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von Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg

Am 21.5.25 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein Omnibus IV–Paket auf den Weg gebracht – den jüngsten Vorschlag der EU-Kommission zum Bürokratieabbau, zur Kostensenkung und zur Modernisierung der EU-Vorschriften im Rahmen der laufenden Bemühungen um die Vereinfachung des Binnenmarkts. Welchen Inhalt und welchen Nutzen für Unternehmen hat das Paket?

Hintergrund

Der jüngste Kompass für Wettbewerbsfähigkeit der EU-Kommission und der sog. Draghi-Bericht über die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit unterstreichen die Notwendigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand in Europa zu stärken. Dazu muss die EU sicherstellen, dass die Regulierung verhältnismäßig und die Geschäftstätigkeit unterstützt statt sie zu behindern. Die Verringerung des Verwaltungsaufwands ermöglicht es Unternehmen, zu wachsen, hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen, Investitionen anzuziehen und die für den ökologischen und digitalen Wandel erforderlichen Mittel zu sichern.

Der Schwerpunkt der EU-Binnenmarktstrategie liegt deshalb auf der Beseitigung der verbleibenden Handelshemmnisse im Binnenmarkt. Ziel ist es, den Binnenmarkt zugänglicher und wettbewerbsfähiger zu machen und gleichzeitig hohe Schutzstandards für Verbraucher und Umwelt aufrechtzuerhalten. Dies soll erreicht werden durch:

  • Senkung der Compliance-Kosten für Unternehmen

  • Verbesserung der Klarheit und Kohärenz der EU-Vorschriften und -Verordnungen

  • Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der Wachstumschancen für SMC und KMU

  • Förderung einer Kultur der Compliance und des Vertrauens zwischen Unternehmen und Verbrauchern

Im Arbeitsprogramm der EU-Kommission vom 11.2.25 wurde deshalb eine Reihe von „Omnibus“-Vorschlägen angekündigt, die auf sich überschneidende, übermäßige oder veraltete Vorschriften abzielen, die unnötigen Aufwand verursachen. Das Vereinfachungspaket umfasst eine Reihe von Gesetzgebungsbereichen, darunter Vorschriften für nachhaltige Finanzen, einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus und Investitionen. Ziel ist es, die EU-Vorschriften zu vereinfachen, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und Investitionen anzuziehen. Dabei soll der Verwaltungsaufwand bis zum Ende dieses Mandats um mindestens 25 % – und für KMU um mindestens 35 % – verringert werden.

Die Omnibus I und II-Pakete haben die Vorschriften für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Sorgfaltspflicht sowie für EU-Investitionen gestrafft und jährlich rund 6,3 Mrd. EUR an Verwaltungserleichterungen bereitgestellt. Das Anfang Mai vorgestellte Omnibus III-Paket konzentrierte sich auf die Vereinfachung der gemeinsamen Agrarpolitik mit Einsparungen von jährlich bis zu 1,58 Mrd. EUR für landwirtschaftliche Betriebe und 210 Mio. EUR für die nationalen Verwaltungen. Die Europäische Kommission schlägt jetzt mit dem Omnibus IV-Paket vor, die jährlichen Verwaltungskosten für Unternehmen um weitere 400 Mio. EUR zu senken, zusätzlich zu den durch frühere Vereinfachungsbemühungen angestrebten 8 Mrd. EUR.

Neue Definition von Small-Midcap-Unternehmen

Zentraler Bestandteil des jetzt auf den Weg gebrachten Omnibus IV-Pakets ist der Vorschlag zur Schaffung einer neuen Unternehmenskategorie, den „Small Midcaps“ (SMC), die Vereinfachungen erhalten sollen, die bisher nur für KMU galten.

Aktuell werden kleine Midcap-Unternehmen wie große Unternehmen behandelt, die genau die gleichen Compliance-Verpflichtungen erfüllen müssen. Ziel der neuen Vorschläge ist es nun, kleine Midcap-Unternehmen als separate, zwischengeschaltete Unternehmenskategorie anzuerkennen und eine Klippe bei den Compliance-Verpflichtungen zu vermeiden, wenn Unternehmen aus der KMU-Kategorie herauswachsen.

Das Ziel besteht darin, es den KMU zu ermöglichen, von einem günstigen Umfeld zu profitieren, wenn sie expandieren, und den KMU bessere Wachstumsanreize zu bieten. Schließlich soll die neue Definition für SMC den Grundstein für künftige Vorschläge legen, um eine gezielte politische Unterstützung für KMU zu ermöglichen. „Small Midcaps“ (SMC) sollen nach dem Verordnungsvorschlag Unternehmen in der EU sein, die zwischen 250 und 750 Beschäftigte haben und entweder 150 Mio. EUR Umsatz oder bis zu 129 Mio. EUR Gesamtvermögen aufweisen. Diese sollen Vereinfachungen erhalten, die bisher kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) bis 250 Mitarbeitenden vorbehalten waren. Unter die neue Kategorie „Small Midcaps“ (SMC) fallen fast 38.000 Unternehmen in der EU.

Omnibus-Verordnung ändert acht Rechtsakte

Mit der geplanten Omnibus-Verordnung (Omnibus IV) sollen Änderungen an acht Rechtsakten der EU vorgenommen werden, um Small-Midcap-Unternehmen gezielt zu entlasten. Dies sind:

  • Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – Verordnung (EU) 2016/679

  • Verordnung über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren – Verordnung (EU) 2016/1036

  • Verordnung über den Schutz gegen subventionierte Einfuhren – Verordnung (EU) 2016/1037

  • Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente – Richtlinie (EU) 2014/65

  • Prospektverordnung – Verordnung (EU) 2017/1129

  • Verordnung über Batterien – Verordnung (EU) 2023/1542

  • Richtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen – Richtlinie (EU) 2022/2557

  • Verordnung über fluorierte Treibhausgase – Verordnung (EU) 2024/573

Nutzen der Omnibus-Verordnung für Small-Midcap-Unternehmen

Bei der Vorbereitung der Omnibus IV-Verordnung hat die Kommission eine Palette von EU-Rechtsvorschriften überprüft, um sich überschneidende, aufwendige oder unverhältnismäßige Anforderungen zu ermitteln, insbesondere für KMU und kleine Unternehmen mit mittlerer Kapitalisierung (KMU). Mit der Änderung von acht Rechtsakten sollen dabei eine Reihe von spürbaren Bürokratieentlastungsmaßnahmen umgesetzt werden.

Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – Verordnung (EU) 2016/679

Die DSGVO schreibt aktuell eine Ausnahmeregelung für Unternehmen und Organisationen mit weniger als 250 Beschäftigten vor. Sie entbindet sie von der Pflicht, Aufzeichnungen über Datenverarbeitungstätigkeiten zu führen. Der Verordnungsvorschlag sieht nun vor, diese Ausnahmeregelung auf kleine Midcap-Unternehmen und Organisationen mit weniger als 750 Beschäftigten auszuweiten. Die Verpflichtung zur Führung von Aufzeichnungen soll auf Verarbeitungstätigkeiten mit hohem Risiko begrenzt werden. Kleine Midcap-Unternehmen und Organisationen mit weniger als 750 Beschäftigten müssen ihre bestehenden Aufzeichnungen über Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten nicht mehr erstellen oder aktualisieren, wenn diese Tätigkeiten voraussichtlich nicht zu einem hohen Risiko für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen führen. Die vorgeschlagenen Änderungen sollen Unternehmen dabei helfen, jährlich 66 Mio. EUR einzusparen.

Verordnung über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren – ­
Verordnung (EU) 2016/1036 und Verordnung über den Schutz gegen subventionierte Einfuhren – Verordnung (EU) 2016/1037

Diese beiden Verordnungen sind Teil des handelspolitischen Schutzsystems der EU, das der EU ermöglicht, Dumping und die Gewährung von Subventionen durch Nicht-EU-Länder zu untersuchen und zu bekämpfen und gleiche Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt wiederherzustellen. Die Verfahren im Rahmen dieser Verordnungen sollen vereinfacht werden durch

  • Bereitstellung eines Helpdesks, der Informationen über Handelsschutz für KMU ermöglicht,

  • Bereitstellung von Daten in Untersuchungen durch Anpassung der Untersuchungszeiträume an das Geschäftsjahr der Unternehmen.

Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Richtlinie [EU] 2014/65 [„MiFiD“]) und Verordnung (EU) 2017/1129 („Prospektverordnung“)

Derzeit sind börsennotierte KMU berechtigt, einen standardisierten Kurzprospekt herauszugeben. Diese vereinfachte Form wird nun auf alle öffentlichen Angebote von Wertpapieren durch SMCs ausgeweitet.

Praxistipp

Die EU-Kommission geht davon aus, dass jedes Unternehmen, das eine vereinfachte Form eines EU-Wachstumsemissionsprospekts (anstelle eines vollständigen Prospekts) erstellt, etwa 20.000 EUR einsparen würde.

Mit den vorgeschlagenen Änderungen sollen folgende Erleichterungen umgesetzt werden

  • die Unterstützung, die KMU derzeit für den Zugang zu KMU-Wachstumsmärkten zur Verfügung steht, und

  • die Verwendung des EU-Wachstumsemissionsprospekts, einer gelockerten Form des Prospekts, für öffentliche Angebote von Wertpapieren durch SMC, einschließlich der Notierung in multilateralen Handelssystemen.

Dadurch soll die Notierung von SMC einfacher und kostengünstiger werden, wodurch Investitionen in SMC möglicherweise attraktiver werden und ihr Zugang zu Finanzmitteln erleichtert wird. Durch neue Ausnahmen von der Prospektpflicht soll sichergestellt werden, dass die Behörden Abwicklungsmaßnahmen in einer Banken- oder Versicherungskrise rasch umsetzen können. Sie sollen dazu beitragen, die Abwicklung ausfallender Banken und Versicherer zu beschleunigen, die kritischen Dienstleistungen, die diese Unternehmen anbieten, zu erhalten und sicherstellen, dass SMCs in ihrer Eigenschaft als Kunden weiterhin von diesen Dienstleistungen profitieren können.

Praxistipp

Die geschätzten maximalen Kosteneinsparungen für SMC würden sich auf insgesamt 12.700.000 EUR belaufen (gemeinsame Kosteneinsparungen aufgrund von Änderungen der MiFID-II-Richtlinie und der Prospektverordnung).

Verordnung über Batterien – Verordnung (EU) 2023/1542

Nach der Batterie-Verordnung sind aktuell KMU von den Vorschriften über die Sorgfaltspflicht und die Rückverfolgung von Lieferketten ausgenommen. Es wird jetzt vorgeschlagen, diese Ausnahme auf kleine Midcap-Unternehmen auszuweiten.

Mit dem Vorschlag werden kleine und mittlere Unternehmen ebenso wie KMU von den Vorschriften über die Sorgfaltspflicht und die Rückverfolgung von Lieferketten für Batterierohstoffe ausgenommen. Außerdem wird die Häufigkeit der öffentlichen Berichterstattung für alle beteiligten Unternehmen von jährlich auf einmal alle drei Jahre reduziert. Dies könnte jedem Unternehmen mit mittlerer Kapitalisierung, das in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, rund 40.000 EUR einsparen.

Richtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen – Richtlinie (EU) 2022/2557

Jeder Mitgliedstaat muss bis zum 17.1.26 eine Strategie zur Stärkung der Resilienz kritischer Einrichtungen verabschieden. In dieser Strategie müssen die Mitgliedstaaten beschreiben, welche Maßnahmen sie bereits ergriffen haben, um die Erfüllung der Verpflichtungen durch die als kritische Einrichtungen eingestuften KMU zu erleichtern. Um auf den potenziellen Bedarf der kleinen und mittleren Unternehmen in dieser Hinsicht aufmerksam zu machen, schlägt die Omnibus-Verordnung jetzt vor, dass die Mitgliedstaaten auch entlastende Maßnahmen für kleine und mittlere Unternehmen vorsehen sollen.

Verordnung über fluorierte Treibhausgase – Verordnung (EU) 2024/573

Nach der 2024 in Kraft getretenen F-Gas-Verordnung müssen sich alle Ein- und Ausführer von Produkten und Einrichtungen, die F-Gase enthalten, im EU-F-Gas-Portal registrieren lassen. Derzeit beantragen monatlich rund 2.000 neue Unternehmen die Registrierung im F-Gas-Portal, insbesondere KMU wie z. B. kleine Gebrauchtwagenhändler. Die vorgeschlagene Änderung würde die Registrierung des F-Gas-Portals auf Folgendes beschränken:

  • Einführer, die bestimmte jährliche F-Gas-Schwellenwerte überschreiten

  • Ausführer bestimmter Produkte und Ausrüstungen mit stark erwärmenden F-Gasen, die in der EU verboten sind und für die eine Ausfuhrbeschränkung gilt, z. B. mobile Geräte wie Autos, fallen nicht unter diese Beschränkung.

Das bedeutet: Allein im Jahr 2026 müssen sich rund 10.000 Unternehmen im Rahmen der vorgeschlagenen Änderungen nicht mehr im F-Gas-Portal der EU registrieren. Die vorgeschlagene Änderung wird den Befolgungsaufwand für kleinere Unternehmen, die begrenzte Handelsvolumina abwickeln, verringern.

Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung von Richtlinien im Hinblick auf die Digitalisierung und Angleichung gemeinsamer Spezifikationen

Mit dem Vorschlag COM 2025 (503), der ebenfalls Teil des Omnibus IV-Pakets ist, will die EU-Kommission die Digitalisierung des Produktrechts weiter fördern. Aktuell gibt es immer noch verschiedene EU-Produktvorschriften, die die Verwendung des Papierformats erwarten oder diese Option den Mitgliedstaaten überlassen. Die Abschaffung verbindlicher Papieranforderungen soll die Behörden künftig dazu ermutigen, ihre Bearbeitung von Einreichungen oder Meldungen durch Unternehmen zu überdenken. Die Straffung dieser Einreichungen und Berichterstattung durch die Förderung von Digital-by-Default soll nach Vorstellung der EU-Kommission neue Anreize schaffen, in die Datenerhebung und -verarbeitung mit eGovernment-Lösungen zu investieren.

Der Verordnungsvorschlag sieht die Digitalisierung der EU-Konformitätserklärung sowie den Austausch zwischen den zuständigen nationalen Behörden und den Wirtschaftsakteuren vor. Der Vorschlag gibt den Herstellern zusätzlich die Möglichkeit, den Endnutzern anstelle von Papier Gebrauchsanweisungen in digitaler Form zur Verfügung zu stellen. Ferner sieht sie die Aufnahme eines „digitalen Kontakts“ in die Herstellerinformationen vor, die auf in Verkehr gebrachten Produkten anzugeben sind.

Erläuterung

Betroffen von den Erleichterungen durch Digitalisierung sind die Sektoren: Lärmschutzausrüstungen im Freien, ortsbewegliche Druckgeräte, Beschränkung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, Sportbooten, einfachen Druckbehältern, elektromagnetischer Verträglichkeit, nichtautomatischen Waagen, Messgeräten, Aufzügen, ATEX, Niederspannung, Funkgeräten, Druckgeräten, Schiffsausrüstung, Seilbahnen, persönlicher Schutzausrüstung, Gasgeräten, Maschinen, Batterien und Ökodesign.

Nach Schätzung der Kommission werden die Maßnahmen zu Einsparungen bei den jährlichen Verwaltungskosten der Unternehmen von mindestens 300 Mio. EUR pro Jahr führen. Auch die Verbraucher sollen profitieren: Die digitale Bereitstellung von Gebrauchsanweisungen soll Verbrauchern die Möglichkeit bieten, leichter auf Informationen im Zusammenhang mit dem Produkt zuzugreifen – auch in verschiedenen Sprachen – und zugleich die Aktualisierung von Informationen erleichtern. Darüber hinaus soll die Information für einige Verbraucherkategorien inklusiver sein und die Möglichkeit bieten, audiovisuelles Material aufzunehmen.

Nächste Schritte

Die Vorschläge der EU-Kommission müssen nun zunächst im EU-Parlament und im EU-Rat diskutiert und angenommen werden, bevor sie in Form einer unmittelbar gelten EU-Verordnung im Amtsblatt veröffentlicht werden und in Kraft treten können. Einen fixen Zeitplan gibt es hierfür nicht.

fundstellen

  • Vorschläge der EU-Kommission v. 21.5.25 COM(2025)501, COM(2025)502, SWD(2025)501 („Omnibus IV“): www.iww.de/s14398

  • Pressemitteilung der deutschen Vertretung der EU-Kommission v. 21.5.25: www.iww.de/s14397