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In einem spannenden Verfahren muss sich der BFH aktuell mit der Frage befassen, ob der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG einer an die Kinder überlassenen Immobilie nicht (mehr) erfüllt ist, wenn zwei der dort lebenden Kinder weit vor der betreffenden Veräußerung aus der Kindergeldberechtigung herausgewachsen sind, das dritte dort lebende Kind aber unter die Kindergeldberechtigung fällt. In diesem Zusammenhang muss der BFH klären, ob die Unterhaltsverpflichtung der Eltern (Unterhalt für die zwei nicht mehr Kindergeldberechtigten in Form des kostenlosen Wohnens) zur tatbestandlichen Eigennutzung ausreichend ist (Rev. IX R 28/21).

Hintergrund

Grundsätzlich sind Veräußerungen von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens nicht steuerbar. Besonderheiten bestehen jedoch bei Grundstücksgeschäften. Denn dann kann es sich um ein sog. privates Veräußerungsgeschäft handeln. Folge: Es kommt zur Besteuerung.

Gesetzliche Grundlagen

Bei Grundstücksverkäufen des Privatvermögens bestehen drei Alternativen, die von der Besteuerung ausgenommen sind. Nicht steuerbar sind demzufolge Veräußerungen von Grundstücken,

1. die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3, 1. Alt. EStG),

2. die im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3, 2. Alt. EStG) und

3. bei denen der Zeitraum zwischen der Anschaffung und Veräußerung mehr als zehn Jahre beträgt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Für die Ermittlung der sog. zehnjährigen Spekulationsfrist ist das obligatorische Rechtsgeschäft, d. h. die notariellen Verträge, maßgeblich.

Dies gilt entsprechend für Gebäudeteile, die selbstständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume.

Praxistipp

Sofern die Immobilie also länger als zehn Jahre gehalten wurde, greift bereits die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG. Es spielt dann keine Rolle, ob die Immobilie ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt oder gar vermietet wurde. Der Vorgang unterliegt nicht der Einkommensteuer.

Beachten Sie | Für Grundstücke, die sich im Betriebsvermögen befinden, gilt § 23 EStG nicht. Hier unterliegen die Gewinne unabhängig von dem Veräußerungszeitpunkt der Besteuerung. Im Gegenzug können Verluste uneingeschränkt mit anderen Einkünften verrechnet werden.

Was bedeutet „ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken“?
Unter eigenen Wohnzwecken versteht man grundsätzlich das Führen eines eigenständigen Haushalts, ein gewisses Eingerichtetsein und wohl auch eine gewisse Dauer des Aufenthalts. Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige grundsätzlich das Gebäude selbst zu bewohnen hat. Die Mitnutzung durch Familienangehörige oder Dritte ist dabei aber unschädlich, solange dem Steuerpflichtigen eine eigenständige Haushaltsführung möglich bleibt (vgl. BMF 5.10.00, BStBl I 00, 1383, Tz. 22).

Praxistipp

Ein Steuerpflichtiger kann auch mehrere Immobilien gleichzeitig zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Begünstigt sind daher z. B. auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden.

Eine Nutzung „zu eigenen Wohnzwecken“ setzt weder die Nutzung als Hauptwohnung voraus noch muss sich dort der Mittelpunkt der persönlichen und familiären Lebensverhältnisse befinden. Unschädlich ist, wenn der Steuerpflichtige Teile des Wirtschaftsguts einem Dritten unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen hat. Die dem Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken verbleibenden Räume müssen jedoch noch den Wohnungsbegriff erfüllen und ihm die Führung eines selbstständigen Haushalts ermöglichen (vgl. BMF 5.10.00, BStBl I 00, 1383, Tz. 22). Ein Wirtschaftsgut wird im Übrigen auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es vom Steuerpflichtigen nur zeitweise bewohnt wird, in der übrigen Zeit ihm jedoch als Wohnung zur Verfügung steht.

Merke | Zu beachten ist, dass eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken“ also dann nicht vorliegt, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen (vgl. BFH 27.6.17, BStBl II 17, 1192).

Beachten Sie | Jüngst hatte der BFH entschieden, dass es für die Ausnahme von der Besteuerung aufgrund von Eigennutzung nicht schädlich ist, dass ein (untergeordneter) Teil des Wirtschaftsguts „Eigentumswohnung“ ausschließlich zu beruflichen Zwecken genutzt worden ist (BFH 1.3.21, IX R 27/19). Ein im Privatvermögen befindliches häusliches Arbeitszimmer im Eigenheim unterliegt nicht anteilig der Besteuerung. Der BFH wendet sich damit gegen die Auffassung der Finanzverwaltung (BMF 5.10.00, BStBl I 00, 1383, Tz. 21).

Unentgeltliche Überlassung an Kinder i. S. d. § 32 EStG begünstigt

Der BFH hat in der Vergangenheit bereits festgestellt, dass als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ausnahmsweise auch die unentgeltliche Überlassung des Objekts zu dessen alleiniger Nutzung an ein nach § 32 EStG berücksichtigungsfähiges (bzw. kindergeldberechtigtes) Kind oder mehrere berücksichtigungsfähige Kinder gilt (siehe BFH 26.01.94, BStBl II 94, 544; 18.1.11, BFH/NV 2011, 974).

Zu beachten ist aber, dass nicht automatisch jede Überlassung an andere (auch unterhaltsberechtigte) Angehörige die Tatbestandsvoraussetzung der eigenen Wohnzwecke erfüllt.

Merke | Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken wird auch dann angenommen, wenn der Steuerpflichtige einem Kind, für das er Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag hat, eine Eigentumswohnung unentgeltlich zur alleinigen Nutzung überlässt.

Nicht jede Überlassung an andere (unterhaltsberechtigte) Angehörige ist begünstigt

So urteilte das Niedersächsische FG bereits am 4.3.2010 (10 K 259/08), dass ein Kind ohne Anspruch auf Kinderfreibetrag nicht begünstigt ist, sodass die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht erfüllt ist. Das Hessische FG hat zudem mit Urteil vom 30.9.2015 (1 K 1654/14) entschieden, dass auch die Überlassung an die ehemalige Lebensgefährtin mit unterhaltsberechtigtem Kind das Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt. Gleichermaßen entschied das FG München am 11.3.2021 (11 K 2405/19, Rev. BFH IX R 11/21) bei Überlassung einer ideellen Haushälfte an den in Trennung lebenden Ehegatten und dem gemeinsamen minderjährigen Kind, da dieses infolge seines Alters (zehn Jahre) keinen eigenen Haushalt führen kann. Und auch die Überlassung an die nicht mehr berücksichtigungsfähige Tochter wird nicht als begünstigt angesehen (FG Baden-Württemberg 4.4.2016, 8 K 2166/14). Allein das tatsächliche Bestehen einer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihrem Kind reiche nach Ansicht der Richter des FG Baden-Württemberg für die Annahme einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht aus. Überschreitet das Kind die Altersgrenze des § 23 EStG, wird die Wohnung im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt, sodass der Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtig ist.

Ausblick

Nun muss der BFH jedoch klären (Rev. IX R 28/21), ob der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG einer an die Kinder überlassenen Immobilie auch dann nicht (mehr) erfüllt ist, wenn zwei der dort lebenden Kinder weit vor der betreffenden Veräußerung aus der Kindergeldberechtigung herausgewachsen sind, das dritte dort lebende Kind aber unter die Kindergeldberechtigung fällt. In diesem Zusammenhang muss der BFH zudem klären, ob die Unterhaltsverpflichtung der Eltern (Unterhalt für die zwei nicht mehr Kindergeldberechtigten in Form des kostenlosen Wohnens) zur tatbestandlichen Eigennutzung ausreichend ist. In gleich gelagerten Fällen sollte unter Hinweis auf das Aktenzeichen Einspruch eingelegt und Ruhen des Verfahrens beantragt werden, um die Rechte der Mandanten zu wahren.

fundstelle
FG Niedersachsen 16.6.21, 9 K 16/20, Rev. BFH IX R 28/21