In Steuer-Tipps für ALLE

§ 4 Abs. 9 EStG i. d. F. des BeitrRLUmsG (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz) erfasst Aufwendungen für ein Erststudium, das eine Erstausbildung vermittelt, auch dann, wenn das Studium objektiv und subjektiv der Förderung einer konkreten späteren Erwerbstätigkeit dient. |

Entscheidung

Im Streitfall war das Studium für die Steuerpflichtige ein Erststudium. Denn sie hatte ihr vorheriges Studium der Pädagogik in Weißrussland nicht durch eine Abschlussprüfung beendet. Ferner diente das Studium der Slawistik und Kunstpädagogik bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise auch der Erstausbildung der Steuerpflichtigen. Sie nahm das Studium im Streitjahr im Alter von 19 Jahren auf und betrieb es in Vollzeit, um Kenntnisse zu erwerben, die der angestrebten späteren Vollzeittätigkeit als Künstlerin und Buchillustratorin dienen sollten. Sie wollte durch das Studium die Grundlagen für die künstlerische Tätigkeit schaffen. Das Studium förderte danach sowohl die Persönlichkeitsentwicklung als auch die Erwerbstätigkeit der Steuerpflichtigen.

Es liegen untrennbar gemischte Veranlassungszusammenhänge vor, bei denen der private Beitrag der Aufwandstragung nicht völlig unbedeutend ist. Solche Aufwendungen sind nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 4 Abs. 9 EStG i. d. F. des BeitrRLUmsG vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen und dem Bereich der Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zugewiesen.

Ein Erststudium, das eine schon ausgeübte künstlerische Tätigkeit fördern soll, verliert nicht den Charakter einer „Erstausbildung“ i. S. d. § 4 Abs. 9 EStG i. d. F. des BeitrRLUmsG, wenn es objektiv – wie im Streitfall – sowohl der Persönlichkeitsentwicklung als auch der Entwicklung der künstlerischen Fähigkeiten des Steuerpflichtigen dient. Das Studium der Steuerpflichtigen hatte auch unter Berücksichtigung des in Weißrussland Gelernten, ihrer künstlerischen Eigenausbildung und der schon begonnenen künstlerischen Erwerbstätigkeit nicht den Charakter eines rein beruflich veranlassten berufsbegleitenden Studiums oder einer Zweitausbildung.

Die Regelung des § 4 Abs. 9 EStG i. d. F. des BeitrRLUmsG ist nach Auffassung des BFH hinsichtlich der Grundentscheidung des Gesetzgebers, betrieblich veranlasste Aufwendungen für ein Erststudium, das eine Erstausbildung vermittelt, als auch hinsichtlich der Abgrenzung solcher Aufwendungen zu den rein beruflich veranlassten Aufwendungen für eine Zweitausbildung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG vereinbar.

Die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für ein Erststudium, das eine Erstausbildung vermittelt, als Sonderausgaben bis zu einem Höchstbetrag von 4.000 EUR gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG verletzt auch nicht das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums oder sonstige betroffene Grundrechte (Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG).

Der BFH ist (weiterhin) davon überzeugt, dass die rückwirkende Geltung der Vorschrift des § 4 Abs. 9 EStG i. d. F. des BeitrRLUmsG i. V. m. der zeitlichen Anwendungsbestimmung in § 52 Abs. 12 Satz 11 EStG i. d. F. des ­BeitrRLUmsG im Streitjahr die verfassungsrechtlich geschützten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nicht verletzt und auch insoweit verfassungsgemäß ist.

Fundstelle
BFH 16.6.20, VIII R 4/20