In Steuer-Tipps für ALLE

Eigentlich müssten Steuerberater bei (neuen) Mandanten nachhaken, ob sie Betreiber einer kleinen Photovoltaikanlage sind, für die die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG greift und ob sie nachträgliche Ausgaben im Zusammenhang mit dieser Anlage hatten. Wenn ja, profitieren Mandanten nämlich von den zahlreichen Revisionsverfahren beim BFH. Auch wenn bei einem Mandanten aktuell eine Betriebsprüfung läuft, sollten noch Anträge auf einen Betriebsausgabenabzug oder nach Beendigung der Betriebsprüfung Einsprüche wegen der laufenden Revisionsverfahren im Zusammenhang mit dem Betreiben einer steuerbefreiten Photovoltaikanlage geprüft werden.

Neues Revisionsverfahren:
Rückwirkende Steuerbefreiung verfassungswidrig?

Über einen interessanten Fall hatte das FG Düsseldorf zu entscheiden. In dem Streitfall beauftragte ein Steuerzahler die Installation einer Photovoltaikanlage auf dem Dach seines Eigenheims. Wegen Corona verzögerte sich die Installation, sodass die Anlage erst 2022 betriebsbereit war. Den beantragten Verlust aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage ignorierte das Finanzamt im Steuerbescheid 2022 mit dem Hinweis auf die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG.

Dagegen wehrte sich der Steuerzahler mit einem Einspruch und einer Klage. Seine Begründung: Die in § 52 Abs. 4 Satz 27 EStG zu berücksichtigende Steuerbefreiung sei rückwirkend eingeführt worden und somit verfassungswidrig. Im Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz 2022 war die Steuerbefreiung für kleine Photovoltaikanlagen nach § 3 Nr. 72 EStG erst ab dem 1.1.2023 vorgesehen gewesen. Erst aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 30.11.2022 wurde die Steuerbefreiung auf den 1.1.2022 vorgezogen. Er habe deshalb für 2022 darauf vertraut, die Investitionskosten durch eine Steuerminderung (insbesondere durch eine Sonderabschreibung im Jahr 2022) finanzieren zu können.

Das FG Düsseldorf lehnte diese eigentlich einleuchtenden Argumente des Betreibers der Photovoltaikanlage ab. Eine Verfassungswidrigkeit ist nicht zu bejahen (FG Düsseldorf 24.6.25, 4 K 1286/24 E). Begründung der Richter: Auf den Gesamtzeitraum der Einkünfteerzielung ist davon auszugehen, dass der Steuerzahler aus dem Betrieb seiner Photovoltaikanlage steuerlich schwarze Zahlen schreiben wird. Die Einführung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG im Zusammenhang mit § 3c Abs. 1 EStG ist also insgesamt steuerentlastend und nicht steuerbelastend. Und da die Verfassungswidrigkeit eines rückwirkenden Gesetzes nur dann fraglich ist, wenn es sich um ein belastendes Gesetz handelt (BVerfG 17.12.13, 1 BvL 5/08), kann im Fall des Klageverfahrens beim FG Düsseldorf keine Verfassungswidrigkeit entdeckt werden. Das FG hat die Revision zugelassen.

Praxistipp

Für betroffene Mandanten sollten in vergleichbaren Fällen also auf jeden Fall weiterhin die Verluste aus dem Betrieb einer kleinen Photovoltaikanlage trotz Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG in der Steuererklärung geltend gemacht werden. Gegen nachteilige Steuerbescheide helfen ein Einspruch mit dem Hinweis auf das zu dieser Thematik anhängige Revisionsverfahren beim BFH sowie ein Antrag auf Ruhen des Verfahrens.

Verschiedene Revisionsverfahren zu nachträglichen Betriebsausgaben

Nach einem Schreiben des BMF sollen Betriebsausgaben im Zusammenhang mit einer kleinen Photovoltaikanlage, für die die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG greift, die wirtschaftlich bis zum 31.12.2021 entstanden sind und erst ab dem 1.1.2022 entrichtet wurden, in den Jahren 2022 und später nicht mehr abgezogen werden dürfen (BMF 17.7.23, IV C 6 – S 2121/23/10001 :001, Rz. 21).

Doch in der Praxis kann es sehr wohl sinnvoll sein, nachträgliche Betriebsausgaben, in der Steuererklärung 2022 und später, geltend zu machen, wenn die Ausgaben wirtschaftlich bereits im Jahr 2021 oder früher entstanden sind. Denn auch zu dieser Thematik laufen bereits verschiedene Revisionsverfahren beim BFH, die aus Sicht der Anlagenbetreiber vielversprechend sind. Hier ein Überblick über drei interessante Revisionsverfahren:

Revisionsverfahren 1 mit Aktenzeichen III R 35/24: Nachträgliche Umsatzsteuerzahlung

Nach Auffassung des FG Nürnberg steht eine Umsatzsteuernachzahlung für das Jahr 2021, die erst 2022 oder später geleistet wurde, nicht im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen nach § 3c EStG (2021 waren die Einkünfte aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage ja noch nicht steuerbefreit). Der Betriebsausgabenabzug scheidet aber dennoch aus, weil seit 1.1.2022 kein Gewinn mehr zu ermitteln ist (FG Nürnberg 19.9.24, 4 K 1440/23).

Revisionsverfahren 2 mit Aktenzeichen X R 30/24: Nachträgliche Steuerberatungskosten und
Umsatzsteuerzahlungen

Das FG Münster kam zu einer anderen Auffassung und bejahte den Betriebsausgabenabzug für vor dem 1.1.2022 entstandene Steuerberatungskosten und für Umsatzsteuerzahlungen, die erst 2022 geleistet wurden (FG Münster 6.11.25, 7 K 105/24 E). Begründung: Aus der Gesetzesbegründung zum Jahressteuergesetz 2022 kann entnommen werden, dass aufgrund der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG eine Gewinnermittlung ab 2022 nicht mehr zwingend erforderlich, aber nicht verboten ist.

Revisionsverfahren 3 mit Aktenzeichen X R 2/25: Rückzahlung von vor dem 1.1.2022 erhaltenen Einspeisevergütungen

Hat der Betreiber einer Photovoltaikanlage in den Jahren bis zum 31.12.2021 Einspeisevergütungen erhalten und musste diese in späteren Jahren teilweise zurückzahlen, verweigert das Finanzamt dafür einen Betriebsausgabenabzug. Das FG Niedersachsen lässt den Betriebsausgabenabzug dagegen zu (FG Niedersachsen 11.12.24, 9 K 83/24). Begründung: Ein unmittelbarer Zusammenhang der geleisteten Rückzahlung der Einspeisevergütungen mit den steuerfreien Einnahmen ab 2022 ist nicht gegeben.

Revisionsverfahren zum Investitionsabzugsbetrag

Wurde wegen der im Jahr 2022 oder später beabsichtigten Installation einer Photovoltaikanlage in den Jahren bis Ende 2021 ein Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG abgezogen, ist dieser im Jahr des Abzugs wieder rückgängig zu machen. Das sieht zumindest das BMF-Schreiben v. 17.7.2023 in Textziffer 19 vor. Der BFH hat in einem Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung zumindest Zweifel an dieser Vorgehensweise des Finanzamts geäußert (BFH 15.10.24, III B 24/24 – AdV). Weil nicht klar ist, wie der BFH hier im Hauptsacheverfahren entscheiden wird, empfiehlt es sich gegen nachteilige Steuerbescheide ein Einspruch und ein Antrag auf Ruhen des Einspruchsverfahrens.

Verhaltensknigge für die Beratungspraxis

(Neue) Mandanten sollten aufgrund dieser zahlreichen Revisionsverfahren beim BFH vor Erstellung der Steuererklärung gefragt werden, ob ihnen Betriebsausgaben im Zusammenhang mit einer nach § 3 Nr. 72 EStG steuerbefreiten Photovoltaikanlage angefallen sind, die wirtschaftlich den Jahren bis zum 31.12.2021 zuzurechnen sind. Wenn ja, sollten diese Betriebsausgaben in der Anlage G zur Steuererklärung erfasst werden. Gegen nachteilige Steuerbescheide ist Einspruch einzulegen und ein Antrag auf Ruhen des Verfahrens zu stellen.

Wurden in vergleichbaren Fällen für vergangene Jahre keine nachträglichen Betriebsausgaben geltend gemacht, sollten die Bescheide aus der Vergangenheit überprüft werden. Stehen diese unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO (ggfs. wegen einer Betriebsprüfung) oder sind noch Einsprüche offen, sollten die nachträglichen Betriebsausgaben in einem neuen Antrag geltend gemacht werden.

Praxistipp

Zu beachten ist jedoch, dass bei positiven Richtersprüchen zu nachträglichen Betriebsausgaben natürlich auch Erstattungen in den Fokus des Finanzamts rücken. Erstattungen zu Einspeisevergütungen oder Umsatzsteuererstattungen ab 1.1.2022, die wirtschaftlich bis Ende 2021 entstanden sind, müssten dann natürlich ebenfalls steuerlich berücksichtigt werden. Liegen die nachträglichen Betriebseinnahmen über den nachträglichen Betriebsausgaben aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage, müsste das Finanzamt im Einspruchsverfahren eine Verböserung androhen. Dieser kann nur durch Rücknahme des Einspruchs entgegengewirkt werden.