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Machten Mandanten in ihrer Gewinnermittlung einen Investitionsabzugsbetrag für geplante Investitionen ins bewegliche Anlagevermögen geltend, kann es passieren, dass das Finanzamt diesen Investitionsabzugsbetrag nachträglich versagt. Häufiger Grund: Das Wirtschaftsgut wird im Jahr des Kaufs und im Jahr danach nicht für ein volles Kalenderjahr im Betrieb genutzt oder vermietet. Dasselbe gilt bei Geltendmachung der Sonderabschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Doch nach einem aktuellen Urteil des BFH lohnt sich hier nun Gegenwehr.

Grundsätze zum Investitionsabzugsbetrag

Ein Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG darf vom Gewinn eines Unternehmens abgezogen werden, wenn der Gewinn des betreffenden Jahres nicht mehr als 200.000 EUR beträgt (Rechtslage seit 2020). Der Abzugsbetrag für geplante Investitionen ins bewegliche Anlagevermögen innerhalb der nächsten drei Jahre beträgt 50 % der voraussichtlichen Investitionskosten (Rechtslage seit 2020; davor: 40 %).

Im Jahr des Kaufs und im Jahr danach muss der Investitionsgegenstand ausschließlich vermietet oder in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt werden. Werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ändert das Finanzamt den Steuerbescheid des Abzugsjahrs und kippt den Investitionsabzugsbetrag rückwirkend.

Was gilt bei Betriebsaufgabe innerhalb des Zweijahreszeitraums?

Gibt nun ein Unternehmer seinen Betrieb innerhalb des zu beobachtenden Zweijahreszeitraums nach der Investition auf, führt das nach Ansicht der Finanzverwaltung zur rückwirkenden Versagung des Investitionsabzugsbetrags.

Begründung: In einem Schreiben des BMF vom 20.11.2013 (IV C 6 – S 2139 b/07/10002) steht in Rz. 36, dass das begünstigte Wirtschaftsgut mindestens „bis Ende“ des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahrs (Verbleibens- und Nutzungszeitraum) in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt werden muss.

Beispiel – veraltete Auffassung der Finanzverwaltung

Ein Mandant hat im Jahr 2017 einen Investitionsabzugsbetrag von 30.000 EUR von seinem Gewinn abgezogen. Im Jahr 2018 investiert der Unternehmer und im Juni 2019 gibt er seinen Betrieb altersbedingt auf.

Folge: Da der Investitionsgegenstand nicht bis zum 31.12.2019 in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs genutzt wurde, ist der Abzug des Investitionsabzugsbetrags im Jahr 2017 rückgängig zu machen.

Beachten Sie | Dieses Beispiel ist deshalb veraltet, weil der BFH klargestellt hat, dass mit Wirtschaftsjahr auch ein Rumpfwirtschaftsjahr gemeint sein kann (BFH 28.7.21, X R 30/19).

Neue Sichtweise durch Urteil des BFH

Die Richter des BFH teilten die Ansicht der Finanzverwaltung nicht. Der Begriff Wirtschaftsjahr ist im Einkommensteuergesetz nicht definiert. Es kann jedoch auf die Definition in § 8b EStDV zurückgegriffen werden. Und in dieser eher unbekannten Vorschrift steht schwarz auf weiß, dass bei einer Betriebsaufgabe das Wirtschaftsjahr auch einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten umfassen darf.

Beispiel nach Grundsätzen des BFH-Urteils

Ein Mandant hat im Jahr 2017 einen Investitionsabzugsbetrag von 30.000 EUR von seinem Gewinn abgezogen. Im Jahr 2018 investiert der Unternehmer und im Juni 2019 gibt er seinen Betrieb altersbedingt auf.

Folge: Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 28.7.2021 kann der Sachbearbeiter bzw. der Prüfer des Finanzamts nicht generell davon ausgehen, dass der im Jahr 2017 abgezogene Investitionsabzugsbetrag rückwirkend zu versagen ist.

Kleine Einschränkung im aktuellen Urteil des BFH

Der BFH hat den Fall wieder ans Finanzgericht zurückgewiesen, weil die Finanzrichter zum einen den Tenor des Urteils zu unbestimmt gefasst haben und zum anderen, weil sich die Richter nur mit den zeitlichen Komponenten befasst haben. Feststellungen dazu, in welchem Umfang der Investitionsgegenstand im Betrieb genutzt wurde, hatte das Finanzgericht nicht getroffen.

Praxistipp

Bei Betriebsaufgabe muss zur Sicherung des Investitionsabzugsbetrags also darauf geachtet werden, dass der Gegenstand im Jahr des Kaufs und im folgenden Rumpfwirtschaftsjahr insgesamt ausschließlich betrieblich genutzt wurde (= betriebliche Nutzung von mindestens 90 %).

Verhaltensknigge für betroffene Mandanten

Sollte der Sachbearbeiter oder der Prüfer des Finanzamts das erst am 28.10. veröffentlichte Urteil des BFH noch nicht kennen und bei Betriebsaufgabe innerhalb des Zweijahrzeitraums den Investitionsabzugsbetrag nach der veralteten Verwaltungsauffassung kippen, helfen gegen nachteilige Steuerbescheide nur ein Einspruch und der dezente Hinweis auf das Urteil vom 28.7.2021.

Befindet sich ein Mandant noch im Zweijahreszeitraum und kurz vor der Betriebsaufgabe, sollten aussagekräftige Nachweise zum Umfang der betrieblichen Nutzung gesammelt und bei den Buchführungsunterlagen aufbewahrt werden. Denn es ist zu erwarten, dass die Prüfer nun hier ihren Prüfungsschwerpunkt setzen werden.

Urteilsgrundsätze greifen auch bei Sonderabschreibung

Die Grundsätze des Urteils vom 28.7.2021 greifen auch, wenn ein Unternehmer die 20%ige Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG in Anspruch nimmt. Hier ist es steuerlich unschädlich, wenn der Investitionsgegenstand im Jahr des Kaufs und bei Betriebsaufgabe im Folgejahr während eines Rumpfwirtschaftsjahrs jeweils zu mindestens 90 % betrieblich genutzt wird.

Fundstelle
BFH 28.7.21, X R 30/19