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Der BFH zweifelt an der bislang uneingeschränkt angenommenen Pflicht zur Vorfinanzierung der Umsatzsteuer durch den zur Sollbesteuerung verpflichteten Unternehmer. Das Gericht hat daher in einem Revisionsverfahren ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet.

Fundstellen
BFH 21.6.17, V R 51/16, FG Niedersachsen 18.8.16, 5 K 288/15

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Sachverhalt

Die Steuerpflichtige war im bezahlten Fußball als Spielervermittlerin tätig. Sie unterlag der Sollbesteuerung, bei der der Unternehmer die Umsatzsteuer bereits mit der Leistungserbringung und damit unabhängig von der Entgeltvereinnahmung zu versteuern hat.

Bei der Vermittlung von Profifußballspielern erhielt die Steuerpflichtige Provisionszahlungen von den aufnehmenden Fußballvereinen. Der Vergütungsanspruch für die Vermittlung setzte dem Grunde nach voraus, dass der Spieler beim neuen Verein einen Arbeitsvertrag unterschrieb und die DFL-GmbH als Lizenzgeber dem Spieler eine Spielerlaubnis erteilte.

Die Provisionszahlungen waren in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrags zu leisten, wobei die Fälligkeit und das Bestehen der einzelnen Ratenansprüche unter der Bedingung des Fortbestehens des Arbeitsvertrags zwischen Verein und Spieler standen.

Das FA ging davon aus, dass die Steuerpflichtige ihre im Streitjahr 2012 erbrachten Vermittlungsleistungen auch insoweit bereits in 2012 zu versteuern habe, als sie Entgeltbestandteile für die Vermittlungen vertragsgemäß erst im Jahr 2015 beanspruchen konnte. Diese Sichtweise des FA entspricht einer jahrzehntelang geübten Besteuerungspraxis.

Entscheidung

Der BFH bezweifelt jetzt aber, ob dies mit den bindenden Vorgaben der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie vereinbar ist. Auf seine Vorlage hin soll der EuGH insbesondere entscheiden, ob die Steuerpflichtige verpflichtet ist, die für die Leistung geschuldete Steuer für einen Zeitraum von zwei Jahren vorzufinanzieren, wenn sie die Vergütung für ihre Leistung (teilweise) erst zwei Jahre nach Entstehung des Steuertatbestands erhalten kann.

Praxishinweis

Die dem EuGH in dieser Rechtssache vorgelegten Fragen sind von erheblicher Praxisbedeutung. Betroffen sind

  • bedingte Vergütungsansprüche (Vorlagefall), aber auch
  • befristete Zahlungsansprüche wie etwa beim Ratenverkauf oder bei einzelnen Formen des Leasings.

In all diesen Fällen besteht nach gegenwärtiger Praxis für den der Sollbesteuerung unterliegenden Unternehmer die Pflicht, die Umsatzsteuer für die Leistung bereits bei Leistungserbringung vollständig abzuführen. Dies gilt nach bisheriger Praxis auch dann, wenn er einzelne Zahlungen erst über eine Laufzeit von mehreren Jahren vereinnahmen kann.

Nicht anzuwenden sein dürfte die neue Rechtsprechung dann, wenn nicht der leistende Unternehmer, sondern ein Dritter – etwa ein Kreditinstitut – die Finanzierung übernimmt.

Anmerkung

Ist danach – etwa aufgrund eines Sicherungseinbehalts – beim leistenden Unternehmer eine Berichtigung des Steueranspruchs zu bejahen, muss ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Leistungsempfänger korrespondierend den Vorsteuerabzug berichtigen.