In Steuer-Tipps für ALLE

Werden fristwahrende Schriftsätze elektronisch über das besondere Anwaltspostfach übermittelt, so erfordert eine wirksame Kontrolle Maßnahmen, die hinreichend sicherstellen, dass die richtigen Dokumente dem richtigen (= zuständigen) Gericht übermittelt werden. |

Sachverhalt

Der Kläger wendet sich gegen eine Einspruchsentscheidung des Hauptzollamts über die Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer. Am letzten Tag der Klagefrist war dazu beim Finanzgericht Hamburg über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ein Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten eingegangen.

Der Betreff des Schriftsatzes lautete zutreffend auf „K gegen Hauptzollamt“. Als Anlage war dem Schriftsatz dann allerdings die Klage eines anderen Mandanten des Prozessbevollmächtigten (B) gegen die Familienkasse beigefügt.

Über diesen Sachverhalt ist der Prozessbevollmächtigte vom Finanzgericht Hamburg am Morgen des Folgetags unterrichtet worden. Dieser hat dem Gericht daraufhin noch am selben Tag schriftlich mitgeteilt, dass der dem Schriftsatz angehängte Vorgang des Mandanten B für das Sächsische Finanzgericht bestimmt gewesen sei. Als Anlage hätte das Finanzgericht Hamburg die Klage nebst Anlagen des Mandanten K erhalten sollen. Durch ein Büroversehen seien die falschen Anhänge beigefügt worden. Die Klage des K nebst Anlagen wurden diesem Schreiben beigefügt.

Das beklagte Hauptzollamt äußerte unter Hinweis auf die Zustellungsurkunde mehrfach Zweifel an der Einhaltung der Klagefrist. Erst nach Ablauf weiterer drei Monate äußerte sich der Prozessbevollmächtigte auch dazu und beantragte nunmehr eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zu deren Begründung brachte er noch einmal vor, dass die Klage an sich fristgerecht per beA an das Finanzgericht Hamburg übermittelt worden sei. Durch ein Büroversehen eines sonst sehr zuverlässigen Mitarbeiters seien lediglich die falschen Anhänge aus einem anderen Verfahren eines anderen Mandanten beigefügt worden.

Entscheidung

Das FG Hamburg hielt die Klage für unzulässig. K hat die Klagefrist versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren, da K nicht ohne Verschulden verhindert war, die Klagefrist einzuhalten.

Klagefrist versäumt

K hat die Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage versäumt, da innerhalb dieser Frist beim Finanzgericht keine Klage eingegangen ist.

Richtig sei zwar, dass am letzten Tag der Klagefrist über das elektronische Postfach ein Eingang des Prozessbevollmächtigten des K mit dem Betreff „K gegen Hauptzollamt“ erfolgt sei.

Dieser Eingang könne aber nicht als wirksame und fristwahrende Klageerhebung des K angesehen werden. Denn dieser elektronische Eingang enthielt als Anlage keine Klageschrift in Sachen des K, sondern eine Klage einer dritten Person, die zudem gegen die Familienkasse gerichtet gewesen sei.

Erst am Folgetag habe der Prozessbevollmächtigte die Klage über das beA eingereicht. An diesem Tag sei die Klagefrist aber bereits abgelaufen gewesen.

Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kam für das FG nicht in Betracht. Denn K war nicht ohne Verschulden verhindert, die gesetzliche Klagefrist einzuhalten.

Einem Beteiligten ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, wobei jedes Verschulden, also auch einfache Fahrlässigkeit, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt.

Praxistipps |

1. Das Urteil zeigt zunächst den Stellenwert, welcher der Selbstorganisation des Kanzleibetriebs von Steuerberatern oder Rechtsanwälten beizumessen ist.

2. Die Selbstorganisation erfordert für fristwahrende Schriftsätze auch eine inhaltliche Ausgangskontrolle und darf sich nicht lediglich auf die Überwachung des tatsächlichen Versands beschränken.

3. Die einzelnen konkreten Arbeitsabläufe und Prüfungshandlungen sind intern zu dokumentieren. Nur so lässt sich nachweisen, dass

* alle notwendigen organisatorischen Maßnahmen
* sowohl theoretisch veranlasst
* als auch tatsächlich umgesetzt worden sind.

4. Deutlich wird auch ein alles andere als seltener Verfahrensfehler der Berater: Wiedereinsetzungsanträge werden zwar gestellt, aber nicht substanziiert und glaubhaft begründet. Pauschale Hinweise auf Büroversehen und Zuverlässigkeit der Mitarbeiter genügen nicht!

5. Letztlich verdeutlicht das Urteil, dass – wenn möglich – vermieden werden sollte, bis zum letzten Tag einer Ausschlussfrist zuzuwarten. Zumindest im Urteilsfall wäre das Organisationsdefizit der Kanzlei bei früherer Klageeinreichung nicht zum Tragen gekommen.

Fundstelle
FG Hamburg 25.5.20, 4 K 102/19