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Ein zu Unrecht unter Berufung auf EU-rechtswidrige Vorschriften versagter Steuererstattungsanspruch ist zu verzinsen.

Hintergrund

Nach der EuGH-Rechtsprechung verstößt § 50d Abs. 3 EStG gegen die Niederlassungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit und ist daher nur eingeschränkt anwendbar. Die dort aufgestellte generelle Missbrauchsvermutung kann im Einzelfall durch den Steuerpflichtigen erfolgreich widerlegt werden.

Sachverhalt

Die Steuerpflichtige ist eine in Österreich ansässige Gesellschaft. Sie stellte in den Jahren 2009 bis 2012 beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Bonn verschiedene Anträge auf Freistellung und Erstattung von deutscher Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag. Diese Anträge wurden zunächst unter Hinweis auf die Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG abgelehnt.

Die hiergegen gerichteten Einsprüche hatten Mitte 2018 Erfolg und führten zu Steuererstattungen, nachdem der EuGH die Unvereinbarkeit des § 50d Abs. 3 EStG mit dem Unionsrecht festgestellt hatte.

Im Anschluss daran beantragte die Steuerpflichtige zusätzlich die Festsetzung von Erstattungszinsen. Das Bundeszentralamt lehnte eine Verzinsung ab. Nachdem es über den hiergegen eingelegten Einspruch unter Verweis auf Erörterungen der Finanzverwaltung auf Bund-/Länderebene nicht entschieden hatte, wandte sich die Steuerpflichtige nach knapp 20 Monaten mit einer sog. Untätigkeitsklage an das Finanzgericht.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht bestätigte die Rechtsauffassung der Steuerpflichtigen.

Der Steuerpflichtigen stehe ein unmittelbar aus dem EU-Recht begründeter Anspruch auf Verzinsung der unionsrechtswidrig einbehaltenen Kapitalertragsteuer i. H. v. 0,5 % pro Monat (entsprechend 6 % pro Jahr) zu. Da der deutsche Gesetzgeber diese Fälle nicht spezialgesetzlich geregelt habe, sei auf die allgemeinen Verzinsungsgrundsätze der Abgabenordnung zurückzugreifen.

Der Zinslauf beginne dabei regelmäßig an dem Tag der zu Unrecht geleisteten Abgabenzahlung. Sofern Steuerpflichtige für die Kapitalertragsteuer das gesetzlich vorgesehene Freistellungsverfahren nicht in Anspruch genommen hätten, sei dem BZSt vor dem Beginn der Verzinsung allerdings in entsprechender Anwendung der vom Bundesfinanzhof für den Bereich der Energiesteuerentlastung herausgearbeiteten Grundsätze ein angemessener Zeitraum von vier Monaten und zehn Arbeitstagen für die Bearbeitung des Erstattungsantrags zuzubilligen.

Praxistipp

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Bundeszentralamt für Steuern hat gegen das Urteil die vom Senat zugelassene Revision eingelegt.

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FG Köln 17.11.21, 2 K 1544/20, Rev. BFH I R 50/21