Der BFH hat entscheiden, dass die Mitteilung über eine ergebnislose Außenprüfung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO kein anfechtbarer Verwaltungsakt ist, obgleich sie die Änderungssperre gem. § 173 Abs. 2 Satz 2 AO auslöst. Somit können der Eintritt der Änderungssperre und der Ausschluss einer Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht mit einem Rechtsbehelf gegen diese Mitteilung verhindert werden.
Ausgangsfall
Der Kläger betrieb bis zum Jahr 2009 ein Einzelunternehmen, sodann gründete er zusammen mit A die AB-GbR. Für die Jahre 2010 und 2011 wurden Bescheide über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung der AB-GbR antragsgemäß erlassen, Rechtsbehelfe wurden hiergegen nicht eingelegt. Im Zuge seiner Einkommensteuererklärung 2010 und 2011 machte der Kläger noch Aufwendungen im Zusammenhang mit seinem Einzelunternehmen geltend. Diese Einkommensteuerbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, da strittig war, ob diese Aufwendungen nicht im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der AB-GbR stehen.
Bei der AB-GbR wurde sodann eine Außenprüfung für die Gewinnfeststellung 2010 bis 2012 durchgeführt. Mit Schreiben vom 19.5.2015 wurde der AB-GbR vom FA mitgeteilt, dass diese Außenprüfung ohne Änderung der Besteuerungsgrundlagen beendet sei. Parallel hierzu wurde die Einkommensteuer 2010 bis 2012 des Klägers geprüft, wobei das FA dabei zum Ergebnis gelangte, dass die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen im Zusammenhang mit seinem Einzelunternehmen tatsächlich Sonderbetriebsausgaben bei der AB-GbR darstellten, die Einkommensteuerbescheide wurden entsprechend nach § 164 Abs. 2 AO geändert.
Mit Schreiben vom 29.7.2015 beantragte die AB-GbR, dass die Gewinnfeststellungbescheide 2010 und 2011 derart geändert werden, dass diese Sonderbetriebsausgaben des Klägers berücksichtigt werden. Hierin sieht der Kläger eine Anfechtung der Mitteilung gem. § 202 Abs. 1 Satz 3 AO v. 19.5.15.
Diese Änderung wurde vom FA wie im ersten Rechtszug vom Niedersächsischen FG abgelehnt, woraufhin der BFH jedoch zum Ergebnis gelangte, dass ein grobes Verschulden des Klägers i. S. v. § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO unbeachtlich sei wegen sich aus seinen Einkommensteuerbescheiden 2010 und 2011 ergebenden gegenläufigen, steuererhöhenden Einkünften betreffend die begehrte Korrektur der Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO). Die Sache wurde zur anderweitigen Verhandlung zurückverwiesen (BFH 10.9.20, IV R 6/18, BStBl II 21, 197).
Im zweiten Rechtsgang kam das FG Niedersachsen dazu, dass der Änderung die Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO entgegenstünde (17.5.22, 13 K 254/20, EFG 22, 1661).
Entscheidung des BFH
Ausgehend von der bindend vom BFH im ersten Rechtszug vorgenommenen Würdigung, dass einer Änderung ein Verschulden des Klägers nach § 181 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 173 Abs. 2 Nr. 2 AO nicht entgegensteht, gelangt der BFH wie die Vorinstanz dazu, dass eine Änderung an § 173 Abs. 2 AO scheitert.
Anwendungsbereich von § 173 Abs. 2 AO
Dabei greift die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO hinsichtlich Änderungen nach § 173 Abs. 1 AO, nicht aber in Bezug auf andere Korrekturvorschriften wie § 164 Abs. 2 AO (BFH 25.11.15, I R 50/14, BStBl II 17, 247).
Zielsetzung von § 173 Abs. 2 AO
§ 173 Abs. 2 AO, der auch auf Gewinnfeststellungen Anwendung findet, dient mit seiner verstärkten Bestandskraft dem Rechtsfrieden, was gerechtfertigt ist, da hier umfassende Ermittlungen durch eine Außenprüfung vorangegangen sind. Dies gilt sowohl zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen (BFH 11.12.97, V R 56/94, BStBl II 98, 367).
Anfechtungsmöglichkeit
Grundsätzlich ist die in einem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§§ 179, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO) enthaltene Feststellung eines Sonderbetriebsgewinns selbstständig anfechtbar (BFH 23.3.23, IV R 8/20 [IV R 7/17], BFH/NV 23, 819).
Bei der nach § 173 Abs. 2 Satz 2 AO die Änderungssperre auslösenden Mitteilung i. S. v. § 202 Abs. 1 Satz 3 AO handelt es sich jedoch nicht um einen anfechtbaren Verwaltungsakt mit der Folge, dass solchermaßen der Wegfall der Änderungssperre zu bewerkstelligen wäre. Vielmehr liegt mangels Herbeiführung einer Rechtsfolge nach § 118 Satz 1 AO ein Realakt vor (anders jedoch überwiegend die Literatur vgl. z. B. Intemann in: Koenig, AO Komm., 5. Aufl. 24, § 202, Rn. 17).
Die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO hat nämlich lediglich Dokumentations- und Protokollfunktion, als nur Auskunft über das tatsächliche Prüfungsergebnis gegeben wird. Die in § 173 Abs. 2 AO, § 164 Abs. 3 Satz 3 AO (Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung) und § 171 Abs. 4 Satz 1 AO (Beendigung Ablaufhemmung) bestimmten durch die Mitteilung ausgelösten Rechtsfolgen ergeben sich aus dem Gesetz selbst und nicht durch eine regelnde Anordnung in der Mitteilung (BFH 29.4.87, I R 118/83, BStBl II 88, 168).
Kein Verstoß gegen Verfassungsrecht
Hierin liegt auch kein Verstoß gegen das durch Art 19 Abs. 4 Satz 1 GG verbürgte Gebot effektiven Rechtsschutzes, denn der Gesetzgeber ist befugt, einen Ausgleich zwischen Rechtsfrieden, Rechtssicherheit, Gerechtigkeit und Gesetzmäßigkeit zu schaffen, wenn es um die Änderbarkeit rechtswidriger Verwaltungsakte geht, die in formelle Bestandskraft erwachsen sind.
Somit ist es nicht zu beanstanden, wenn sich nach Durchführung einer Außenprüfung mit der eingehenden Möglichkeit unter Mitwirkung des Steuerpflichtigen zugunsten wie zuungunsten den Sachverhalt zu klären, vom Gesetzgeber für die Rechtssicherheit und Rechtsfrieden entschieden wird. Dabei ist auch zu beachten, dass sich durch die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO nicht (rechtzeitige) Anträge des Steuerpflichtigen während der Außenprüfung auf Erlass oder Änderung von Verwaltungsakten erledigen (vgl. § 171 Abs. 3 AO).
Der Kläger hat es aber unterlassen, gegen die Gewinnfeststellungsbescheide rechtzeitig Einspruch einzulegen oder während der Außenprüfung Änderungsanträge zu stellen, obgleich sich bereits bei seiner Einkommensteuerveranlagung 2010 und 2011 das Problem des Vorliegens von Sonderbetriebsausgaben aufgetan hatte.
Schreiben vom 29.7.2015 ist kein die Änderungssperre beseitigender Einspruch
Das Schreiben der AB-GbR v. 29.7.2015 auf Berücksichtigung der Sonderbetriebsausgaben bei den Gewinnfeststellungsbescheiden 2010 und 2011 geht somit ins Leere, da bereits mit Schreiben vom 19.5.2015 die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO erfolgte und somit die Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO griff. Dieses Schreiben stellt auch keinen Einspruch gegen diese Mitteilung dar, weil diese eben kein Verwaltungsakt ist.
Fazit | Der BFH hat sich hier explizit unter Bestätigung seiner älteren Rechtsprechung insofern gegen die h. M. gestellt, dass er der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO die Rechtsqualität eines Verwaltungsakts i. S. v. § 118 AO abspricht und somit eine bisher strittige Frage geklärt (vgl. Maetz in: Klein, AO Komm, 18. Aufl. 24, § 202, Rn. 9). Damit einhergehend ist die Folge der durch eine solche Mitteilung ausgelösten Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO nicht mit einem Rechtsbehelf zu beseitigen.
Im konkreten Fall hatte der Kläger es versäumt, sich gegen die ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheide die GbR betreffend rechtzeitig zur Wehr zu setzen und in diesem Verfahren seine Sonderbetriebsausgaben geltend zu machen (Bode, NWB VAAAJ-91355).
Daraus ergibt sich auch, worauf der BFH in der Besprechungsentscheidung dezidiert hinweist, dass in Fällen, in welchen eine Außenprüfung mit einer Mitteilung gemäß § 202 Abs. 1 Satz 3 AO zu Ende zu gehen droht, rechtzeitig entsprechende Anträge zu stellen sind. Ein Zuwarten ist somit fatal.
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