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Erfolgt bei einem Buchhaltungssystem automatisch die fortlaufende Nummerierung von Rechnungen und ist hierbei die Löschung bzw. Änderung einzelner Rechnungen ohne Dokumentation möglich, rechtfertigt dies allein noch keine Hinzuschätzung nach § 162 AO. Die für Kassensysteme entwickelten Grundsätze sind insoweit nicht übertragbar.

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige ist selbstständiger Servicetechniker, der bis Ende 2004 seinen Gewinn durch Überschussrechnung ermittelte. Für das Jahr 2004 ergab sich aufgrund der Jahresanmeldung eine festzusetzende USt.

Bei der Außenprüfung u. a. für 2004 stellte der Prüfer fest, dass für Rechnungsschreiben die Software „Verwaltungsscout-Business Edition“ der Firma Scoutsystems Software als Datenverarbeitungssystem eingesetzt wurde, bei der laut Programmbeschreibung eine automatisch fortlaufende Nummerierung der erstellten Rechnungen erfolge, jedoch die Löschung einzelner Rechnungen ohne Dokumentation durch die Software möglich sei.

Der Prüfer stellte fest, dass bei zwei Rechnungen keine Erlöse verbucht wurden. Eine weitere Rechnungsnummer sei doppelt vergeben worden und händisch in eine weitere Rechnungsnummer geändert worden. Hieraus leitete der Prüfer einen erheblichen formellen Mangel der Aufzeichnungen ab, da eine „Unverlierbarkeit“ der Rechnungen bzw. Daten durch die eingesetzte Software nicht gewährleistet sei. Zur Absicherung des Risikos, das durch den dargelegten Buchführungsmangel entstanden sei, erhöhte er den Umsatz 2004 im Schätzungswege um einen Sicherheitszuschlag von 1.200 EUR.

Überdies stellte der Prüfer fest, dass für einen in 2001 eingelegten Pkw Ende Dezember 2004 eine Entnahme des Pkw mit einem Wert von 500 EUR gebucht wurde, da der Pkw anschließend zu diesem Preis aus dem Privatvermögen veräußert wurde. Da weder ein Kaufvertrag vorlag noch der Käufer bekannt war und die Entnahme nicht zeitnah im Dezember 2004 gebucht wurde, sei – so der Prüfer – eine Veräußerung aus dem Betriebsvermögen anzunehmen. Der Entnahmewert sei mit 2.500 EUR zu schätzen. Diesen Feststellungen folgend erhöhte das FA im geänderten USt-Bescheid 2004 die steuerpflichtigen Umsätze um 3.200 EUR.

Entscheidungsgründe

Das FG gab der Klage hinsichtlich des Sicherheitszuschlags statt, wies die Klage aber hinsichtlich der Schätzung des Pkw-Entnahmewerts zurück.

Schätzungsbefugnis für pauschalen Zuschlag fehlt

Eine Schätzung ist nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO insbesondere dann zulässig, wenn u. a. die Aufzeichnungen mangelhaft sind und daher der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können. Die Feststellungslast für das Vorliegen solcher Mängel obliegt dem Finanzamt.

Da konkrete Mängel in den Aufzeichnungen nicht vorlagen, konnte allein der Umstand, dass die eingesetzte Software – ähnlich wie bei mit MS Word bzw. MS Excel geschriebenen Rechnungen – die Löschung bzw. Änderung einzelner Rechnungen ohne Dokumentation ermöglichte, nicht zur Bejahung eines hinreichenden formellen Mangels in den Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen führen. Eine Schätzung wegen solcher Mängel ist nur zulässig, wenn diese Mängel wesentlich sind und daher die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses infrage stellen. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall.

Formelle Mängel bei Überschussrechnung

Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ergeben sich Aufzeichnungspflichten aus § 22 UStG i. . . §§ 140 ff. AO. Hiernach sind die Buchungen der vereinbarten Entgelte einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen und dürfen nicht derart verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist.

Diese Aufzeichnungen wurden durch den Steuerberater des Steuerpflichtigen mit DATEV zeitnah gefertigt. Der vom Prüfer festgestellte vermeintliche Mangel betraf demgegenüber ausschließlich die Belege, d. h. die Grundlagen für die Aufzeichnungen. Somit lagen keine formellen Mängel vor.

Grundsätze für Kassensystem nicht übertragbar

Die Grundsätze, die für Kassensysteme entwickelt worden sind, sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Da der Kläger seine Leistungen zeitnah ausschließlich unbar per Rechnungen abrechnete, lag die bei Bargeschäften ohne Quittungsbelege gegebene Manipulationsanfälligkeit nicht vor.

Aufgrund der vorliegenden Zeitaufstellungen war es auch praktisch unmöglich, dass der Kläger zeitlich in der Lage war, pro Quartal weitere Leistungen für 300 EUR zu erbringen.

Anhaltspunkte für nicht dokumentierte Manipulationen beim Schreiben der Rechnungen bestanden nicht. Er hatte die Rechnungen elektronisch abgespeichert und doppelt für den Auftraggeber und für seine Unterlagen ausgedruckt und abgelegt und dann seinem Steuerberater übergeben. Dieser hatte sie monatlich und damit zeitnah zur USt vorangemeldet.

Programm für die Erstellung von Rechnungen ist kein Datenverarbeitungssystem

Die vom Steuerpflichtigen verwendete Software „Verwaltungsscout-Business Edition – Rechnung und Buchhaltung“ kann nicht anders behandelt werden, als wenn die Rechnungen mit MS Word bzw. MS Excel geschrieben worden wären. Bei beiden Programmen handelt es sich um Computersoftware, die für das Schreiben von (Ausgangs-)Rechnungen eingesetzt werden. Auch MS Word und MS Excel ermöglichen das Erstellen einer Vorlage, die dann lediglich um die Daten des konkreten Einzelfalls ergänzt werden muss. Alle drei Programme ermöglichen das Löschen bzw. Ändern einzelner Rechnungen, ohne dies zu dokumentieren. Der Behandlung des vom Kläger verwendeten Programms als Datenverarbeitungssystem (BMF 14.11.14, BStBl I 14, 1450), das dem Grundsatz der Unveränderbarkeit entsprechen muss, war daher nicht zu folgen.

Entnahmewert des Pkw ist zu schätzen

Der Pkw war durch Veräußerung aus dem Betriebsvermögen entnommen worden. Aufgrund des fehlenden Nachweises zum Veräußerungsvorgang und Angaben zum Erwerber war der Beklagte berechtigt, den Veräußerungspreis nach § 162 AO zu schätzen. Der vom FA mit 2.500 EUR brutto geschätzte Wert lag genau zwischen dem stichtagsbezogenen Händlerverkaufspreis (3.100 EUR) und dem Händlereinkaufspreis (1.800 EUR) für diesen Pkw. Der Händlereinkaufspreis ist nicht als zutreffender Maximalwert anzusehen, sondern bildet nur die untere Wertgrenze. Das FA hatte bei der Schätzung bereits die wertmindernden Faktoren berücksichtigt.

Fazit | a Programme für die Erstellung von Rechnungen mit einem normalen Computer-Schreibprogramm (Word oder Exel) vergleichbar sind, sind sie entgegen der Verwaltungsauffassung nicht als Datenverarbeitungsprogramme zu behandeln, sodass kein formeller Buchführungsfehler vorliegt, wenn bei deren Anwendung Rechnungsbuchungen auch ohne dazugehörige Dokumentation gelöscht oder geändert werden können. Das Urteil ist rechtskräftig. Bei Hinzuschätzungen in solchen Fällen sollte eine Steuerfestsetzung durch Einspruch unter Berufung auf das Urteil des Niedersächsischen FG angefochten werden.

fundstelle
Niedersächsisches FG 3.6.21, 11 K 87/20