtet werden muss nur über wesentliche unternehmerische Aktivitäten. Aktivitäten, die finanziell unwesentlich sind (Mindestschwelle von 10 %) müssen nicht betrachtet werden.
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Flexiblere und schlankere Berichtspunkte: Datenpunkte, Anlagen und Berichtsformate sollen weniger, schlanker und einfacher werden.
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Änderungen für Finanzinstitute und Banken.
Blickpunkt: Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)
Die CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) als „Europäisches Lieferkettengesetz“ verpflichtet Unternehmen zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten in der Lieferkette. Mit den Omnibus-Paketen gehen folgende wesentliche Änderungsvorschläge einher:
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Vereinfachte Sorgfaltspflichtenprüfung: Sorgfalts- und Prüfpflichten systematischer Art innerhalb der Lieferkette sollen sich auf eigene Unternehmenstätigkeiten und höchstens direkte Geschäftspartner beschränken. Darüber hinaus besteht nur im Falle von plausiblen Erkenntnissen eine Pflicht zur vollständigen Prüfung entlang der gesamten Lieferkette.
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Standardisierte Informationen: Informationen, die im Anwendungsbereich liegende Unternehmen von Geschäftspartnern (kleine und mittlere Unternehmen mit unter 500 Mitarbeitern) verlangen dürfen, sollen sich am VSME-Standard orientieren.
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Erweiterter Überprüfungszyklus: Kontrollen und Bewertungen ihrer Geschäftspartner in der Lieferkette sollen Unternehmen bei nicht vorliegenden wesentlichen Änderungen nicht mehr jährlich, sondern lediglich alle fünf Jahre vornehmen müssen.
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Schutz vor Übererfüllung durch Mitgliedstaaten: Anstelle einer EU-weit einheitlichen zivilrechtlichen Haftung ist eine Übertragung auf die Rechtssysteme der jeweiligen Mitgliedstaaten vorgesehen.
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Fristverlängerungen: Die Fristen für die erste Phase der Anwendung der CSDDD für die ersten (größeren) Unternehmen wird auf den 26.7.2028 verschoben. Zugleich möchte die Kommission bis Juli 2026 Orientierungshilfen bereitstellen.
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Keine Aufforderung zum Abbruch von Geschäftsbeziehungen: Die Aufforderung zum möglichen Abbruch von geschäftlichen Beziehungen als finale Lösung wird gestrichen.
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Änderungen beim Sanktionsregime: Anstelle eines Höchstmaßes an Zwangsgeldern werden Leitlinien für die entsprechenden Aufsichtsbehörden entwickelt.
Einschätzung und Ausblick
Die erste Einschätzung mit Blick auf das Ziel der Europäischen Kommission, durch die genannten Ansätze die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Europa und damit der EU insgesamt zu steigern, ist zu begrüßen.
Es wurde erkannt, dass insbesondere die Wirtschaft hierzulande vor enormen Herausforderungen steht, gerade in einem zunehmend geopolitisch angespannten Umfeld und in Folge massiver Standortnachteile. Die DIHK beschreibt hierbei ein Umfeld aus hohen Energiepreisen und Arbeitskosten, rückläufigen Investitionen bei zeitgleich nach wie vor ungelösten Aufgaben in Sachen Fachkräfteverfügbarkeit, Digitalisierung oder Bürokratismus gerade in Deutschland (DIHK 2025). Insofern ist insbesondere das europäische Bestreben zur Reduzierung bürokratischer Belastungen derart definitiv zu begrüßen.
Blickt man speziell auf die oben genannten Ausführungen, zeigt sich bspw., dass die Europäische Kommission mit Blick auf die vorgeschlagenen Änderungen des Anwendungsbereiches bei der CSRD davon ausgeht, dass rund 80 % der Unternehmen von den Berichtspflichten entlastet werden. Sinnvoll erscheint auch die avisierte Vermeidung der Trickle-Down-Effekte durch die Begrenzung von Informationen, die pflichtige Unternehmen einfordern können. Auch Fristverlängerungen oder im Falle der CSDDD der Verzicht auf zivilrechtliche Haftungen sind wichtige Facetten aus Sicht der Wirtschaft. Im Gesamtpaket bestehend aus eingeschränkterem Anwendungsbereich, Reduzierung der Taxonomie-Berichtspflichten, der Vereinfachung von Sorgfaltspflichten, dem Wegfall sektorspezifischer Standards oder vereinfachten Prüfungen ist der Weg ein richtiger – wenngleich dem durchaus entgegengewendet werden könnte, dass diejenigen Betriebe, die bereits in Sachen Berichterstattung investiert haben, dies aber nunmehr vielleicht nicht müssen, unnötige Maßnahmen ergriffen haben in der Vergangenheit (zumindest mit Blick auf die regulatorische Notwendigkeit). In der Summe aber sind die Maßnahmen definitiv ein wichtiger und notwendiger Schritt in die richtige Richtung. Die Europäische Kommission geht insgesamt durch die gemachten Vorschläge u. a. von einer Einsparung an Verwaltungskosten von rund 6.3 Mrd. EUR pro Jahr aus.
Abzuwarten bleibt nun, wie diese Entwürfe der Kommission weiterentwickelt und letztlich nach prozessualem Gang durch das Europäisches Parlament, den Europäischen Rat und möglichen Trilog-Verhandlungen aussehen und welche finalen Gesetzestexte im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Der erste Schritt ist also richtigerweise gemacht, aber es folgen noch einige, die im besten Falle rasch stattfinden!
fundstellen
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Siehe Entwürfe und ergänzende Dokumente zum Omnibus I
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nrico Letta (2024): Much more than a market, April 2024,
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EU Kommission (2024): The future of European competitiveness, Sept. 2024,
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Europäischer Rat (2024): Erklärung von Budapest zum Neuen Deal für die europäische Wettbewerbsfähigkeit, Pressemitteilung, 8.11.24,
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Europäische Kommission: Communication from the Commission to the European Parliament, the European Council, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions – A Competitiveness Compass for the EU, Brussels, 29.1.25, COM(2025) 30 final.
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DIHK (2025). DIHK-Konjunkturumfrage: 2025 droht drittes Krisenjahr in Folge. Berlin.
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Europäische Kommission (2025): Kommission vereinfacht Vorschriften für Nachhaltigkeitsberichterstattung und EU-Investitionen: mehr als 6 Mrd. EUR an Entlastung beim Verwaltungsaufwand angestrebt, Pressemitteilung, Brussels, 26.2.25,
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Europäische Kommission (2025): Kommission vereinfacht Vorschriften für Nachhaltigkeitsberichterstattung und EU-Investitionen: mehr als 6 Mrd. EUR an Entlastung beim Verwaltungsaufwand angestrebt, Pressemitteilung, Brussels, 26.2.25, hierin sind auch Effekte durch weiterführende Maßnahmen integriert