In für VERMIETER, Steuer-Tipps für ALLE

Eine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ liegt nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die einem Angehörigen überlassene Wohnung zeitweilig für wenige Nächte im Jahr als Zufluchtsmöglichkeit mit nutzt. Und: Eine unter Zwang erfolgte Gebäudeveräußerung liegt nicht vor, wenn das Bauamt zwar ein Rückbaugebot beabsichtigte, dessen Erlass jedoch noch nicht unmittelbar bevorstand. |

Sachverhalt

Die Klägerin, die mit ihrem Ehemann zusammen wohnte, hatte ihrer Tochter eine in 2006 erworbene ETW unentgeltlich zur Nutzung überlassen. Sie nutzte diese Wohnung allerdings jährlich jeweils an einigen Tagen als Zufluchtsmöglichkeit, wenn die Situation mit ihrem alkoholkranken Ehemann eskalierte.

Die Stadt, in der diese Zufluchtswohnung lag, plante das Gebäude nach dem Erwerb sämtlicher darin belegener Wohnungen wegen nicht behebbarer Mängel abzubrechen und forderte die Klägerin zum Verkauf an die Stadt auf. Sie kündigte für den Fall der Verweigerung des Verkaufs an, dass die Eigentümer anderenfalls die Kosten für die Beseitigung der Missstände durch Rückbau zu leisten hätten (Rückbaugebot). Daraufhin veräußerte die Klägerin diese Wohnung im Dezember 2014 an die Stadt.

Das FA erfasste den hierbei erzielten Gewinn gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Hiergegen wendet sich die Klägerin, da sie die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe und diese jederzeit auch ohne Erlaubnis ihrer Tochter hätte aufsuchen können, um in Notfällen auf dem Schlafsofa zu übernachten. Außerdem habe sie sich bei der Veräußerung des Objekts wegen des angedrohten Rückbaugebots in einer Zwangssituation befunden.

Entscheidungsgründe

Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück.

Nutzung zu eigenen Wohnzwecken

Es liegt kein privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 EStG vor, obwohl die Wohnung zumindest „auch“ selbst zu eigenen Wohnzwecken genutzt, also bewohnt wurde.

Unschädlich ist die Wohngemeinschaft mit Familienangehörigen oder Dritten, nicht aber die entgeltliche oder unentgeltliche Überlassung der Wohnung an einen Dritten, ohne sie zugleich selbst mit zu bewohnen. Auch bei nur zeitweiligem zeitlich zusammenhängendem Wohnen in den maßgebenden Zeiträumen liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor, sofern sie dem Eigentümer in der übrigen Zeit zur Verfügung steht.

Die unentgeltliche Überlassung der Wohnung an die Tochter als Angehörige der Klägerin, ohne dass diese die Wohnung selbst auch bewohnt, wäre nur dann fiktiv eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken durch die Klägerin, wenn die Tochter steuerlich noch als Kind zu berücksichtigen wäre.

In der gelegentlichen Nutzung als Zufluchtsmöglichkeit in familiären Notsituationen ist keine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ zu sehen.

Fazit | Wird eine Immobilie an die öffentliche Hand innerhalb von zehn Jahren seit Erwerb veräußert, sollten nicht längere Verhandlungen vor allem über den Kaufpreis stattfinden, da dann von einer grundsätzlichen Verkaufsbereitschaft ausgegangen wird und nicht von einem zwangsweisen Verkauf, auch wenn eine Enteignung oder – wie im Urteilsfall – ein Rückbaugebot im Raum steht.

Zur Herbeiführung eines „Zwangsverkaufs“ und damit Vermeidung eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns sollte daher der Erlass der Enteignungs- oder Rückbaugebotsverfügung abgewartet werden. Bei Enteignung besteht natürlich das Risiko einer geringeren Entschädigung als sie bei harten Verkaufsverhandlungen erzielbar wäre.

Fundstelle
BFH 21.5.19, IX R 6/18