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Wird ein Arbeitnehmer wiederholt befristet von seinem Arbeitgeber auf einer Baustelle des Auftraggebers eingesetzt, begründet er dort auch dann keine erste Tätigkeitsstätte, wenn der Einsatz insgesamt ununterbrochen länger als vier Jahre dauert.

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige war beruflich als angestellter Elektromonteur tätig und erzielte aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Die Arbeitgeberin des Steuerpflichtigen unterhielt auf dem Betriebsgelände eines Auftraggebers mindestens seit dem Jahr 2005 eine Baustelle, auf der der Steuerpflichtige jedenfalls seit dem Jahr 2010 ohne Unterbrechungen eingesetzt war. Die Arbeitgeberin des Steuerpflichtigen wurde dabei ausschließlich auf der Grundlage von befristeten Verträgen für den Auftraggeber tätig. Ausweislich eines als „Bescheinigung“ bezeichneten Schreibens der Arbeitgeberin vom 23.12.2015 war der Steuerpflichtige im Streitjahr keiner ersten Tätigkeitsstätte i. S. d. § 9 Abs. 4 EStG zugeordnet.

Streitig war nun, ob der Steuerpflichtige seine Fahrtkosten zur Baustelle nach Reisekostengrundsätzen geltend machen kann. Das FA lehnte dies ab, indem es die Baustelle als erste Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen ansah.

Entscheidung

Dies sah das FG jedoch anders und gab der Klage insoweit statt. Eine erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, die dem Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist (§ 9 Abs. 4 Satz 1 EStG).

Eine Zuordnung in diesem Sinne wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt (§ 9 Abs. 4 Satz 2 EStG).

Von einer dauerhaften Zuordnung ist dabei insbesondere dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll (§ 9 Abs. 4 Satz 3 EStG).

Ausgehend von diesem gesetzlichen Rahmen hängt das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte von der dauerhaften Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten ab. Diese Zuordnung kann sich nach § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG zuvorderst aus etwaigen dienst- oder arbeitsvertraglichen Bestimmungen ergeben. Fehlen solche Bestimmungen oder sind sie nicht eindeutig, bestimmt sich die erste Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG. Auf die dort genannten quantitativen Kriterien kommt es insbesondere dann an, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich auf eine Zuordnung verzichtet hat oder ausdrücklich erklärt, dass einer organisatorischen Zuordnung keine steuerliche Bedeutung zukommen soll.

Im Streitfall konnte allenfalls die von der Arbeitgeberin betriebene Baustelle die Voraussetzungen einer ersten Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen erfüllen. Ob es sich hierbei überhaupt um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung i. S. d. § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG handelt, konnte das FG offenlassen, da der Steuerpflichtige dieser Einrichtung im Streitjahr jedenfalls nicht dauerhaft zugeordnet war.

Für die Beurteilung, ob eine dauerhafte Zuordnung vorliegt, ist eine auf die Zukunft gerichtete Prognose (ex-ante-Betrachtung) maßgebend. Aus den Ausführungen der Arbeitgeberin ergibt sich, dass der Steuerpflichtige arbeitsvertraglich nicht über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten oder unbefristet für die Dauer seines Dienstverhältnisses dieser betrieblichen Einrichtung zugeordnet war. Vielmehr werden die Arbeitnehmer (Monteure) nach den Ausführungen der Arbeitgeberin je nach Auftragslage und Bedarf grundsätzlich auf unterschiedlichen Montagebaustellen eingesetzt. Maßgeblich für die konkrete Einsatzplanung sollen insbesondere auch die Terminvorgaben der jeweiligen Auftraggeber sein.

Eine erste Tätigkeitsstätte könnte demzufolge lediglich dann angenommen werden, wenn sich aus anderen objektiven Umständen des Streitfalles die Prognose ableiten ließe, dass der Steuerpflichtige auf dem Betriebsgelände des Auftraggebers über einen Zeitraum von grundsätzlich mehr als 48 Monaten bzw. für die Dauer seines Dienstverhältnisses tätig werden sollte.

Beachten Sie | In der Nachbetrachtung war er zwar über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten – nämlich von 2010 bis Ende 2017 – ununterbrochen auf dem Betriebsgelände eingesetzt. Diese Einsatzzeit ließ sich allerdings weder zu Beginn des Ersteinsatzes noch zu Beginn der Folgeeinsätze des Steuerpflichtigen auf dem Betriebsgelände prognostizieren.

Fundstelle
FG Münster 23.9.19, 1 K 447/16 E,rkr