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Der BFH hat seine bisherige Rechtsprechung zu berufstätigen Kindern bei doppelter Haushaltsführung ausgeweitet, die zusammen mit ihren Eltern oder nur einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt wohnen und daneben noch eine Wohnung oder ein Zimmer am Beschäftigungsort haben.
Das Urteil hat über den Einzelfall hinaus eine praxisrelevante Bedeutung, da der BFH ausführlich auf die steuerlichen Grundregeln bei Job und Wohnung fern von der Heimat eingeht und insbesondere die Situation bei ledigen Berufstätigen darstellt. Anzuwenden ist das nicht nur bei Arbeitnehmern, sondern auch auf den Betriebsausgabenabzug von Unternehmern und Freiberuflern.
BFH 16.1.13, VI R 46/12,
BFH 21.4.10, VI R 26/09, BStBl II 12, 618; 26.7.12, VI R 10/12, BFH/NV 13, 112; 28.3.12, VI R 87/10, BStBl II 12, 800
FG Münster 6.11.12, 15 K 767/10 E, Revision unter VI R 10/13

Sachverhalt
Im zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um einen 43 Jahre alten Angestellten, der neben der Unterkunft am Beschäftigungsort im Einfamilienhaus seiner Mutter ein Schlaf-, Arbeits- sowie das Bade-zimmer allein nutzte. Küche, Ess- und Wohnzimmer nutzte der Steuerpflichtige gemeinsam mit seiner Mutter.
Entscheidung
Erwachsene, berufstätige Kinder, die zusammen mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt wohnen, können Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten geltend machen, wenn ihnen die Zweitwohnung am Beschäftigungsort lediglich als Schlafstätte dient, so das Urteil des BFH.
Begründung und Erläuterung
Ein Indiz dafür, dass der Zweitwohnsitz lediglich als Schlafstätte dient, ist zum Beispiel, dass der Mittelpunkt der Lebensführung noch am Heimatort liegt und dort der Erst- oder Haupthausstand geführt wird. Denn dort ist regelmäßig weder der Haupthausstand noch der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen auszumachen. Entspricht oder übertrifft die Wohnsituation am Heimatort das Domizil am Beschäftigungsort in Größe und Ausstattung, spricht das dafür, dass die Lebensführung noch nicht an den Beschäftigungsort verlegt worden ist, sondern in heimatlichen Gefilden fortgeführt wird.
Im Zweifel spricht dafür der Umstand, wenn der Steuerpflichtige dort weiter sein Privatleben führt und zum Heimatort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen. Im Alltag sind das beispielsweise aufgrund der steigenden Lebenserwartung immer häufiger die eigenen alten, betreuungs- und pflegebedürftigen Eltern.
Der BFH hat den Sachverhalt zur Prüfung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Das FG Rheinland-Pfalz muss weitere Feststellungen zu den jeweiligen Wohnsituationen des erwachsenen Kindes am Heimat- wie am Beschäftigungsort treffen. Verfügt der Sohn tatsächlich nur über eine kleine bescheidene Schlafstätte am Beschäftigungsort und nutzt er bei seiner Mutter zwei Zimmer plus Bad alleine, liegt es aufgrund des Alters des Kindes und seiner wirtschaftlichen Unabhängigkeit nahe, dass der Lebensmittelpunkt dort ist. Infolgedessen kann vom Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung ausgegangen werden.
Praxishinweise
• Das Urteil beinhaltet zahlreiche Aussagen und Verweise zur bisherigen Rechtsprechung bei doppelter Haushaltsführung und insbesondere dem eigenen Hausstand bei ledigen Berufstätigen mit Job in der Ferne.
Für einen Haupthaushalt eines alleinstehenden Arbeitnehmers ist entscheidend, dass er sich dort im Wesentlichen aufhält und das nur unterbrochen wird durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit.
Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder Ferienaufenthalte bei Vater oder Mutter ist genauso wenig ein Unterhalten eines Hausstands wie die fehlende wesentliche mitbestimmende Eingliederung unverheirateter Arbeitnehmer in die Haushaltsführung.
Die Übernahme besonderer finanzieller Verantwortung für den gemeinsamen Hausstand durch Beteiligung an den laufenden Haushalts- und Lebenshaltungskosten ist nicht erforderlich, sondern nötig und lediglich ein wichtiges Indiz. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein Alleinstehender auch dann einen eigenen Haushalt unterhält, wenn Dritte für diese Kosten aufkommen. Umgekehrt lässt sich aus einem finanziellen Beitrag allein nicht zwingend auf das Unterhalten eines eigenen Haushalts schließen.
Sofern der Arbeitnehmer am Heimatort über keine abgeschlossene Wohnung verfügt, steht dies der Vermutung des Mittelpunkts der Lebensführung nicht entgegen. Der BFH stellt nämlich klar, dass eine doppelte Haushaltsführung auch dann vorliegen kann, wenn seine Wohnverhältnisse dort vergleichsweise einfach oder beengt sein sollten, entweder alleine oder gemeinsam mit oder bei den Eltern.
Durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des steuerlichen Reisekostenrechts ist ab 2014 eine finanzielle Beteiligung des Berufstätigen am gemeinschaftlichen Haushalt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG gesetzliche Voraussetzung. Zudem können als Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung – unabhängig von der Größe der Zweitwohnung – bis zu 1.000 EUR pro Monat geltend gemacht werden. Die Begrenzung auf 60 m² entfällt künftig.
Ergänzend hierzu hatte das FG Münster entschieden, dass ein eigener Hausstand auch dann unterhalten werden kann, wenn der Erst- oder Haupthausstand im Rahmen einer Wohngemeinschaft mit den Eltern geführt wird. Das richtet sich insbesondere nach der Einrichtung, der Ausstattung und der Größe eben dieser Wohnung. Da gegen dieses Urteil mittlerweile Revision eingelegt worden ist, kann der BFH seine Rechtsprechung weiter präzisieren.