In für VERMIETER, Steuer-Tipps für ALLE

Geht es um die Auslegung gesetzlicher Vorschriften, nimmt es die Finanzverwaltung meist sehr genau mit dem gesetzlichen Wortlaut. Das führt im Umkehrschluss jedoch dazu, dass Sie auch für Ihre Mandanten auf den unmissverständlichen Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung beharren sollten. Ein aktueller Beschluss des BFH bestätigt diese Auffassung und eröffnet dadurch im Bereich anschaffungsnaher Herstellungskosten i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG interessanten Gestaltungsspielraum. |

Grundsätze zur Regelung der anschaffungsnahen Herstellungskosten

Erwirbt ein Mandant eine Immobilie, die er vermieten möchte, prüft das Finanzamt in den ersten drei Jahren nach dem Kauf, wie hoch die Aufwendungen für Instandhaltungs- und Modernisierungsarbeiten sind. Denn überschreiten diese Aufwendungen in diesem Dreijahreszeitraum ohne Umsatzsteuer 15 % der auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten, dürfen die Instandhaltungs- und Modernisierungskosten nicht als sofort abziehbare Werbungskosten behandelt werden. Es liegen vielmehr anschaffungsnahe Herstellungskosten vor, die sich nur im Rahmen der Gebäudeabschreibung steuerlich auswirken (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG).

Praxistipp | In der Praxis stellte sich hier bislang die Frage, ob auch Instandhaltungs- und Modernisierungskosten in die Bemessungsgrundlage zur Prüfung der 15 %-Grenze einbezogen werden dürfen, die „vor“ Anschaffung der Immobilie entstanden sind.

BFH aktuell: Keine anschaffungsnahen Herstellungskosten bei Aufwendungen „vor“ Anschaffung

Diese Praxisfrage ist nun geklärt. Nach einem Beschluss des BFH stellen Instandhaltungs- und Modernisierungskosten, die „vor“ Anschaffung einer Immobilie angefallen sind, keine Aufwendungen i. S. d. 15 %-Grenze nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG dar.

Hier handelt es sich vielmehr um vorweggenommene Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung (BFH 28.4.20, IX B 121/19).

Begründung der Richter

Der Gesetzeswortlaut der Vorschrift ist hier eindeutig. Nur Instandhaltungs- und Modernisierungskosten, die in dem Dreijahreszeitraum ab Anschaffung ohne Umsatzsteuer mehr als 15 % der Gebäudeanschaffungskosten anfallen, können anschaffungsnahe Herstellungskosten sein, nicht dagegen Aufwendungen „vor“ der Anschaffung.

Darum ging es in dem Streitfall

Ein Ehepaar unterzeichnete einen Notarvertrag über den Kauf eines Mehrfamilienhauses. Übergang von Nutzen und Lasten war der Januar 2013. Nach Abschluss des Notarvertrags vereinbarten Verkäufer und Käufer, dass der Käufer bereits vor Übergang von Nutzen und Lasten Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen vornehmen darf. Das Finanzamt bezog diese Aufwendungen vor der eigentlichen Anschaffung bei Prüfung der 15 %-Grenze mit ein und kam dadurch zu anschaffungsnahen Herstellungskosten.

Die Richter des BFH kippten diese fiskalische Auffassung.

Beispiel

Ein Mandant erwirbt eine Immobilie, die vermietet werden soll. Inklusive Nebenkosten hat er Anschaffungskosten von 270.000 EUR (davon Anschaffungskosten Gebäude: 150.000 EUR). Vor Übergang von Nutzen und Lasten fallen dem Käufer bereits Instandhaltungs- und Renovierungskosten i. H. v. 67.000 EUR an. In dem Dreijahreszeitraum nach Anschaffung fallen weitere Modernisierungskosten i. H. v. 50.000 EUR an.

Folge

Nach dem Beschluss des BFH darf der Käufer die „vor“ Anschaffung angefallenen Kosten als vorweggenommene Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung in der Anlage V zur Einkommensteuererklärung geltend machen. Da die Modernisierungskosten im Dreijahreszeitraum nach Anschaffung mehr als 15 % der Anschaffungskosten (50.000 EUR) des Gebäudes betragen, liegen insoweit anschaffungsnahe Herstellungskosten vor, die nur im Rahmen der Gebäudeabschreibung als Werbungskosten geltend gemacht werden dürfen.

Nichtzulassungsbeschwerde des Finanzamts zurückgewiesen

Mit dem nicht zur Veröffentlichung bestimmten Beschluss des BFH vom 28.4.2020 hat der BFH die Nichtzulassungsbeschwerde des Finanzamts gegen das nicht veröffentlichte Urteil des FG Rheinland-Pfalz v. 13.11.2019 (2 K 2304/17) zurückgewiesen.

Signalwirkung des sehr knapp gehaltenen Beschlusses: Der Gesetzeswortlaut ist unmissverständlich und kann von den Finanzämtern für vor der Anschaffung einer Immobilie angefallene Modernisierungskosten nicht ausgeweitet werden.

Denkbare Reaktionen der Sachbearbeiter bzw. Prüfer der Finanzämter

Die Sachbearbeiter und Prüfer der Finanzämter dürften aufgrund dieses eindeutigen Beschlusses des BFH nach neuen Argumenten suchen, um vor dem Kauf angefallene Werbungskosten als Herstellungskosten zu qualifizieren und diese nur im Rahmen der Gebäudeabschreibung zum Abzug zuzulassen. Denkbar sind folgende Ansätze.

Keine fiktiven Herstellungskosten, sondern originäre Herstellungskosten

Wenn Modernisierungs- und Instandhaltungskosten nicht in die 15 %-Grenze einbezogen werden dürfen, könnte das Finanzamt nach Indizien suchen, dass keine fiktiven, sondern originäre Herstellungskosten vorliegen. Das wäre der Fall, wenn durch die Maßnahmen ein neues Wirtschaftsgut entsteht (z. B. aus einer Wohnung werden zwei Wohnungen; erstmalige Errichtung eines Treppenhauses).

Gestaltungstipp | Es sollte bei vor der Anschaffung des Gebäudes entstandenen Aufwendungen darauf geachtet werden, dass keine Indizien dafür vorliegen, dass aktivierungspflichtige Herstellungskosten vorliegen.

Abschluss der Instandhaltungs- und Modernisierungsarbeiten nach Anschaffung

Ein Argument für die Einbeziehung vor der Anschaffung angefallener Kosten in die 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG könnte sein, dass die Instandhaltungs- und Modernisierungsarbeiten erst nach Übergang von Nutzen und Lasten abgeschlossen werden.

Gestaltungstipp | Um hier Problemen mit dem Finanzamt aus dem Weg zu gehen, sollte darauf geachtet werden, dass die Abnahme der Bauarbeiten unbedingt vor Übergang von Nutzen und Lasten erfolgt. Auf den Zeitpunkt der Rechnungsstellung und auf den Zahlungszeitpunkt kommt es dagegen nicht an.

Fundstelle
BFH 28.4.20, IX B 121/19