In Steuer-Tipps für ALLE

Zur Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a Abs. 2 EStG und für Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG gibt es zahlreiche abgeschlossene Verfahren beim BFH und einige vielversprechende neue Musterverfahren. Wir haben einen Überblick für Sie zusammengestellt, der Ihnen die Beratungspraxis zu dieser Thematik erleichtern soll.

Maßnahmen der öffentlichen Hand

Für Handwerkerleistungen der öffentlichen Hand, die nicht nur einzelnen Haushalten, sondern allen an den Maßnahmen der öffentlichen Hand beteiligten Haushalten zugutekommen, ist eine Begünstigung nach § 35a EStG ausgeschlossen. Als Beispiele seien hier genannt u. a. der Ausbau des allgemeinen Versorgungsnetzes oder die Erschließung einer Straße. In diesen Fällen fehlt es nach Auffassung der Verwaltung an einem räumlich funktionalen Zusammenhang der Handwerkerleistung mit dem Haushalt des Grundstückseigentümers (BMF 1.9.21, IV C 8 – S 2296-b/21/10002 :001; Rz. 2).

Im überholten BMF-Schreiben vom 9.11.2016 fand sich in Randziffer 22 folgender Satz: „Maßnahmen, die von der öffentlichen Hand oder einem von ihr beauftragten Dritten auf gesetzlicher Grundlage mit dem Hauseigentümer nach öffentlich-rechtlichen Kriterien abgerechnet werden, sind … nicht im Rahmen des § 35a EStG begünstigt.“

Beachten Sie | Dieser Satz wurde im neuen BMF-Schreiben vom 1.9.2021 gestrichen.

Praxistipp

Die Streichung dieses Satzes bedeutet, dass nun auch Maßnahmen nach § 35a Abs. 3 EStG begünstigt sind, die von der öffentlichen Hand oder von ihr beauftragten Dritten auf gesetzlicher Grundlage erbracht und mit dem Hauseigentümer nach öffentliche-rechtlichen Kriterien abgerechnet werden. Das kann auch dem Urteil des BFH vom 28.4.2020 (VI R 50/17) entnommen werden.

Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG im Zusammenhang mit einem Neubau

In einer internen Verfügung weist die Finanzverwaltung darauf hin, dass handwerkliche Tätigkeiten im Rahmen einer Neubaumaßnahme nach § 35a Abs. 3 EStG nicht begünstigt sind.

Für Handwerkerleistungen, die nach der Fertigstellung des Gebäudes entstehen, besteht jedoch ein Anspruch auf eine Steueranrechnung.

Ein Gebäude ist nach H 7.4 „Fertigstellung“ EStH 2015 fertiggestellt, wenn die wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen sind und das Gebäude bezugsfertig ist. Bezugsfertig ist ein Gebäude, wenn es so weit errichtet ist, dass der Bezug zumutbar ist und nur noch unerhebliche Restarbeiten verbleiben. Ein Gebäude ist dagegen nicht fertiggestellt, wenn Türen, Böden und der Innenputz noch fehlen.

Praxistipp

Ist das Gebäude bezugsfähig – das sollte unbedingt dem schriftlichen Abnahmeprotokoll zu entnehmen sein – sind alle weiteren Aufwendungen nach § 35a Abs. 3 EStG begünstigt. Dazu zählen z. B. die Anbringung von Außenputz, Maler- und Taperzierarbeiten, der Ausbau des Dachgeschosses oder Kellers oder die nachträgliche Errichtung eines Carports.

Aufwendungen für Müllentsorgungs- und Abwassergebühren als haushaltsnahe Dienstleistungen?

Das BMF hat sich zu Müllentsorgungskosten und zu Abwassergebühren klar positioniert und erkennt für diese Aufwendungen keine Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a Abs. 2 EStG an.

Begründet wird dies damit, dass die Haupttätigkeit bei der Müllentsorgung und bei den Abwassergebühren „außerhalb“ des Privathaushalts und nicht wie gesetzlich gefordert „im Haushalt“ erfolgt. Diese Rechtsauffassung hat das FG München bestätigt, aber die Revision zugelassen. Demnach sollten für Mandanten solche Aufwendungen in der Einkommensteuererklärung in der Anlage „Haushaltsnahe Dienstleistungen“ erfasst werden. Denn der BFH hat in dem Revisionsverfahren gegen das Urteil des FG Niedersachsen nun zu klären, ob das Finanzamt die Steuerermäßigung in diesen Fällen zurecht versagt oder ob ein Anspruch auf eine Steueranrechnung besteht (Rev. beim BFH unter VI R 8/22).

Revisionsverfahren für Aufwendungen für ein Hausnotrufsystem außerhalb des betreuten Wohnens

Bei Aufwendungen für ein Hausnotrufsystem ist die Finanzverwaltung sehr streng. Eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG wird nur in den Fällen gewährt, in denen der Steuerpflichtige im Rahmen eines betreuten Wohnens eine eigene Wohnung nutzt und Aufwendungen für ein Hausnotrufsystem nachweisen kann (BFH, 3.9.15, VI R 18/14).

Fallen einem Steuerpflichtigen außerhalb des betreuten Wohnens Aufwendungen für den Hausnotruf an, verweigern die Finanzämter die Steueranrechnung – und das, obwohl das FG Sachsen (12.5.21, 5 K 18/19) in erster Instanz grünes Licht für die Steueranrechnung in vergleichbaren Fällen gegeben hat. Nun hat der BFH in zwei Revisionsverfahren das letzte Wort (VI R 7/21 und VI R 14/21).

fundstellen
* BMF 1.9.21, IV C 8 – S 2296-b/21/10002 :001,
* FG Münster 24.2.22, 6 K 1946/21 nrkr; Rev. BFH VI R 8/22,
* BFH 3.9.15, VI R 18/14,
* FG Sachsen 12.5.21, 5 K 18/19; Rev. BFH VI R 7/21, VI R 14/21