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Bestehen die – jeweils vorübergehend für einen zwei- bis dreijährigen Produktionszyklus aufgebauten und anschließend wieder vollständig abgebauten – sogenannten automatisierten Fertigungsstraßen in Werkhallen von Automobilherstellern aus zahlreichen Fertigungsrobotern, Schaltkästen, Bedienpulten und Lüftungs- und Reinigungsanlagen und programmiert ein in der Automobilindustrie tätiges Unternehmen die von anderen Unternehmen gelieferten Fertigungsroboter zur Produktion von Automobilen, so stellen nur die Werkhallen, nicht jedoch die Roboter, Schaltschränke oder Bedienungspulte in den Fertigungsstraßen Bauwerke i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG dar.

Hintergrund

Bauleistungen sind nach der Legaldefinition des § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken und deren bestimmungsgemäßer Nutzung dienen.

Im Rahmen einer gebotenen normspezifischen Auslegung ist entscheidend, dass der in der Gesetzesbegründung zur Einführung der Bauabzugsteuer formulierte Zweck, im (gesamten) Baugewerbe die illegale Beschäftigung einzudämmen und Steueransprüche zu sichern, für ein weites Begriffsverständnis spricht. Dies ist auch vom Wortlaut der Norm gedeckt, da der Begriff des Bauwerks im allgemeinen Sprachgebrauch nicht nur für größere, durch ihre architektonische Gestaltung beeindruckenden Bauten, sondern darüber hinaus in einem sehr umfassenden Sinn verwendet wird.

Aus diesem normspezifischen Verständnis folgt, dass ein Bauwerk weder auf Gebäude noch allgemein auf unbewegliche Wirtschaftsgüter beschränkt ist. Vielmehr können darunter auch Scheinbestandteile i. S. d. § 95 BGB und Betriebsvorrichtungen i. S. d. § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des BewG fallen. Technische Anlagen können danach ebenfalls ein Bauwerk i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG darstellen.

Entscheidung

Im Streitfall beurteilte das FG nur die Werkhallen, nicht jedoch die Roboter, Schaltschränke oder Bedienungspulte in den Fertigungsstraßen als Bauwerke i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG. Darüber hinaus sind die übernommenen Verkabelungsarbeiten, die Kabelrinnenmontage bzw. das in zwei Streitmonaten auch vereinzelt übernommene Hineintragen der Schaltschränke im Hinblick auf die einzig als Bauwerk zu qualifizierenden Werkhallen keine „Erbringung von Bauleistungen“ i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG.

Beachten Sie | Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. Denn bislang höchstrichterlich ungeklärt ist die Frage, ob Scheinbestandteile i. S. d. § 95 BGB bzw. Betriebsvorrichtungen i. S. d. BewG, die sich innerhalb eines bestehenden Bauwerks i. S. d. § 48 EStG befinden – im Streitfall innerhalb der Werkhallen der Automobilhersteller – auch isoliert betrachtet Bauwerk i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG sein können („Bauwerk im Bauwerk“).

Die Revision wurde vom FA zwischenzeitlich eingelegt.

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FG Brandenburg 20.6.22, 6 K 6197/19, Rev. beim BFH unter I R 28/22