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§ 77 EStG ist nach Auffassung des BFH bei einem erfolgreichen Einspruch gegen die Festsetzung von Hinterziehungszinsen wegen unberechtigt erhaltener Kindergeldzahlungen weder unmittelbar noch analog anwendbar. Es liegt keine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit vor, soweit § 77 EStG seinem Wortlaut nach eine Kostenerstattung nur für Einspruchsverfahren wegen Kindergeldfestsetzungen vorsieht.

Hintergrund

Soweit der Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist, hat die Familienkasse demjenigen, der den Einspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Sachverhalt

Im Streitfall hatte die Klägerin zu Unrecht Kindergeld bezogen. Deshalb setzte die Familienkasse gegen sie Hinterziehungszinsen fest. Der dagegen gerichtete Einspruch war zwar in der Sache erfolgreich. Die Familienkasse entschied aber, die im Einspruchsverfahren entstandenen Kosten der Klägerin nicht zu erstatten. Das FG gab der daraufhin erhobenen Klage statt und verpflichtete die Familienkasse zur Erstattung der Aufwendungen.

Entscheidung

Im Revisionsverfahren kam der BFH zu einem anderen Ergebnis. Das Einspruchsverfahren nach der Abgabenordnung ist grundsätzlich für beide Seiten kostenfrei, d. h., Einspruchsführer und Behörde haben jeweils ihre eigenen Aufwendungen zu tragen. Abweichend von diesem Grundsatz werden nach § 77 EStG im Einspruchsverfahren gegen Kindergeldfestsetzungsbescheide dem erfolgreichen Rechtsbehelfsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen erstattet.

Diese Vorschrift kann aber nicht herangezogen werden, wenn der Einspruchsführer sich erfolgreich gegen die Festsetzung von Hinterziehungszinsen wegen unberechtigt erhaltener Kindergeldzahlungen gewandt hat. Denn § 77 EStG ist seinem Wortlaut nach nur anwendbar, soweit der Einspruch „gegen die Kindergeldfestsetzung“ erfolgreich war. Als Ausnahme vom Grundsatz der Kostenfreiheit des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens kann die Kostenerstattungspflicht auch nicht durch eine entsprechende Anwendung des § 77 EStG begründet werden. Denn es fehlt für eine solche Analogie an einer planwidrigen Gesetzeslücke.

Fundstelle
BFH 1.9.21, III R 18/21