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Für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Windkraftanlagen reicht der bloße Besitz- und Nutzungsübergang nicht aus. Es reicht auch dann nicht aus, wenn der Erwerber aus einem Probe­betrieb der Anlage bereits Einnahmen in Form von Einspeise­erlösen erzielt. Verbindlichkeiten aus einer Rückbauverpflichtung von Windkraftanlagen, die sich noch im Probebetrieb befinden und bei denen das wirtschaftliche Eigentum noch nicht auf den Erwerber übergegangen ist, sind nicht im laufenden Betrieb angefallen, sodass die Bildung einer Rückstellung noch nicht zulässig ist. So lautet das aktuelle Urteil des FG Münster.

Hintergrund

Das für den Beginn der AfA maßgebende Jahr der Anschaffung ist nach § 9a EStDV das Jahr der Lieferung. Geliefert ist ein Wirtschaftsgut, wenn der Steuerpflichtige (Erwerber) zumindest die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut in dem Sinne erlangt hat, dass er als dessen wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist.

Gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO ist wirtschaftliches Eigentum zu bejahen, wenn ein anderer als der (zivilrechtliche) Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Wirtschaftliches Eigentum liegt im Falle der Anschaffung beweglicher Wirtschaftsgüter daher dann vor, wenn (Eigen-)Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergegangen sind.

Sachverhalt und Entscheidung

Im Streitfall konnte die Steuerpflichtige im streitbefangenen Veranlagungsjahr 2017 keine AfA für die im Dezember dieses Jahres in (Probe)Betrieb genommenen Windenergieanlagen in Anspruch nehmen. Denn aufgrund der vertraglichen Regelungen ging die Gefahr des zufälligen Untergangs und damit das wirtschaftliche Eigentum erst mit der Abnahme am 26.6.2018 auf die Steuerpflichtige über. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte AfA gem. § 7 Abs. 1 EStG in Anspruch genommen werden.

Im Streitfall war auch die Bildung einer Rückstellung für die Rückbauverpflichtung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann eine Rückstellung nur in dem Umfang gebildet werden, in dem die Verpflichtungen im wirtschaftlichen Sinne durch den laufenden Betrieb verursacht werden. Die Vorschrift gilt für solche Verpflichtungen, die am Bilanzstichtag zwar bereits rechtlich begründet sind, aber unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf die für ihr Entstehen ursächlichen Geschäftsjahre verteilt werden müssen. Sie findet auch im Falle von Rückbauverpflichtungen Anwendung.

Im Streitfall führte die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d Satz 1 EStG nicht nur zu einer Beschränkung der Rückstellung der Höhe nach, sondern vielmehr zu einem vollständigen Ausschluss der Rückstellungsbildung. Denn die Rückbauverpflichtung der Steuerpflichtigen war nicht – wie von § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d Satz 1 EStG vorausgesetzt – im wirtschaftlichen Sinne durch den laufenden Betrieb im Veranlagungsjahr 2017 veranlasst. Die Windenergieanlagen hatten im streitbefangenen Veranlagungsjahr 2017 noch nicht den regulären Betrieb aufgenommen, sondern befanden sich lediglich im Probebetrieb. Weiterhin war das wirtschaftliche Eigentum an den Windenergieanlagen noch nicht auf die Steuerpflichtige übergegangen. Nach Auffassung des FG kann ein solcher Probebetrieb vor Gefahrübergang nicht unter den Begriff des „laufenden Betriebs“ gem. § 6 Abs. 1 EStG subsumiert werden. Die Rückstellung für die Rückbauverpflichtung konnte daher erst ab dem Veranlagungsjahr 2018 ratierlich gebildet werden.

Das FG hat im Streitfall die Revision ausdrücklich nicht zugelassen.

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FG Münster 15.9.21, 13 K 3059/19 G, F