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Eine verfassungskonforme Auslegung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG dergestalt, dass nur solche erstatteten Kirchensteuerbeträge dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet werden, die sich im Zahlungsjahr entlastend auf die steuerliche Bemessungsgrundlage ausgewirkt haben, kommt nicht in Betracht.

Entscheidung

Im Streitfall waren die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG erfüllt. Danach ist ein verbleibender Betrag des sich bei den Aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG ergebenden Erstattungsüberhangs dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen.

Dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nach war im Streitjahr 2016 dem Gesamtbetrag der Einkünfte der Steuerpflichtigen ein Kirchensteuerüberhangbetrag hinzuzurechnen, da den Steuerpflichtigen Kirchensteuern i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG in entsprechender Höhe erstattet worden waren. Nach Saldierung der geleisteten mit den erstatteten Kirchensteuern ergab sich ein sog. Erstattungsüberhang.

Daran änderte auch der Umstand nichts, dass sich die erstattete Zahlung im Zahlungsjahr 2015 nur teilweise steuermindernd ausgewirkt hatte, denn das Gesetz enthält keine entsprechende Ausnahmeregelung. Die Hinzurechnung nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG findet vielmehr auch dann statt, wenn sich die erstattete Zahlung im Zahlungsjahr nicht steuermindernd ausgewirkt hat.

§ 10 Abs. 4b Satz 3 EStG ist auch nicht dahin gehend teleologisch zu reduzieren, dass die Vorschrift nur Anwendung findet, soweit sich der Erstattungsüberhang im Zahlungsjahr beim Sonderausgabenabzug steuerlich ausgewirkt hat. Denn eine teleologische Reduktion kann nur in Betracht kommen, wenn die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde. Dagegen ist es nicht Aufgabe einer lückenfüllenden Interpretation – zu der auch die teleologische Reduktion gehört – rechtspolitische Fehler zu korrigieren, d. h. das Gesetz zu verbessern, obwohl es sich – gemessen an seinem Zweck – noch nicht als planwidrig unvollständig oder zu weitgehend erweist.

Bei § 10 Abs. 4b EStG ging es dem Gesetzgeber gerade darum, anders als nach der zur alten Rechtslage ergangenen Rechtsprechung, nach der Erstattungsüberhänge gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in den Zahlungsjahren zu berücksichtigen waren, diese nunmehr nur noch im Jahr des Zuflusses zu berücksichtigen. Die Vorschrift des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG nur insoweit anzuwenden, wie sich die Kirchensteuerzahlung in Vorjahren auch tatsächlich steuermindernd ausgewirkt hat, widerspräche somit dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers und dem mit der Einführung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG verfolgten Zweck der Verwaltungsvereinfachung.

Auch eine teleologische Reduktion aufgrund verfassungsrechtlicher Erwägungen kommt nicht in Betracht. Denn die Anwendung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG auf Fälle wie dem Streitfall, in denen sich erstattete Zahlungen nicht (in voller Höhe) steuermindernd ausgewirkt haben, begegnet nach Überzeugung des FG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG ist insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar.

Das FG hat ausdrücklich die Revision gegen die Entscheidung nicht zugelassen. Denn die zugrunde liegende Rechtsfrage war bereits höchstrichterlich entschieden (z. B. BFH 29.6.22, X R 1/20; BFH 12.3.19, IX R 34/17).

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