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Eine Anwartschaft auf den Bezug von Geschäftsanteilen an einer GmbH (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG) im Rahmen einer Kapitalerhöhung liegt erst dann vor, wenn das Bezugsrecht selbstständig übertragbar ist. Dies setzt voraus, dass die Kapitalerhöhung durch die Gesellschafterversammlung beschlossen bzw. der entsprechende Beschluss in das Handelsregister eingetragen worden ist.

Sachverhalt

Streitig war, ob die Steuerpflichtige durch den Verzicht einer Tochtergesellschaft auf die Teilnahme an einer Kapitalerhöhung einen Veräußerungsgewinn i. S. v. § 17 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG und § 2 Nr. 1 KStG erzielt hatte.

Entscheidung

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich (im Streitjahr: zu mindestens 10 %) unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG). Die verdeckte Einlage von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft steht dabei der Veräußerung von Anteilen gleich (§ 17 Abs. 1 Satz 2 EStG).

Zu den Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gehören auch Anwartschaften auf solche Beteiligungen (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG). Dies umfasst aufgrund einer Kapitalerhöhung entstehende Bezugsrechte oder abspaltbare Teile des Wirtschaftsguts „Geschäftsanteil“. Hat der Veräußerer den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben, gilt § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG nach § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG entsprechend, wenn dessen Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt war.

Im Streitfall war das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die Steuerpflichtige (erst) im Streitjahr eine dem § 17 Abs. 1 EStG unterfallende Einlage vorgenommen hatte, indem sie – abgeleitet aus dem gesellschaftlichen Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gesellschafter – eine ihr von einer Anstalt zugewendete Anwartschaft auf Bezug von Geschäftsanteilen, die durch die Nichtbeteiligung an der im Streitjahr bei der GmbH 1 durchgeführten Kapitalerhöhung entstanden ist, verdeckt in die GmbH 3 eingelegt hatte.

Auch wenn das Bezugsrecht der Altgesellschafter in dem für die Kapital­erhöhung notwendigen Gesellschafterbeschluss ausgeschlossen wurde und damit gesellschaftsrechtlich kein Bezugsrecht entstanden war, kann dennoch eine (übertragbare) Anwartschaft i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG vorliegen.

Die Anwartschaft auf Bezug von Geschäftsanteilen der GmbH 1 wurde der Steuerpflichtigen zugewendet und nachfolgend von ihr mittelbar in die GmbH 3 verdeckt eingelegt. Verdeckte Einlagen sind – im Gegensatz zu offenen Einlagen (Einlagen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten) – Zuwendungen eines einlagefähigen Vermögensvorteils durch einen Anteilseigner oder einer ihm nahestehenden Person an seine Kapitalgesellschaft ohne wertadäquate Gegenleistung, die ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben.

Bei Ermittlung des Veräußerungsgewinns ist zu beachten, dass verdeckte Einlagen in Kapitalgesellschaften als unentgeltliche Vorgänge angesehen werden und in der Entnahme kein Anschaffungsvorgang gesehen wird. Nach dem klaren Wortlaut des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG führt dies – abweichend von dem in § 17 Abs. 2 Satz 2 EStG angeordneten Ansatz des gemeinen Werts bei verdeckten Einlagen – zum Ansatz der „historischen Anschaffungskosten“.

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BFH 14.9.22, I R 47/19