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Belässt der Grundstückskäufer ohne angemessene Vergütung dem Verkäufer (oder einem Dritten) Nutzungsrechte an dem Grundstück (Nießbrauchs- und Wohnrechte), liegt darin ein geldwerter Vorteil, den der Käufer für den Erwerb der Sache hingibt und der deshalb in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist.

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb mit notariellem Kaufvertrag zu einem Kaufpreis von 133.000 EUR (inklusive Inventar i. H. v. 30.000 EUR) zwei Flurstücke, von denen eines mit einem Zweifamilienhaus bebaut ist. Die Klägerin war seit 1995 Mieterin einer Wohnung in dem Gebäude, an dem für den Bruder der Veräußerin, Herrn C, bereits im Jahr 2003 ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt worden war. Für das zweite Flurstück bestand ein Nießbrauchsrecht des C. Das Wohnrecht wurde kurz vor dem o. g. Erwerb zur Eintragung im Grundbuch angemeldet und kurz danach eingetragen. Im Kaufvertrag wurden das Wohnrecht und das Nießbrauchsrecht als bestehende Belastung aufgeführt. Der Gesamtwert des übernommenen Wohnrechts beträgt unstreitig 146.328 EUR.

Das beklagte FA setzte die Grunderwerbsteuer i. H. v. 12.466 EUR fest. Als Bemessungsgrundlage berücksichtigte das FA den um den Wert des Inventars gekürzten Kaufpreis (103.000 EUR) und erhöhte ihn um den Wert des Wohnrechts (146.328 EUR). Die Klägerin war anders als das FA der Auffassung, das Wohnrecht dürfe die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht erhöhen. Der Kaufpreis entspreche dem Verkehrswert des Grundstücks. Das dingliche Wohnrecht diene allein dazu, das vermächtnisweise erworbene Nutzungsrecht von C abzusichern.

Entscheidung des FG

Das FG bestätigte die Auffassung des FA und wies die Klage ab.

Dem Grunderwerbsteuergesetz liege in §§ 8 und 9 GrEStG ein eigenständiger Gegenleistungsbegriff zugrunde. Dieser ziele darauf ab, die Gegenleistung so umfassend wie möglich zu erfassen. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gelte als Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Der Verkäufer ist grundsätzlich verpflichtet, eine Sache frei von Rechtsmängeln (§§ 433 Abs. 1, 435 BGB) zu übergeben.

Werde die Norm vertraglich abbedungen, d. h., belässt der Grundstückskäufer also die Nutzungen dem Verkäufer (oder einem Dritten) über diesen Zeitpunkt hinaus, liege darin ein geldwerter Vorteil, den der Käufer für den Erwerb der Sache hingibt. Dies rechtfertige die Einbeziehung der dem Verkäufer bzw. einem Dritten vorbehaltenen Nutzungen in die Gegenleistung. Erfasst würden Nutzungen aller Art, namentlich Nießbrauchs- und Wohnrechte. Diese können entweder neu begründet werden oder bereits bestehen. Unerheblich sei auch, dass diese gegenüber einem Dritten eingeräumt werden.

Nach diesen Maßstäben seien die dem C vorbehaltenen Nutzungen in die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einzubeziehen. Denn die Beteiligten hätten den Fortbestand des Wohnrechts ausdrücklich geregelt. Diese Vereinbarungen könnten nicht anders verstanden werden, als dass mit Zustimmung der Klägerin das Wohnrecht des C bestehen bleibe und sie von ihrem Recht nach § 446 S. 2 BGB keinen Gebrauch gemacht habe. Dies gelte unabhängig davon, dass das dingliche Wohnrecht vorliegend noch nicht zur Eintragung gelangt sei. Die Klägerin habe den Kaufvertrag mit der Kenntnis, dass dieses zur Eintragung gelangen wird, unterzeichnet, zumal die Klägerin mit C in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebte.

Erläuterungen

Gegenleistung im grunderwerbsteuerlichen Sinne ist jede Leistung, die der Erwerber eines Grundstücks als Entgelt für den Erwerb gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung empfängt.

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gehören bei einem Kauf zur Gegenleistung auch die vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen.

Als sonstige Leistungen sind alle Verpflichtungen des Käufers anzusehen, die zwar nicht unmittelbar Kaufpreis für das Grundstück im zivilrechtlichen Sinne, aber gleichwohl Entgelt für den Erwerb des Grundstücks sind. Dabei ist nicht ausschlaggebend, was die Vertragschließenden als Gegenleistung für das Grundstück bezeichnen. Vielmehr ist entscheidend, zu welchen Leistungen sie sich verpflichtet haben. Danach gehören alle Leistungen des Käufers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks gewährt.

Übernommene Leistungen im engeren Wortsinne sind nur solche Verpflichtungen, die eigentlich den Veräußerer treffen, vom Käufer jedoch vertraglich übernommen worden sind. Dies setzt voraus, dass die Verpflichtung in der Person des Veräußerers – sei es im Innenverhältnis zum Käufer, sei es im Verhältnis zum Dritten – entstanden ist und der Käufer sich anschließend verpflichtet, diese Verbindlichkeit zu tragen (Boruttau, § 9 GrEStG Rz. 241). Eine vom Käufer übernommene sonstige Leistung kann auch dann vorliegen, wenn diese nicht dem Verkäufer selbst zufließt (BFH 3.8.88, II R 210/85, BStBl II 1988, 900).

Nach diesen Grundsätzen ist dem FG in der Besprechungsentscheidung zuzustimmen: Nutzungen sind gemäß § 100 BGB u. a. die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt. Sie gebühren nach § 446 Satz 2 BGB von der Übergabe der Sache an dem Käufer. Wird dies – wie hier – anders geregelt, spricht dies für eine zusätzliche Gegenleistung.

Wenn dagegen der Grundstücksverkäufer die vorbehaltenen Nutzungen angemessen vergütet hätte, hätte in der Nutzungsüberlassung keine Gegenleistung für das Grundstück i. S. v. § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vorgelegen. Ob sich der Verkäufer Nutzungen ohne angemessenes Entgelt vorbehalten hat, ist letztlich durch Auslegung des Kaufvertrags zu ermitteln.

Beachten Sie | Das FG hat die Revision mit Blick auf ein beim BFH anhängiges Verfahren (II R 5/22, vorgehend FG Berlin-Brandenburg 4.3.21, 12 K 12271/19) zugelassen. Dort wird zu klären sein, ob der Wert eines Nießbrauchrechts bei der Veräußerung eines Erbbaurechts als Gegenleistung in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen, wenn der Nießbrauch bereits wirksam bestellt war und die Eintragung von dem Grundstückseigentümer und dem bisherigen Erbbauberechtigten (ohne Beteiligung des Erbbaurechterwerbers) bewilligt und beantragt wurde.

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FG Baden-Württemberg 8.7.22, 5 K 2500/21; Rev. BFH II R 32/22