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Der Erwerb einer mittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer, wenn die Beteiligungsquote von 95 Prozent auf jeder Beteiligungsstufe erreicht wird.
Gemäß § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist allerdings der Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses.
Zu klären war im Streitfall, ob diese Steuerbefreiung auch im Fall einer Anteilsvereinigung aufgrund einer Erbauseinandersetzung, die zu einer Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG führt, Anwendung finde.
BFH 25.11.15, II R 35/14

Sachverhalt

Der Kläger und seine Schwester waren je zur Hälfte Miterben ihrer Ende 2000 verstorbenen Mutter (M). Zum Nachlass der Erblasserin M gehörten u. a. ein Kommanditanteil von 50 Prozent an der A-KG und ein Geschäftsanteil von 50 Prozent an deren vermögensmäßig nicht beteiligter Komplementärin, der B-GmbH.
Der Kläger war schon vor dem Erbfall Inhaber der restlichen Anteile an der A-KG und der B-GmbH. Der Kläger und S vereinbarten die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft in der Weise, dass der Kläger die Gesellschaftsbeteiligungen und S im Wesentlichen den restlichen Nachlass erhielt.
Die A-KG ist mit 90 Prozent an der grundbesitzenden G-GmbH beteiligt. Die weiteren Geschäftsanteile von 10 Prozent hält der Kläger. Das Finanzamt nahm eine Anteilsvereinigung i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG an der G-GmbH an. Die Klage war in der ersten Instanz erfolgreich.

Entscheidung

Der BFH hob die Entscheidung des FG auf. Der Kläger hat aufgrund der Erbauseinandersetzungsvereinbarung die restlichen Anteile an der A-KG und der B-GmbH erhalten, mit der Folge, dass er zu 100 Prozent als Kommanditist an der A-KG und zu 100 Prozent als Gesellschafter an deren Komplementärin, der B-GmbH, beteiligt ist.
Damit war ihm die Beteiligung der A-KG an der grundbesitzenden G-GmbH zuzurechnen, unmittelbar zu 10 Prozent und mittelbar zu 90 Prozent (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG).
Erwirbt ein Miterbe bei der Erbauseinandersetzung einen zum Nachlass gehörenden Anteil an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft und führt dieser Erwerb nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zu einer Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft, ist die Anteilsvereinigung nach Auffassung des BFH nicht nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.
Für die Steuerbefreiung sei an den fiktiven Erwerb des Grundstücks von der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft anzuknüpfen. Der Miterbe erwerbe danach zwar im Rahmen der Erbauseinandersetzung fiktiv ein Grundstück. Dieses Grundstück gehört aber nicht zum Nachlass, sondern sei ein Gesellschaftsgrundstück.
Zudem liegt grunderwerbsteuerrechtlich kein Erwerb von der Erbengemeinschaft vor, wie § 3 Nr. 3 GrEStG voraussetzt. Vielmehr wird ein Erwerb von der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft fingiert. Auch zivilrechtlich ist kein Grundstückserwerb, sondern ein Anteilserwerb gegeben.

Erläuterungen

Die Rechtsprechung zur Anwendung der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG in Fällen, in denen durch die schenkweise Übertragung des Anteils an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft der Tatbestand ­einer Anteilsvereinigung i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt wird (BFH 23.5.12, II R 21/10, BStBl II 12, 793), ist nicht auf die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG übertragbar.
§ 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG hat den Zweck, die doppelte Belastung eines Lebensvorgangs mit Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer zu vermeiden.
Eine solche Zweckrichtung verfolgt § 3 Nr. 3 GrEStG nicht. Eine erweiternde Auslegung des § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG ist daher nicht geboten.
Es gibt keinen sachlichen Grund, bei einer Anteilsvereinigung i. S. von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG wegen des fiktiven Grundstückserwerbs von der Kapitalgesellschaft abweichend vom Wortlaut des § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer zu befreien.
Dies gilt auch, wenn dieser auf einer Anteilsübertragung durch einen Miterben im Rahmen der Erbauseinandersetzung beruht. § 3 Nr. 3 GrEStG erfasst – entsprechend seinem Wortlaut – lediglich den unmittelbaren Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses.