In für Erben

Erbt ein Kind von einem Elternteil das Familienheim und bewohnt dieses innerhalb der folgenden zehn Jahre selbst, fällt keine Erbschaftsteuer auf diese Immobilie an. Doch das Familienheim muss „unverzüglich“ selbst genutzt werden. Wem das nicht möglich ist, der sollte unbedingt für geeignete Nachweise sorgen, die belegen, dass der spätere Einzug unverschuldet war.

Grundsätze zum steuerfreien Familienheim

Erben Kinder das Familienheim ihrer Eltern, in dem sie bis zum Tod gelebt haben, ziehen die Kinder unverzüglich in dieses Familienheim ein und nutzen diese Immobilie in den nächsten zehn Jahren zu eigenen Wohnzwecken, ist dieses Erbe nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG erbschaftsteuerfrei. Kleine Einschränkung: Beträgt die Wohnfläche des Familienheims mehr als 200 qm, ist nur der Wert der ersten 200 qm von der Erbschaftsteuer befreit.

Praxistipp

War der Elternteil aus objektiv zwingenden Gründen daran gehindert, das bisherige Familienheim bis zu seinem Tod zu eigenen Wohn­zwecken zu nutzen, ist das für die Steuerfreiheit bei der Erbschaftsteuer unschädlich. Es müssen nur Gründe dargelegt werden, warum er das Familienheim nicht mehr nutzen konnte (z. B. Einzug ins Pflegeheim wegen Pflegebedürftigkeit).

Unverzügliche Selbstnutzung: Strenge Auslegung durch Finanzämter

Unverzüglich bedeutet, dass der Erbe innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall ins Familienheim einziehen muss. Ist das nicht möglich, weil zeitintensive Renovierungsmaßnahmen notwendig sind, trägt der Erbe die Beweislast. Er muss nachweisen, dass der Einzug sich ohne schuldhafte Verzögerung durch ihn verzögert hat. Die Finanzämter sind hier meist sehr streng und kippen die Steuerfreiheit, wenn ein Erbe erst nach Ablauf der Sechsmonatsfrist ins Familienheim einzieht und keine nachweisbaren oder plausiblen Gründe liefert.

Doch die Sachbearbeiter in den Finanzämtern agieren bei der Frage, ob ein Einzug unverzüglich erfolgte, in der Regel zu streng. Das hat nun das FG Münster bestätigt (30.6.22, 3 K 3184/17 Erb). Den Urteilsgrundsätzen sind aber gute Argumente zu entnehmen, wann ein verzögerter Einzug ins geerbte Familienheim für die Steuerfreiheit nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG unschädlich ist.

Darum ging es in dem Urteilsfall

In dem Streitfall beim FG Münster bewohnte ein Sohn eine Doppelhaushälfte. Die andere Doppelhaushälfte bewohnte der Vater. Dieser verstarb und vererbte dem Sohn die Immobilie. Der Sohn renovierte das geerbte Familienheim, verband beide Haushälften zu einem einzigen Haus, erbrachte teilweise auch Eigenleistungen und bezog das Familienheim erst drei Jahre nach dem Tod des Vaters. Das Finanzamt versagte die Steuer­befreiung bei der Erbschaftsteuer, weil der Einzug ins geerbte Familienheim nicht unverzüglich erfolgte.

Beim FG Münster sah man das anders. Die Steuerbefreiung wurde aufgrund folgender Argumente und Indizien trotz der erst drei Jahre nach dem Todesfall begonnenen Selbstnutzung des Familienheims gewährt:

  • Der Kläger hat die geerbte Doppelhaushälfte unverzüglich zur Selbstnutzung „bestimmt“.

  • Diese Bestimmung wurde durch die Besichtigung eines Bauunternehmers nach dem Tod dokumentiert, da bereits zu diesem Zeitpunkt geplant war, die beiden Doppelhaushälften zusammenzulegen.

  • Zudem sprechen für die Bestimmung der Selbstnutzung auch Ausgaben für die Zusammenlegung der Netzwerktechnik der beiden Häuser in Eigenleistung und eingeholte Angebote diesbezüglich.

  • Der beauftragte Bauunternehmer musste den Beginn der Bauarbeiten nachweislich witterungsbedingt verschieben.

  • Der Kläger konnte durch ein Gutachten nachweisen, dass die Kellerräume des geerbten Hauses wegen Durchfeuchtung sehr lange Zeit getrocknet werden mussten.

Verhaltensknigge für Erben

Das Urteil des FG Münster verdeutlicht, dass auch bei einer deutlichen Überschreitung der Sechsmonatsfrist zum Bezug des geerbten Familienheims sehr wohl noch die Chance besteht, die begehrte Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG durchsetzen zu können. Wichtig ist folgende Vorgehensweise:

  • Jegliche Gründe für den verzögerten Einzug sollten mit Gutachten, Schriftsätzen und Fotos festgehalten werden.

  • Die unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung sollte ebenfalls im Schriftverkehr, in Kostenvoranschlägen oder in E-Mails an Steuerberater oder Bauunternehmer festgehalten werden.

  • Förderlich für die Durchsetzung der Steuerfreiheit ist es zudem, wenn der Erbe durch verschiedene Maßnahmen (wenn auch erfolglos) versucht hat, den Einzug ins geerbte Familienheim zu beschleunigen und dass er das durch geeignete Unterlagen belegen kann.

  • Gegen nachteilige Erbschaftsteuerbescheide sollte mit Hinweis auf das aktuelle Urteil des FG Münster Einspruch eingelegt werden.

Merke | Entscheidend bei einem verzögerten Einzug ins geerbte Familienheim sind also hieb- und stichfeste Nachweise, insbesondere, dass die Bestimmung zur Selbstnutzung unverzüglich bestand. Ohne plausible Unterlagen und Nachweise wird das Finanzamt die Steuerfreiheit bei verzögertem Einzug nach wie vor kippen.

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