2021 wurde der Pflege-Pauschbetrag reformiert und verbessert. Dennoch zeigt die Praxis, dass der pauschale Abzugsbetrag oft nicht geltend gemacht wird. Eventuell aus Unkenntnis? Denn es gibt unzählige pflegebedürftige Personen und in der Realität werden viele zumindest teilweise durch die Angehörigen gepflegt. Im Folgenden beleuchten wir den Pflegepauschbetrag und zeigen, wann er abzugsfähig ist.
Der Abzug von Pflegeaufwendungen als außergewöhnliche Belastung
Entstehen Aufwendungen für eine pflegebedürftige Person, dann ergibt sich grundsätzlich über § 33 EStG ein Abzug als außergewöhnliche Belastung. Dieser Abzug birgt aber zwei Probleme:
1. Die entstandenen Aufwendungen sind dem Finanzamt im Detail nachzuweisen. Um Fahrtkosten zu der gepflegten Person absetzen zu können, müssen zum Beispiel die einzelnen Fahrten dokumentiert werden.
2. Die Summe aller außergewöhnlichen Belastungen i. S. d. § 33 EStG wirkt sich nur insoweit steuermindernd aus, wie sie die nach § 33 Abs. 3 EStG stufenweise zu ermittelnde zumutbare Eigenbelastung übersteigt.
| Beispiel 1 | |
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Linda pflegt zweimal die Woche ihre pflegebedürftige Mutter und fährt je Tag dafür 30 Kilometer mit ihrem privaten Pkw. Linda ist kinderlos und ledig. Ihr Gesamtbetrag der Einkünfte beträgt 55.000 EUR und ihre übrigen außergewöhnlichen Belastungen i. S. d. § 33 EStG belaufen sich auf 1.000 EUR. Lösung: Linda kann grundsätzlich die Pflegekosten mit 936 EUR (30 Kilometer × 2 Fahrten pro Woche × 52 Wochen × 0,30 EUR) und die übrigen Kosten mit 1.000 EUR als außergewöhnliche Belastung absetzen. Von der Summe ist aber vorab die zumutbare Eigenbelastung abzuziehen. Die beträgt: |
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| 15.340 EUR × 2 % |
306,80 EUR |
| 51.130 EUR – 15.340 EUR = 35.790 EUR × 3 % |
1.073,70 EUR |
| 55.000 EUR – 51.130 EUR = 3.870 EUR × 4 % |
154,80 EUR |
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1.535,30 EUR |
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| Von den 1.936 EUR außergewöhnlichen Belastungen wirken sich deshalb nur 400,70 EUR steuer- mindernd aus (1.936 EUR abzgl. 1.535,30 EUR). |
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Lukrativer Pauschalabzug von Pflegeaufwendungen
Aus diesem Grund gibt es eine Vereinfachung. Anstelle die Pflegeaufwendungen im Detail nachzuweisen, kann unter den Voraussetzungen des § 33b Abs. 6 EStG ein unkomplizierter Pflege-Pauschbetrag geltend gemacht werden. Das vereinfacht nicht nur die Erstellung der Einkommensteuererklärung, sondern bietet noch einen weiteren Vorteil: Denn der Pauschbetrag reduziert in voller Höhe den Gesamtbetrag der Einkünfte – ohne Abzug einer zumutbaren Eigenbelastung.
Beachten Sie | Pflege-Pauschbetrag und Abzug nachgewiesener Pflegeaufwendungen schließen sich gegenseitig aus. Sie müssen sich daher für einen der beiden Abzüge entscheiden. Zulässig ist es aber, den Pauschbetrag bzw. die Pflegeaufwendungen mit dem Abzug von Unterhaltsleistungen (§ 33a EStG) bzw. der Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen (§ 35a EStG) zu kombinieren.
| Pflegegrad entscheidet über Höhe des Pauschalabzugs | |
| Seit 2021 wird für die Höhe des Pflege-Pauschbetrags auf den für die gepflegte Person festgestellten Pflegegrad abgestellt. Der Pflege-Pauschbetrag beträgt bei | |
| Pflegegrad 2 |
600 EUR |
| Pflegegrad 3 |
1.100 EUR |
| Pflegegrad 4 |
1.800 EUR |
| Pflegegrad 5 |
1.800 EUR |
| Hilflosen Personen i. S. d. § 33b Abs. 3 S. 4 EStG |
1.800 EUR |
Beachten Sie | „Hilflos“ ist eine Person, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tags dauerhaft fremder Hilfe bedarf (§ 33b Abs. 3 S. 4 EStG). Die Hilflosigkeit ist durch einen Ausweis nach dem SGB IX nachzuweisen (sogenanntes Merkzeichen „H“). Die Feststellungen der Sozialverwaltung bzgl. des jeweiligen Pflegegrads sind im Übrigen Grundlagenbescheide i. S. d. § 171 Abs. 10 und § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO.
Für die Beanspruchung des Pauschbetrags ist es also erforderlich, dass der gepflegten Person mindestens ein Pflegegrad von „2“ zugewiesen wurde oder diese „Hilflos“ ist. Bei Pflege einer Person mit dem Pflegegrad 1 oder überhaupt keiner Zuweisung eines Pflegegrads scheidet folglich ein Abzug des Pauschbetrags aus. Der Pauschbetrag ist im Übrigen ein Jahresbetrag, der nicht zeitanteilig gekürzt wird. Wird also erstmals im Dezember ein entsprechender Pflegegrad festgestellt, dann kann bereits für dieses Jahr der ungekürzte Pauschbetrag abgesetzt werden.
| Beispiel 2 |
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Die Mutter von Linda (vgl. Beispiel 1) wurde ab Dezember 2024 in den Pflegegrad 2 eingestuft. Lösung: Alternativ zum Einzelnachweis der Pflegeaufwendungen kann Linda ab 2024 einen jährlichen Pauschalbetrag über 600 EUR von der Steuer absetzen. Dieser ermäßigt sich für das Jahr 2024 nicht zeitanteilig, obwohl der Pflegegrad erst im Dezember 2024 festgestellt wurde. |
Beachten Sie | Der volle Pauschbetrag ist ebenfalls abzugsfähig, wenn die Pflege im Laufe des Jahres beendet wird. Zum Beispiel, weil die gepflegte Person verstirbt.
Ändert sich im Laufe eines Jahres der Pflegegrad oder wird erstmals ein Pflegegrad festgestellt, stellt sich die Frage, welcher Pflegegrad für den Abzug des Pauschbetrags maßgebend ist. Hierfür wurde eine steuerzahlerfreundliche Regelung eingeführt. Denn gemäß § 33b Abs. 6 S. 5 EStG ist der Pflege-Pauschbetrag nach dem höchsten im Jahr festgestellten Pflegegrad zu gewähren. Gleiches gilt, wenn im Laufe des Jahres eine Hilflosigkeit festgestellt wird.
| Beispiel 3 |
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Die von Linda gepflegte Mutter wurde im Dezember 2024 in den Pflegegrad 2 eingestuft. Ab August 2025 gilt hingegen der Pflegegrad 3. Lösung: Während der Pflege-Pauschbetrag für 2024 noch 600 EUR beträgt, erhöht er sich ab 2025 aufgrund des Pflegegrads 3 auf 1.100 EUR. Eine zeitanteilige Berechnung (Januar bis Juli Pflegegrad 2 und August bis Dezember Pflegegrad 3 ist nicht vorzunehmen. Es gilt für das komplette Jahr 2025 der Pflegegrad 3. |
Pflegende Person muss die Pflege unentgeltlich durchführen
Voraussetzung für den Abzug des Pflege-Pauschbetrags ist, dass die pflegende Person für die Pflege keine Einnahmen erhält. Die Pflege muss also unentgeltlich erfolgen. Sollte also aus der Pflegeversicherung ein Pflegegeld an die pflegende Person gezahlt werden, dann kann kein Pflege-Pauschbetrag geltend gemacht werden. Das gilt natürlich auch dann, wenn das Pflegegeld an die gepflegte Person ausgezahlt wird und diese es an die sie pflegende Person weiterleitet. Eine Ausnahme gilt nur, wenn das Pflegegeld durch die pflegende Person lediglich treuhänderisch für die gepflegte Person verwaltet und damit nur Aufwendungen der gepflegten Person bestritten werden. Dann lässt sich der Pflege-Pauschbetrag weiter absetzen.
| Beispiel 4 |
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Die Pflegeversicherung zahlt an die Mutter von Linda Pflegegeld aus. Dieses leitet sie als Entgelt für die Pflege an Linda weiter. Lösung: Weil Linda für die Pflege Einnahmen erhält, kann sie den Pflege-Pauschbetrag nicht geltend machen. |
Beachten Sie | Eine Besonderheit gilt bei der Pflege eines Kindes mit Behinderung. Wird für dieses an die Eltern Pflegegeld gezahlt, dann zählt das Pflegegeld unabhängig von der tatsächlichen Verwendung nicht zu den schädlichen Einnahmen, sodass die Eltern den Pflege-Pauschbetrag zusätzlich absetzen können (§ 33b Abs. 6 S. 2 EStG). Beiträge zur Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung der pflegenden Person, welche die Pflegekasse übernimmt, rechnen ebenfalls nicht zu den schädlichen Einnahmen (R 33b Abs. 7 EStR).
Pflegeleistung muss ortsgebunden durchgeführt werden
Zudem ist für den Abzug des Pflege-Pauschbetrags entscheidend, dass die Pflegeleistungen entweder in der Wohnung der pflegenden Person oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich erbracht werden. Diese Wohnung muss sich zudem in einem Mitgliedstaat der EU oder dem EWR befinden. Das bedeutet auch: Sollte mit der vollständigen Pflege ein Pflegedienst beauftragt werden, dann lässt sich der Pflege-Pauschbetrag mangels eigener Pflege nicht absetzen. Unschädlich ist es aber, wenn nur zeitweise ein ambulanter Pflegedienst beauftragt und in der übrigen Zeit selbst die Pflege durchgeführt wird (R 33b Abs. 4 EStR). In diesem Fall lässt sich der Pflege-Pauschbetrag in voller Höhe absetzen – er wird nicht anteilig gemessen am Pflegeumfang gekürzt.
Beachten Sie | Auch die Pflege eines pflegebedürftigen Ehegatten berechtigt zur Geltendmachung des Pflege-Pauschbetrags! In der Praxis wird hierfür oft kein Pauschbetrag geltend gemacht, da die Pflege „selbstverständlich“ ist.
| Beispiel 5 |
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Lindas pflegebedürftige Mutter wird zeitweise von einem ambulanten Pflegedienst in ihrer Wohnung gepflegt. Die übrige Pflege übernimmt Linda. Lösung: Linda kann den Pflege-Pauschbetrag geltend machen. Er reduziert sich nicht, nur weil zeitweise der ambulante Pflegedienst die Pflege übernommen hat. |
Wenn sich die Angehörigen die Pflege teilen
In der Praxis wird die Pflege der pflegebedürftigen Person oft nicht von nur einer Person erbracht, weil sich regelmäßig gleich mehrere Familienangehörige die Pflege teilen. Für diesen Fall der gemeinschaftlichen Pflege ist zu beachten, dass sich der Pflege-Pauschbetrag nicht vervielfacht, weil es sich um einen Pauschalbetrag je pflegebedürftiger Person handelt. Wird die Pflege von mehreren Personen durchgeführt, muss der Pflege-Pauschbetrag folglich auf alle Personen nach Köpfen verteilt werden, welche die allgemeinen Voraussetzungen für den Abzug erfüllen (§ 33b Abs. 6 S. 9 EStG). Dabei ist nicht erforderlich, dass jede Pflegeperson auch den Pflege-Pauschbetrag in der eigenen Steuererklärung beantragt (R 33b Abs. 5 EStR). Es kommt allein darauf an, dass mehrere Personen an der Pflege mitgewirkt haben und sie die Voraussetzungen für den Abzug erfüllen.
| Beispiel 6 |
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Lindas pflegebedürftige Mutter (Pflegegrad 3) wird nicht nur von Linda, sondern auch von ihren Geschwistern Laura und Lisa gepflegt. Während Linda und Laura die Pflege unentgeltlich durchführen, erhält Lisa monatlich 250 EUR. Nur Linda beantragt in ihrer Einkommensteuererklärung den Pflege-Pauschbetrag. Lösung: Da die Pflege von mehreren Personen durchgeführt wird, ist der Pflege-Pauschbetrag von 1.100 EUR auf Linda und Laura zu verteilen (je 550 EUR). Lisa wird bei der Verteilung nicht berücksichtigt, weil sie die Voraussetzungen für den Pflege-Pauschbetrag aufgrund der Einnahmen nicht erfüllt (BFH, 17.7.08, III R 98/06). Dass Laura den ihr zustehenden Anteil von 550 EUR nicht beantragt, ist für die Verteilung unerheblich. Linda kann damit nur 550 EUR absetzen. |
Beachten Sie | Anders sieht es aus, wenn eine Person gleich mehrere Personen pflegt, zum Beispiel die eigenen Eltern. In diesem Fall lässt sich für jede der gepflegten Personen unter den übrigen Voraussetzungen der Pauschbetrag absetzen.
So wird der Pflege-Pauschbetrag geltend gemacht
Das Finanzamt gewährt den Pflege-Pauschbetrag nicht automatisch. Er muss also beantragt werden. Diesen Antrag stellt die pflegende Person innerhalb der Einkommensteuererklärung. Maßgebend ist die „Anlage außergewöhnliche Belastungen“ und dort konkret die Zeilen 11 bis 17. Hier ist anzugeben, wer die Pflege erbracht hat und welche weiteren Personen an der Pflege beteiligt waren. Ebenfalls sind Pflegegrad und Identifikationsnummer (§ 33b Abs. 6 S. 8 EStG) der gepflegten Person einzutragen. Die Angabe der Identifikationsnummer soll eine Mehrfachberücksichtigung des Pauschbetrags verhindern. Zuletzt muss noch angegeben werden, wer die gepflegte Person konkret ist, welches Verwandtschaftsverhältnis besteht und ob dessen Wohnsitz im Inland liegt.
Beachten Sie | Der Pflege-Pauschalbetrag lässt sich auch im Lohnsteuerabzugsverfahren bei Arbeitnehmern geltend machen (Anlage außergewöhnliche Belastungen).

