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Betreuungsleistungen einer juristischen Person sind unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL steuerfrei, wenn ihr die Erlaubnis zum Betrieb einer Einrichtung zur Betreuung von Kindern und ­Jugendlichen nach § 45 SGB VIII erteilt wurde.
Voraussetzung ist, dass die Kosten für diese Leistungen über einen Träger der freien Jugendhilfe abgerechnet und damit mittelbar von öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe gezahlt werden.
BFH 6.4.16, V R 55/14

Sachverhalt

Die Steuerpflichtige hatte sich konkret auf die Betreuungsleistungen für Kinder und Jugendliche spezialisiert. Die für entsprechende Einrichtungen (Wohnheime) erforderlichen Betriebserlaubnisse waren ihr erteilt worden.
Sie rechnete die eigenen Leistungen umsatzsteuerfrei gegenüber einer als Trägerin der freien Jugendhilfe anerkannten GbR ab. Die GbR wiederum rechnete die Leistungen ihrerseits mit den öffentlichen Trägern der ­Kinder- und Jugendhilfe ab.
FA und FG lehnten die Steuerbefreiung ab, da nicht die Steuerpflichtige selbst, sondern lediglich die GbR als Trägerin der freien Jugendhilfe anerkannt sei.

Entscheidung

Die Revision war begründet. Nach Auffassung des BFH ergibt sich die Steuerbefreiung direkt aus dem europäischen Recht (Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL), das dem engeren deutschen Recht zugunsten der Klägerin vorgeht.
Nach Auffassung des Gerichts ist es Sache des innerstaatlichen Rechts eines jedes Mitgliedstaates, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Dabei haben die nationalen Behörden im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte die für die Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zu diesen gehören:
das Bestehen spezifischer Vorschriften, bei denen es sich um nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit handeln kann,
das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse,
die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen und
Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder durch andere Einrichtungen der sozialen ­Sicherheit.
Nach Auffassung des BFH sprechen für die Anerkennung der Steuerpflichtigen die folgenden drei Kriterien:
An der Tätigkeit der Steuerpflichtigen besteht ein besonderes öffent­liches Interesse.
Die Kosten der fraglichen Leistungen werden durch Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen.
Die Steuerpflichtige stellt die von ihr erbrachten Leistungen der als Trägerin der freien Jugendhilfe anerkannten GbR in Rechnung. Diese wiederum rechnet die von der Klägerin erbrachten Leistungen mit den öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe ab. Auch eine derartige mittelbare oder „durchgeleitete“ Kostentragung erfüllt nach der jüngsten Rechtsprechung des BFH das Merkmal der Kostenübernahme.
Letztlich steht der Steuerfreiheit der Betreuungsleistungen auch nicht entgegen, dass die Steuerpflichtige keine direkten vertraglichen Beziehungen zu den öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe unterhielt, sondern sich verpflichtet hatte, ihre Leistungen gegenüber der GbR zu erbringen und demgemäß auch dieser gegenüber abrechnete.
Die Anerkennung eines Unternehmers als eine Einrichtung mit sozialem Charakter kann vielmehr auch aus der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit abgeleitet werden.

Praxishinweis

Dem Besprechungsurteil dürfte weit über den entschiedenen Einzelfall hinaus Bedeutung beizumessen sein. Dies gilt insbesondere bei der Art nach humanmedizinischen Leistungen (§ 4 Nr. 14 u. „Nr. 16 UStG), bei denen der Leistungserbringer häufig
eine öffentliche Zulassung führt,
Ausgaben von öffentlichem Interesse erbringt,
Leistungen gegenüber Personen abrechnet, die eine Kassenzulassung haben,
aber selbst keine Kassenzulassung besitzt.
Auch über die möglichen Folgen von Outsourcing (Rechenzentren von Banken u. dgl.) wird nachzudenken sein.