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In die Prüfung der Einkunftsgrenzen, das heißt der relativen und der absoluten Wesentlichkeitsgrenze – im Rahmen der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht – sind auch die der Abgeltungsteuer unterliegenden Kapitaleinkünfte einzubeziehen.
Das hat der BFH aktuell entschieden.
BFH 12.8.15, I R 18/14

Hintergrund

Nach § 1 Abs. 3 EStG werden auf Antrag auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren „gewöhnlichen Aufenthalt“: haben, soweit sie inländische Einkünfte erzielen.
Voraussetzung hierfür ist, dass entweder die Einkünfte des Kalenderjahres zu mindestens 90 Prozent der deutschen Einkommensteuer unterliegen (relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a EStG nicht übersteigen (absolute Wesentlichkeitsgrenze). Für den Veranlagungszeitraum 2015 beträgt der Grundfreibetrag 8.472 EUR.

Sachverhalt

Im Streitfall ging es um ein in Belgien wohnendes Ehepaar. Beide waren in Deutschland – also im Inland – als Arbeitnehmer beschäftigt. Neben den Lohneinkünften in Höhe von rund 14.000 EUR erzielten sie negative inländische Vermietungseinkünfte in Höhe von rund 7.000 EUR.
Weitere Einkünfte lagen in Form von inländischen Gewinnausschüttungen in Höhe von 142.000 EUR sowie Zinsen in Höhe von rund 1.000 EUR vor.
Die Eheleute beantragten die Durchführung einer Zusammenveranlagung nach den Regeln der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG).
Dies lehnte das Finanzamt ab, weil die Voraussetzung der unbeschränkten Steuerpflicht nicht erfüllt sei. Da das Besteuerungsrecht für die Kapitalerträge nach dem DBA Belgien dem Wohnsitzstaat Belgien zustünde, würden die Einkünfte nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen. Aus diesem Grund seien die Einkünfte nicht zu mindestens 90 Prozent in Deutschland besteuert worden. Gegen diese Auffassung klagte das Ehepaar erfolglos.

Entscheidung

Der BFH begründet seine Entscheidung damit, dass die Steuerpflichtigen im Streitfall die vorgenannten Wesentlichkeitsgrenzen nicht gewahrt hätten. Denn in die Prüfung dieser Grenzen sind die vom Ehemann im Streitjahr erzielten Dividendenerträge in Höhe von 142.000 EUR im Rahmen der Prüfung der Einkunftsgrenzen (Wesentlichkeitsgrenzen) nicht der deutschen Einkommensteuer einzuordnen.
Da die Dividenden in Belgien als Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen besteuert werden können und in Deutschland als Ansässigkeitsstaat der zahlenden Kapitalgesellschaften nur einem auf 15 Prozent ihres Bruttobetrags beschränkten Quellenbesteuerungsrecht unterworfen sind, gelten die Dividenden im Rahmen der Prüfung der Einkunftsgrenzen (Wesentlichkeitsgrenzen) als nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegend.
Folge hiervon ist nicht nur, dass die von den Steuerpflichtigen insgesamt bezogenen (Welt-)Einkünfte nicht im Sinne der relativen Wesentlichkeitsgrenze zu mindestens 90 Prozent der deutschen Einkommensteuer unterliegen, sondern die der belgischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte überschreiten im Sinne der absoluten Wesentlichkeitsgrenze auch den doppelten Grundfreibetrag.