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Die Steuerpflichtige übertrug ein gewerbliches Einzelunternehmen unentgeltlich „mit sämtlichen Aktiva und Passiva“ auf einen Angehörigen.

Dabei ist von einer unentgeltlichen Betriebsübertragung i. S. v. § 6 Abs. 3 EStG auszugehen. Der Angehörige hatte als Rechtsnachfolger Ratenzahlungen auf die Sozialversicherungsbeiträge geleistet. Wegen finanzieller Schwierigkeiten des Betriebsnachfolgers wurde die frühere Inhaberin, die nach dem abschließenden Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge für Zeiträume vor der Betriebsübertragung alleine schuldet, vom Sozialversicherungsträger in Anspruch genommen.

In der Bilanz des Einzelunternehmens wurde jedoch weder vor noch nach der Betriebsübertragung eine Rückstellung wegen der streitigen rückständigen Sozialversicherungsbeiträge gebildet. Nach einem aktuellen Urteil des FG Thüringen darf die Rechtsnachfolgerin die auf die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge geleisteten Zahlungen nicht in den jeweiligen Jahren der Zahlung als nachträgliche Betriebsausgaben ­abziehen.

Sachverhalt

Das FA lehnte den nachträglich geltend gemachten Betriebsausgabenabzug mit der Begründung ab, die Verbindlichkeiten seien bei der Steuerpflichtigen zurückgeblieben und nicht im Rahmen der unentgeltlichen Betriebsübertragung auf den Rechtsnachfolger übertragen worden. Für die Zurückbehaltung seien nur private Gründe ersichtlich, sodass die Verbindlichkeiten in der Folge als privat einzustufen seien und keine nachträglich entstandenen Betriebsausgaben darstellten.

Entscheidung

Das FG wies die Klage ab, allerdings mit einer anderen Begründung. Aus dem Grundsatz des formellen Bilanzzusammenhangs folgt, dass fehlerhafte Bilanzansätze, die einer bestandskräftigen Veranlagung oder Gewinnfeststellung zugrunde liegen (sogenannte Veranlagungsbilanz) als Teil des Betriebsvermögens i. S. v. § 4 Abs. 1 EStG lückenlos im Folgejahr fortzuführen und regelmäßig zum Ende dieser Periode erfolgswirksam richtigzustellen sind.

Dieser Grundsatz gilt in Fällen der unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils auch gegenüber dem Rechtsnachfolger, sodass unrichtige Bilanzansätze, die in die letzte Veranlagung des Rechtsvorgängers mit Auswirkungen auf dessen Gewinn oder Verlust Eingang gefunden haben, in der Bilanz des Rechtsnachfolgers ergebniswirksam zu korrigieren sind.

Da der Rechtsnachfolger im Falle des unentgeltlichen Betriebsübergangs nach § 6 Abs. 3 EStG, soweit es sich um die Übernahme der Bilanzansätze handelt, in die Rechtsposition des früheren Betriebsinhabers hineinwächst, bedeutet dies, dass der Rechtsnachfolger die Folgerungen zu tragen hat, die sich aus dem Bilanzenzusammenhang für die Jahre seiner Besitzzeit ergeben.

Ein falscher Bilanzansatz kann in der Regel nur dann mit Wirkung für ein ­früheres Jahr berichtigt werden, wenn er einer Veranlagung noch nicht zugrunde liegt oder wenn die auf ihm beruhende Veranlagung nach allgemeinen Grundsätzen berichtigt werden kann und berichtigt worden ist. Ist dies nicht möglich, muss der falsche Bilanzansatz in der Schlussbilanz eines Jahres ­richtiggestellt werden, für das eine Veranlagung noch nicht stattgefunden hat oder für das die bereits vorliegende Veranlagung berichtigt werden kann.

Dabei macht es keinen Unterschied, dass der falsche Bilanzansatz auf Jahre zurückgeht, in denen der Betriebsübergeber noch Inhaber des Gewerbebetriebs gewesen ist. Hat die Bilanz des Rechtsvorgängers Fehler enthalten, die sich gewinnerhöhend ausgewirkt haben, sind also z. B. Rückstellungen oder Wertberichtigungen, die gerechtfertigt gewesen wären, unterblieben und ist eine Änderung der entsprechenden Veranlagungen des Rechtsvorgängers nicht mehr möglich, hat aufgrund des Grundsatzes des formellen Bilanzenzusammenhangs die Berichtigung in der Schlussbilanz eines späteren, noch nicht verjährten Steuerabschnitts des Rechtsnachfolgers mit Auswirkungen auf dessen Gewinn zu erfolgen.

fundstelle
FG Thüringen 23.11.21, 3 K 308/18, Rev. BFH III R 7/22