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Nach § 6a Sätze 1 und 3 GrEStG wird die Steuer für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG nicht erhoben, wenn an dem Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und eine von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaft beteiligt sind.

Nach § 6a S. 4 GrEStG ist eine Gesellschaft abhängig, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist.

Streitig war, ob die für Zwecke der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG erforderliche Vorbesitzzeit bei Aufspaltung einer KG der Gesellschafterin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zugerechnet wird.

Sachverhalt

Eine KG war seit 1993 alleinige Gesellschafterin einer grundbesitzverwaltenden GmbH. Die beiden Kommanditisten gründeten im Jahr 2010 jeweils als Alleingesellschafter die Klägerin und eine weitere GmbH und brachten zunächst ihre jeweils hälftigen Kommanditanteile in die beiden Gesellschaften ein.

Dieser Vorgang löste unstreitig gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG Grunderwerbsteuer aus. Ebenfalls im Jahr 2010 wurde ein Spaltungs- und Übernahmevertrag geschlossen, nach dem das Vermögen der KG dahingehend aufgeteilt wurde, dass ein Teilbetrieb, der die Beteiligung an der Grundstücks-GmbH umfasste, an die Klägerin und ein weiterer Teilbetrieb an die andere Kommanditistin übertragen wurden. Im Jahr 2013 wurde die Grundstücks-GmbH auf die Klägerin verschmolzen.

Das Finanzamt lehnte die von der Klägerin für den Verschmelzungsvorgang beantragte Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG unter Hinweis auf die nicht eingehaltene Vorbehaltensfrist von fünf Jahren ab. Demgegenüber vertrat die Klägerin die Auffassung, dass ihr die Vorbesitzzeit der KG im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zuzurechnen sei.

Entscheidung

Das FG Münster gab der Klage statt. Durch die Verschmelzung sei ein Erwerbstatbestand ausgelöst worden, der aber nach § 6a GrEStG steuerfrei sei. An der Verschmelzung, die auf Grundlage der Vorschriften des Umwandlungsgesetzes erfolgt ist, sind die Klägerin als herrschendes Unternehmen und die Grundstücks-GmbH als abhängige Gesellschaft beteiligt gewesen. Die weitere Voraussetzung, dass die Klägerin innerhalb des Zeitraums von fünf Jahren vor der Verschmelzung mittelbar oder unmittelbar zu mindestens 95 % an der Grundstücks-GmbH beteiligt gewesen sein muss (Vorbehaltensfrist), sei ebenfalls erfüllt. Sie selbst ist seit 2010 zu 100 % beteiligt gewesen. Darüber hinaus sei ihr als Gesamtrechtsnachfolgerin der KG deren 100%ige Beteiligung gemäß § 45 AO zuzurechnen.

Der Zurechnung stünden auch keine Normen oder Prinzipien des Grunderwerbsteuerrechts entgegen. Zwar sei die Gesamtrechtsnachfolge im Hinblick auf die in §§ 5 und 6 GrEStG enthaltenen Vor- und Nachbehaltensfristen schädlich. Diese Sichtweise sei aber nicht auf § 6a GrEStG übertragbar, da diese Fristen in den jeweiligen Normen unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen.

Erläuterungen

Hinsichtlich der Anwendbarkeit der Vorbehaltsfrist von fünf Jahren hat der BFH entschieden, dass auf deren Einhaltung dann verzichtet werden kann, wenn diese bei einem Umwandlungsvorgang aus Rechtsgründen (etwa bei einer Abspaltung zur Neugründung) nicht eingehalten werden kann. Im Streitfall hätte die Vorbehaltensfrist zwar eingehalten werden können. Ein genereller Verzicht auf die gesetzlich vorgesehene Vorbehaltensfrist ist auch aus Gründen der Gleichbehandlung nicht geboten (vgl. BFH 22.8.19, II R 17/19, BStBl II 20, 348 a.E.).

Allerdings war die Klägerin seit mehr als fünf Jahren zu 100 % an der F-GmbH beteiligt. Sie war selbst seit dem Wirksamwerden der Aufspaltung der KG im Jahr 2010 zu 100 % an der F-GmbH beteiligt. Überdies war der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin die seit 1993 bestehende 100%-Beteiligung der KG an der F-GmbH zuzurechnen.

Eine Gesamtrechtsnachfolge umfasst nicht nur Forderungen und Schulden, sondern erstreckt sich auf alle steuerlich relevanten Umstände. Zivilrechtlich ist die Klägerin im Zuge der Aufspaltung Gesamtrechtsnachfolgerin der KG geworden. Denn bei der Aufspaltung kommt es zu einer geteilten Gesamtrechtsnachfolge hinsichtlich des jeweils übertragenen Vermögens. Folglich war § 6a GrEStG nach Auffassung des FG erfüllt.

§ 6a GrEStG soll aus wirtschaftspolitischen Gründen die Umstrukturierung von Unternehmen erleichtern, wobei die Vor- und Nachbehaltensfristen vornehmlich dazu dienen, die als verschonungswürdig qualifizierten Sachverhalte zu umschreiben und zu begrenzen. Daher ist die Entscheidung des FG nachvollziehbar. Die Revision wurde zugelassen, sodass diese abzuwarten bleibt.

fundstelle
FG Münster 12.1.23, 8 K 169/21 F; Rev. zugelassen