Ein Vollzeitstudium i. S. d. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG liegt nur vor, wenn das Studium nach der Studienordnung darauf ausgelegt ist, dass sich die Studierenden diesem Studium – vergleichbar einem vollbeschäftigten Arbeitnehmer – zeitlich vollumfänglich widmen müssen, so ein aktuelles Urteil des BFH.
Sachverhalt
Im Streitfall ging es um die Frage, ob der Steuerpflichtige, der im Umfang von ca. 20 Stunden an der Fernuniversität Hagen studierte und daneben keiner Erwerbstätigkeit nachging, Fahrtkosten mit dem eigenen Pkw nach Reisekostengrundsätzen mit 0,30 EUR je gefahrenem Kilometer als Werbungskosten gelten machen konnte oder ob er den Regularien der Entfernungspauschale unterlag.
Entscheidung
Der BFH entschied zugunsten des Steuerpflichtigen, dass die Entfernungspauschale in einem solchen Fall nicht greift.
Aufwendungen für ein Studium sind regelmäßig beruflich veranlasst und damit als Werbungskosten bzw. als vorweggenommene Werbungskosten abziehbar. Hierzu gehören nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG auch die Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte. Diese sind jedoch nach § 9 Abs. 4 Satz 8 Halbsatz 2 EStG bei vollzeitigen Bildungsmaßnahmen/Vollzeitstudien auf den Ansatz der Entfernungspauschale begrenzt.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 und 2 EStG können die Aufwendungen eines Arbeitnehmers für beruflich veranlasste Fahrten, die nicht Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i. S. d. § 9 Abs. 4 EStG sowie keine Familienheimfahrten sind, nach Wahl des Steuerpflichtigen in tatsächlicher Höhe oder mit den pauschalen Kilometersätzen angesetzt werden, die für das jeweils benutzte Beförderungsmittel (Fahrzeug) als höchste Wegstreckenentschädigung nach dem Bundesreisekostengesetz (BRKG) fest gesetzt sind. Für die Benutzung eines Pkw liegt diese bei 0,30 EUR für jeden gefahrenen Kilometer (§ 5 Abs. 2 Satz 1 BRKG).
Aufwendungen für Fahrten zu einer Bildungseinrichtung, die der Steuerpflichtige außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufsucht, können dagegen nur mit der Entfernungspauschale berücksichtigt werden, weil die Bildungseinrichtung in diesem Fall gemäß § 9 Abs. 4 Satz 8 Halbsatz 1 EStG als erste Tätigkeitsstätte gilt und unter anderem die Regelungen für Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG entsprechend anzuwenden sind (§ 9 Abs. 4 Satz 8 Halbsatz 2 EStG).
Ein Vollzeitstudium liegt – im Gegensatz zu einem nur in Teilzeit durchgeführten Studium – vor, wenn das Studium nach der Studienordnung darauf ausgelegt ist, dass sich die Studierenden diesem – vergleichbar einem vollbeschäftigten Arbeitnehmer – zeitlich vollumfänglich widmen müssen. Davon ist auszugehen, wenn das Studium nach den Ausbildungsbestimmungen (Studienordnungen) oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt etwa 40 Wochenstunden (Unterricht, Praktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammengenommen) erfordert bzw. im Durchschnitt pro Semester 30 ECTS-Leistungspunkte (Creditpoints) vergeben werden. Ist dies der Fall, kann grundsätzlich von einem Vollzeitstudium ausgegangen werden.
Ist das Studium nach der jeweiligen Studienordnung hingegen darauf ausgerichtet, dass die Studierenden für die Erbringung der vorgeschriebenen Studienleistungen nur einen Teil ihrer Arbeitszeit aufwenden müssen, liegt ein Teilzeitstudium vor.
Ob die Studierenden daneben in einem Beschäftigungsverhältnis stehen oder anderweitig erwerbstätig sind, ist für die steuerrechtliche Einordnung eines Studiums als Teilzeitstudium unerheblich. Der BFH lehnt es ab, von einem Vollzeitstudium i. S. d. § 9 Abs. 4 Satz 8 Halbsatz 1 EStG dann auszugehen, wenn der Steuerpflichtige neben dem Teilzeitstudium keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.
Im Streitfall hatte das FG zu Recht entschieden, dass die Fernuniversität Hagen im Streitjahr nicht als erste Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen i. S. d. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG anzusehen ist und seine Fahrtkosten deshalb auch nicht auf die Entfernungspauschale begrenzt sind. Denn der Steuerpflichtige hatte die Fahrten zur Fernuniversität Hagen nicht zum Zwecke eines Vollzeitstudiums unternommen, da er sich dem Studium nicht zeitlich voll-umfänglich widmen musste. Er war lediglich als Teilzeitstudierender eingeschrieben und studierte nach seinem Hörerstatus in einem zeitlichen Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich. Die Tatsache, dass er im Streitjahr keiner Erwerbstätigkeit nachging, ist im Hinblick auf den Begriff des Vollzeitstudiums unerheblich.
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