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Am 12.7.2022 hat das BMF den Referentenentwurf zur vereinfachten Betriebsprüfung veröffentlicht. Der vollständige und leider auch komplizierte Name des Gesetzes lautet „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts“. Im Gesetz enthalten sind Neuregelungen zur Beschleunigung von Außenprüfungen. Die Idee ist ­sicherlich begrüßenswert, doch schon der sperrige Name dieses geplanten ­Gesetzes lässt erahnen, wie diese Neuregelungen ausgestaltet sind. Im Folgenden gehen wir auf ausgewählte Punkte ein, die in der ­Praxis bereits auf Kritik stoßen. Wichtig: Auf einige Kritikpunkte hat der Gesetzgeber in einem neuen Gesetzentwurf vom 26.8.2022 (https://dserver.bundestag.de/brd/2022/0409-22.pdf) reagiert und nachgebessert.

Grundsätzliches zum derzeitigen Ablauf von Betriebsprüfungen

Derzeit hakt es beim Ablauf von Außenprüfungen in Deutschland gewaltig. Die Prüfer der Finanzämter melden sich in der Regel erst viele Jahre nach Ablauf der Steuerjahre zu einer Prüfung an.

Das ist spät und die Dauer der Außenprüfung ist gefühlt viel zu lange. Eine beschleunigte Außenprüfung ist deshalb also unbedingt begrüßenswert. Zwar gibt es schon das Instrument der zeitnahen Betriebsprüfung – doch das ist aktuell nur Groß- und Größt-Konzernen vorbehalten.

Geplante Neuregelung zur Ablaufhemmung

Nach derzeitiger Rechtslage gilt zur Ablaufhemmung Folgendes: Beginnt eine Außenprüfung vor Ablauf der Festsetzungsfrist, so läuft die Festsetzungsfrist für die in der Prüfungsanordnung genannten Steuern nicht ab, bevor die Steuerbescheide nach erfolgter Betriebsprüfung unanfechtbar geworden sind. Sollten sich keine Änderungen aufgrund der Außenprüfung ergeben haben, gilt die Frist von drei Monaten nach Bekanntgabe, (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO).

Neuregelung 1 zur Ablaufhemmung

Laut Referentenentwurf soll ein neuer Satz 2 eingefügt werden, der die Prüfungsdauer nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung zeitlich beschränkt. Geplant ist Folgendes:

Die Festsetzungsfrist endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde. Eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt (§ 171 Abs. 4 Satz 2 AO – neu).

Diese geplante Neuregelung würde vor allem Konzernprüfungen, bei denen die Prüfungsdauer teilweise bis zu zehn Jahre beträgt, deutlich verkürzen. Doch für kleine und mittelständische Betriebe bringt diese Neuregelung rein gar nichts. Denn für diese Unternehmen ist schon eine Prüfungsdauer von einem Jahr und mehr viel zu lang.

Zudem kann es durch diese Neuregelung durchaus passieren, dass eine Prüfung erst mehr als ein Jahrzehnt nach Ablauf des Steuerjahrs abgeschlossen sein wird. Eine nicht wirklich begrüßenswerte Situation:

Beispiel

Ein Unternehmer übermittelt dem Finanzamt seine Steuererklärungen 2021 (durch einen Steuerberater erstellt) am 31. August 2023. Nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2023 und endet vier Jahre später – also am 31.12.2027. Würde das Finanzamt im Dezember 2027 eine Prüfung anordnen und noch 2027 mit der Prüfung beginnen, muss die Prüfung spätestens im Dezember 2032 enden. Die Prüfung würde also erst 11 Jahre nach Ablauf des Steuerjahrs 2021 enden.

Beachten Sie | Im neuen Gesetzesentwurf vom 26.8.2022 wurde hier nachgebessert. Der Entwurf sieht für Ertrag- und Umsatzsteuererklärungen vor, dass die Prüfungsanordnung bis zum Ablauf des Kalenderjahrs erlassen werden muss, das dem wirksam gewordenen Steuerbescheid folgt (§ 197 Abs. 5 AO neu). Wird die Prüfungsanordnung später bekannt gegeben, verkürzt sich die Ablaufhemmung. Erstreckt sich eine Betriebsprüfung auf mehrere Jahre, ist der Zeitpunkt des Wirksamwerdens des letzten Steuerbescheids maßgeblich.

Neuregelung 2 zur Ablaufhemmung

Im Referentenentwurf ist der bisherige Satz 2 ersatzlos weggefallen. Dort heißt es aktuell sinngemäß:

§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat.

Dieser bisherige Satz 2 müsste aus Sicht der Unternehmen wieder in § 171 Abs. 4 AO aufgenommen werden. Ohne die Wiederaufnahme dieses Satzes würde die Neuregelung eine Verschlechterung der zu prüfenden Unternehmen darstellen. Das Finanzamt könnte die Prüfung nach Beginn ohne Konsequenzen auf die Festsetzungsfrist um mehrere Jahre unterbrechen.

Praxistipp

Einer Stellungnahme des Deutschen Steuerberaterverbands e. V. vom 28.7.2022 zur beschleunigten Außenprüfung im Referentenentwurf sind hierzu folgende Änderungsvorschläge zu entnehmen:

5-Jahres-Regelung: Die Festsetzungsfrist sollte besser bereits drei Jahre nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung enden. Zudem sollte daneben die Verkürzung der Festsetzungsfrist von derzeit vier Jahren auf höchstens zwei Jahre erfolgen.

Wegfall Satz 2: Der bisherige Satz 2, der im Referentenentwurf ersatzlos weggefallen ist, sollte unbedingt wieder aufgenommen werden.

Neuregelung: Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen

Der Referentenentwurf sieht in einem neuen § 200a AO Folgendes vor:

Das zu prüfende Unternehmen kann zur Mitwirkung nach § 200 Abs. 1 AO in einem schriftlich oder elektronisch zu erteilenden Mitwirkungsverlangen aufgefordert werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf (qualifiziertes Mitwirkungsverlangen). Dieses Mitwirkungsverlangen soll innerhalb einer gesetzlich fixierten Frist von einem Monat nach Bekanntgabe erfüllt werden.

Aus der Sicht der Finanzverwaltung soll damit sichergestellt werden, dass der Unternehmer aufgrund der verkürzten Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO (neu) an der Beantwortung und an der Vorlage von geforderten Unterlagen ohne bewusste Verzögerung mitwirkt. Diese geplante Regelung war im ersten Gesetzentwurf noch sehr vage formuliert und hätte dem Finanzamt die Möglichkeit eröffnet, ohne Begründung das qualifizierte Mitwirkungsverlangen einzufordern. Ohne gesetzliche Vorgaben wäre die Einforderung des qualifizierten Mitwirkungsverlangens höchst willkürlich.

Die Nachbesserung: Im Gesetzesentwurf vom 26.8.2022 wurde hier erfreulicherweise nachgebessert. In § 199 Abs. 2 AO neu wurde klargestellt, dass das zu prüfende Unternehmen und der Prüfer feste Rahmenbedingungen für den Ablauf der Prüfung vereinbaren können, etwa die Vereinbarung von Fristen, die Festlegung des Prüfungsplans oder die Aussparung bestimmter Prüfungsfelder. Hält sich das Unternehmen an dieses qualifizierte Mitwirkungsverlangen, sind Strafzahlungen tabu.

Geplantes „automatisches Mitverzögerungsgeld“

Kommt das zu prüfende Unternehmen dem neuen qualifizierten Mitwirkungsverlangen „nicht oder nicht vollständig“ innerhalb einer Monatsfrist nach, wird automatisch ein Verzögerungsgeld in Höhe von 100 EUR pro Tag festgesetzt, maximal für 100 Tage (§ 200a Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO [neu]).

Zum einen erscheint die Frist von einem Monat eher knapp bemessen. Denn bedenkt man, dass eine Außenprüfung in Deutschland für weit zurückliegende Jahre angeordnet wird, passiert es häufig, dass die seinerzeit verantwortlichen Mitarbeitenden im Betrieb oder der Steuerberater nicht mehr greifbar sind. Natürlich kann es dann länger als einen Monat dauern, die gewünschten Unterlagen vorzulegen oder die vom Finanzamt beanstandeten Sachverhalte darzulegen. Zum anderen ist in dem Entwurf nicht klar geregelt, wann Unterlagen vollständig vorliegen und wann nicht. Hier bestehen schon aktuell – bei Festsetzung eines Verzögerungsgeldes – oftmals Ungereimtheiten zwischen Unternehmen und Steuerberater einerseits und dem Finanzamt andererseits.

Die fixe Höhe von 100 EUR Mitverzögerungsgeld pro Tag für maximal 100 Tage scheint vielleicht für Konzernunternehmen mit eigener Steuerabteilung angemessen zu sein. Kann der Unternehmer eines kleinen oder mittleren Betriebs die vom Finanzamt geforderten Unterlagen nicht zeitnah vorlegen, weil er während der Außenprüfung nicht nur dem Prüfer des Finanzamts zuarbeiten kann, sondern daneben seinen betrieblichen Alltag am Laufen halten muss, scheinen 100 EUR pro Tag deutlich zu hoch bemessen zu sein.

Praxistipp

Die Vorschrift sollte dahingehend geändert werden, dass bis zu 100 EUR pro Tag Mitverzögerungsgeld festgesetzt werden „können“. Das eröffnet den mit der Außenprüfung betreuten Prüfern der Finanzverwaltung die Möglichkeit, auch geringere Beträge festzusetzen.

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BMF Referentenentwurf