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In einem Bund-Länder-Beschluss vom 19.1.2021 wurde zur Stimulierung der Wirtschaft und zur Förderung der Digitalisierung angekündigt, dass für digitale Wirtschaftsgüter eine einjährige Nutzungsdauer gelten soll. In einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums wurde diese Änderung nun umgesetzt. Liest man zwischen den Zeilen, ergeben sich steuerlich höchst interessante Gestaltungsmöglichkeiten.

Grundsätze zur neuen Nutzungsdauer von Computerhardware und Software

Die Änderung der Nutzungsdauer für Computerhardware einschließlich der dazu gehörenden Peripherie-Geräte sowie für die Dateneingabe und Datenverarbeitung erforderliche Betriebs- und Anwendersoftware begründet das Bundesfinanzministerium mit dem raschen technischen Fortschritt und mit der Tatsache, dass die Abschreibungstabellen seit rund 20 Jahren nicht aktualisiert wurden (BMF 26.2.21, IV C 3 – S 2190/21/10002:013).

Auf Bund-Länder-Ebene wurde deshalb für die nach § 7 Abs. 1 EStG anzuwendende Nutzungsdauer für Computerhardware sowie für Betriebs- und Anwendersoftware eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt (BMF 26.2.21, Rz. 1).

Was versteht man unter Computerhardware?

Welche Wirtschaftsgüter im Rahmen dieser Neuregelung als Computerhardware zu qualifizieren sind, kann den ausführlichen Definitionen der Randziffern 2 und 3 des BMF-Schreibens vom 26.2.2021 entnommen werden. Danach gelten vor allem folgende Wirtschaftsgüter als Computerhardware, für die eine einjährige Nutzungsdauer gilt:

1. Computer
2. Desktop-Computer
3. Notebook-Computer (z. B. Tablet-Computer, Slate-Computer, mobiler Thin-Client)
4. Desktop-Thin-Client
5. Stationäre Workstation
6. Mobile Workstation
7. Small-Scale-Server
8. Dockingstation
9. Externes Netzteil
10. Peripherie-Geräte (z. B. Tastatur, Maus, Scanner, Festplatte, Beamer, Monitor, Drucker)

Praxistipp | Für die in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Wirtschaftsgüter ist für die Einstufung als Computerhardware Voraussetzung, dass nach einer Verordnung der EU-Kommission eine Kennzeichnungspflicht des Herstellers besteht, wonach die Produktart in den technischen Unterlagen anzugeben ist. Die Aufzählung der Computerhardware für die Nummern 1 bis 7 ist danach abschließend (BMF 26.2.21, Rz. 4). Die Aufzählung der Peripheriegeräte ist dagegen nicht abschließend.

Was versteht man unter Betriebs- und Anwendersoftware?

Für Software gilt die neue einjährige Nutzungsdauer immer dann, wenn es sich bei der Software um eine Betriebs- und Anwendersoftware zur Dateneingabe und zur Datenverarbeitung handelt. Dazu rechnen auch die nicht technisch physikalischen Anwendungsprogramme des Systems zur Datenverarbeitung sowie neben Standardanwendungen auch auf den individuellen Nutzer abgestimmte Anwendungen wie ERP-Software, Software für Warenwirtschaftssysteme oder sonstige Anwendungssoftware zur Unternehmensverwaltung oder Prozesssteuerung (BMF 26.2.21, Rz. 5).

Ab welchem Zeitpunkt gilt die neue einjährige Nutzungsdauer?

Diese neue einjährige Nutzungsdauer für Computerhardware und für Betriebs- und Anwendersoftware findet erstmals Anwendung in Gewinnermittlungen für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2020 enden. Das bedeutet im Klartext: Bei Anschaffung und Herstellung solcher begünstigter Wirtschaftsgüter ab dem 1.1.2021 kann die einjährige Nutzungsdauer zugrunde gelegt werden.

Beachten Sie | Die Grundsätze zur einjährigen Nutzungsdauer können jedoch auch auf den Restbuchwert von Computerhardware und Software angewandt werden, die vor dem 1.1.2021 erworben und für die eine Nutzungsdauer von mehr als einem Jahr angesetzt wurde. Der Restbuchwert kann unabhängig von seiner Höhe im Jahr 2021 in voller Höhe abgeschrieben werden (BMF 26.2.21, Rz. 6, Satz 2).

Beispiele

1. Ein Unternehmen erwirbt für seine Mitarbeiter, die wegen Corona im Homeoffice arbeiten sollen, im April 2021 30 Laptops mit Software, 30 Drucker und Scanner und wendet dafür netto 35.000 EUR auf. Folge: Da für diese Wirtschaftsgüter seit 1.1.2021 eine einjährige Nutzungsdauer gilt, dürfen unabhängig von der Höhe der Aufwendungen die kompletten Anschaffungskosten von 35.000 EUR im Jahr 2021 vom Gewinn abgezogen werden.

2. Ein Unternehmen erwarb im Jahr 2020 Computerhardware und Software und ermittelte die Abschreibung nach der im Jahr 2020 gültigen dreijährigen Nutzungsdauer. Zum 31.12.2020 hatten diese Wirtschaftsgüter noch einen Restbuchwert von 30.000 EUR. Folge: Da seit 1.1.2021 für die in 2020 angeschafften Wirtschaftsgüter die einjährige Nutzungsdauer gilt, darf der Restbuchwert i. H. v. 30.000 EUR gewinnmindernd in 2021 abgeschrieben ­werden.

Gilt die einjährige Nutzungsdauer nur bei der Gewinnermittlung?

Die einjährige Nutzungsdauer bei Kauf oder Herstellung von Computerhardware und Software greift nicht nur bei der Gewinnermittlung. Die Grundsätze gelten ab dem Veranlagungszeitraum 2021 auch für Wirtschaftsgüter des Privatvermögens, die zur Einkünfteerzielung verwendet werden (BMF 26.2.21, Rz. 7).

Das bedeutet im Klartext: Erwirbt ein Arbeitnehmer ab 1.1.2021 einen Laptop aus beruflichen Gründen, kann er die Aufwendungen für dieses berufliche Arbeitsmittel im Jahr 2021 in voller Höhe als Werbungskosten geltend machen. Hat er das berufliche Arbeitsmittel bereits 2020 gekauft, kann er den noch vorhandenen Restwert 2021 in voller Höhe als Werbungskosten geltend machen.

Praxistipp | Denkbar ist auch, dass ein Vermieter sich einen PC und eine Software für die Erfassung seiner Mieteinnahmen und Aufwendungen im Zusammenhang mit der Vermietung in 2021 kauft. Auch in diesem Fall kann er die Aufwendungen in 2021 in voller Höhe als Werbungskosten berücksichtigen.

Einjährige Nutzungsdauer bei Restbuchwert kein Muss: Steuerzahler haben ein Wahlrecht

Hat ein Steuerzahler in den Vorjahren begünstigte Computerhardware oder begünstigte Software erworben und dabei eine Nutzungsdauer von mehr als einem Jahr bei Ermittlung der Abschreibung zugrunde gelegt, hat er ein Wahlrecht. Er „kann“ den Restbuchwert der begünstigten Wirtschaftsgüter zum 31.12.2020 im Jahr 2021 in voller Höhe steuerlich geltend machen. Er muss es aber nicht. Er kann die bisher gewählte Nutzungs­dauer auch beibehalten, wenn das für seine individuelle steuerliche Zielsetzung vorteilhafter ist.

Praxistipp  |  Das Wahlrecht – Sofortabzug des gesamten Restbuchwerts oder weiterhin reguläre Abschreibung über mehrere Jahre – kann der Steuerzahler für jedes einzelne Wirtschaftsgut separat entscheiden. Im BMF-Schreiben v. 26.2.2021 findet sich kein Hinweis, dass dieses Wahlrecht einheitlich ausgeübt werden muss.

Keine Gleichstellung von Computerhardware und Software mit geringwertigen Wirtschaftsgütern

Die einjährige Nutzungsdauer und der Sofortabzug für geringwertige Wirtschaftsgüter führen zwar zum selben Ergebnis, nämlich dass die Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten im Jahr der Anschaffung bzw. Herstellung komplett steuerlich als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend gemacht werden können. Doch die einjährige Nutzungsdauer bedeutet in keiner Weise eine Gleichstellung mit den Regelungen zum Sofortabzug nach § 6 Abs. 2a EStG. Das bedeutet insbesondere Folgendes:

* Keine selbstständige Nutzungsfähigkeit: Die neue einjährige Nutzungsdauer kann auch für Computerhardware geltend gemacht werden, die nicht selbstständig nutzungsfähig sind.

Beispiel

Ein Unternehmer erwirbt 2021 einen Drucker für netto 700 EUR. Da dieser Drucker nicht selbstständig nutzungsfähig ist (funktioniert ohne PC nicht), kommt keine Abschreibung als GWG in Betracht. Er kann die Aufwendungen jedoch aufgrund der einjährigen Nutzungsdauer nach § 7 Abs. 1 EStG im Jahr 2021 in voller Höhe abschreiben.

* Erfassung in Verzeichnis: Die Erleichterungen bzgl. der Erfassung von GWG im Anlageverzeichnis greifen bei Inanspruchnahme der einjährigen Nutzungsdauer nicht.

* Höhe der Anschaffungskosten: Die neue einjährige Abschreibung kommt unabhängig von der Höhe der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zur Anwendung.

Praxistipp | Für Unternehmer empfiehlt es sich aufgrund dieser Unterschiede, gezielt die verschiedenen Buchungskonten „GWG“ oder „Abschreibung von Computerhardware oder Software auf ein Jahr“ auszuwählen. Eine Vermischung der Buchungen könnte zur Vernachlässigung von Buchhaltungspflichten und somit zu Beanstandungen der Buchführung in Bezug auf die Ordnungsmäßigkeit durch das Finanzamt führen.

Weitere Überlegungen zur neuen einjährigen Nutzungsdauer

Aufgrund der neuen einjährigen Nutzungsdauer für Computerhardware und für Betriebs- und Anwendersoftware, ergeben sich weitere steuerliche Überlegungen.

* Restwertabschreibung auf ein Jahr auch bei Sammelpostenbuchung in den Vorjahren?

Nach dem Wortlaut von Satz 2 in Randziffer 6 des BMF-Schreibens vom 26.2.2021 müsste auch der Restbuchwert für begünstigte Wirtschaftsgüter im Jahr 2021 in voller Höhe abgeschrieben werden dürfen, wenn ein Unternehmer sich in den Vorjahren für die 5-jährige Sammelpostenabschreibung im Sinn des § 6 Abs. 2a EStG entschieden hat. Denn die vollständige Restbuchwertabschreibung im Jahr 2021 ist immer dann erlaubt, wenn Computerhardware oder Software in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren angeschafft oder hergestellt wurde und bei denen „eine andere als die einjährige Nutzungsdauer zugrunde gelegt wurde“. Da bei der Sammelpostenabschreibung eine fünfjährige Nutzungsdauer zugrunde gelegt wurde, winkt der Sofortabzug des Restbuchwerts im Wirtschaftsjahr 2021.

* Restbuchwertabschreibung insbesondere bei ERP-Software interessant

Für ERP-Software wurde bislang eine Nutzungsdauer von fünf Jahren unterstellt (BMF 18.11.05, IV B 2 – S 2172 – 37/05; nicht mehr anzuwenden; BMF 26.2.21, Rz. 8). Im Rahmen von Betriebsprüfungen wird häufiger sogar eine noch längere Nutzungsdauer im Rahmen eines Kompromisses angesetzt. Insbesondere bei ERP-Software, die in den vergangenen Jahren angeschafft bzw. hergestellt wurde, kann es sich bei der Suche nach möglichst hohen Betriebsausgaben 2021 lohnen, den Restbuchwert zum 31.12.2020 im Jahr 2021 in voller Höhe abzuschreiben.

* Umsetzung der Neuregelung auch im Handelsrecht?

In der nahen Zukunft dürfte die Klärung der Frage durch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) im Vordergrund stehen, ob diese einjährige Nutzungsdauer für Computerhardware und Software auch für die handelsrechtliche Gewinnermittlung bzw. bei der Gewinnermittlung nach IFRS oder nach US-GAAP übernommen wird. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Fundstelle
BMF 26.2.21, IV C 3 – S 2190/21/10002 :013